Krieg ist überall
Arnold Steins hatte ein glückliches Leben. Über dreißig Jahre an der Seite seiner großen Liebe und seinem Sohn Chris. Arnold und Karen lebten am Rande des Taunus mit Sohn und Hund und die Welt schien in Ordnung. Dann entschloss sich Chris jedoch Soldat zu werden und zog in den Krieg. In die Wüste, tausende Kilometer von der Heimat entfernt, wo „Männer mit Bärten“ die Freiheit und nicht zuletzt das Leben der vor Ort stationierten Soldaten bedrohen. Chris‘ Eltern sind Lehrer, Pazifisten und natürlich entsetzt, denn ob der geliebte Sohn tatsächlich bis Weihnachten zurückkommt, wer weiß es schon? Mit dem Kummer um die Gesundheit und nicht zuletzt das Leben des einzigen Kindes gerät auch die Beziehung von Arnold und Karen schleichend in eine Schieflage. Arnold verschweigt seiner Frau die unschönen Details von Chris‘ Soldatenleben, sie verschweigt ihm ihre Flucht in den Alkohol.
Wenige Jahre später. Allein mit seinem Hund namens Hund bewohnt Arnold ein kleines Haus in den Bergen und genießt die Abgeschiedenheit. Jedoch gab es bei ihm einen Einbruch, Zigaretten wurden gestohlen, das Radio zerstört. Wenig später wird sogar mit einem Bolzenschussgerät auf den Hund geschossen. Was zu viel ist, ist zu viel. Als Arnold im Wald ein Zelt vorfindet, in dem er Reste seiner Zigaretten findet, brennt er dieses kurzerhand nieder. Doch damit beginnt er erst, der nächste Krieg, bei dem wie meistens die Starken die Schwachen besiegen.
Lakonisch und eindringlich erzählt
Mit seinem Roman „Krieg“, verfilmt im Jahr 2017 unter dem Titel „Fremder Feind“, hat Jochen Rausch einen ebenso eindringliches wie lakonisches Werk vorgelegt, welches vom Krieg in seinen zahlreichen Facetten erzählt. Der echte Krieg, in dem Chris sein Leben riskiert; der Krieg gegen den Alkohol; der Krieg gegen den Unbekannten im Wald und nicht zuletzt der innere Krieg gegen sich selbst. Rausch erzählt seine Geschichte in zwei Erzählebenen – Chris im Krieg, Arnold in den Bergen –, wobei Spannung nur unterschwellig aufkommt.
Die Nachrichten von der Front sind mal mehr, mal weniger optimistisch und die aktuellen Vorfälle finden in größeren (Buchseiten-)abständen statt. Der Spannungsbogen dieser gelungenen Mischung aus Drama und Psychothriller bleibt dabei überschaubar, denn es wird ja seine Gründe haben, warum sich Arnold mit dem Hund in die Einsamkeit der Berge zurückgezogen hat. Und selbst die aktuellen Geschehnisse bleiben überschaubar prickelnd, da der Unbekannte ein Unbekannter bleiben wird. Auch hier überrascht das Finale wenig, gleichwohl gibt es noch ein versöhnliches „Happ-End“ für Arnold, was allerdings ebenfalls vorhersehbar ist.
Sprachlich und psychologisch überzeugt das Buch in jeder Hinsicht, die Schrecken des Krieges und die damit einhergehenden Sorgen der Angehörigen sind glänzend festgehalten. Die Verschachtelungen, die sich aus den beiden Zeitebenen ergeben, sorgen am Anfang für leichte Verwirrung, dann ist aber klar, sobald Karen mitwirkt ist man in der Vergangenheit, andernfalls im Hier und Jetzt. Viele Worte verliert Arnold übrigens selten. Er bekommt ja so gut wie nie Besuch und im Dorf ist man seine Schrullen längst gewohnt. Wunderbar lakonisch muten die Dialoge an, womöglich hat Arnold diese von den Gesprächen mit seinem Hund übernommen. Hier reichen meist kurze Befehle. Alles in allem ist „Krieg“ ein feinfühliges Drama mit überschaubaren, gleichwohl pointiert gesetzten Thrillerelementen, welches durchaus eine gewisse Sogwirkung entfaltet.
Zuletzt erschien im März 2023 der neue Roman von Jochen Rausch „Im toten Winkel“.
- Autor: Jochen Rausch
- Titel: Krieg
- Verlag: Berlin Verlag / Piper
- Umfang: 224 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Januar 2015
- ISBN: 978-3-8333-0988-5
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Wertung: 11/15 dpt