Kristin ist am Boden zerstört. Erst verlässt ihr Sohn das Haus, um sein Studium zu beginnen, dann erwischt sie ihren Mann in flagranti mit der jüngeren, aber sehr sozialen Schulpädagogin ihres Sohnes. Und im Beruf muss sie sich gegen zu viel Testosteron behaupten. Da kommt der Anruf aus Italien gerade rechtzeitig, als sie erfährt, dass ihr Großvater, den sie nie kennengelernt hat, verstorben ist und ihr sein Vermächtnis hinterlässt.
Eher aus Frust als aus Überzeugung reist sie also kurz darauf nach Italien – eigentlich mehr, um die dreijährige Sexkrise (»Eat, pray, fuck!«) hinter sich zu lassen – um an der Beerdigung des unbekannten Verwandten teilzunehmen.
Womit Kristin nicht gerechnet hat: Die Beerdigung wird jäh unterbrochen, als die Romanos den Trauerzug samt Sarg abballern. Womit Kristin erst recht nicht gerechnet hat: Sie ist nun die Erbin eines Mafia-Clans, der da in einige Querelen verstrickt ist.
»Mafia Mamma« beginnt mit einem Schriftzug, der direkt an Banditenfilme der 1970er Jahre erinnert. In dicken roten Lettern werden die Zuschauer*innen darauf vorbereitet, was sie erwarten könnte. Herrlich eingesetzt erklingt die Musik, die in ihrer Fröhlichkeit von Urlaub in der Toskana, Schlendern durch die Gassen Roms und Pasta in Venedig träumen lässt. Doch die Story beginnt in der amerikanischen Vorstadt, wo eine verheulte Frau Essen zubereitet und sich von ihrem flügge gewordenen Sohn verabschiedet, der just in diesem Moment auszieht.
Nicht lange muss man warten, bis man ins heiß ersehnte Italien – jedoch der Gegenwart – reist, wo die Geschichte Fahrt aufnimmt. Kristin erbt einen Mafia-Clan, die Balbanos. Dieser muss sich gegen die Ansprüche der Romanos behaupten, die ebenfalls einen Großteil Roms beherrschen wollen. Da gibt´s außerdem noch eine klitzekleine Angelegenheit, wo der eine dem anderen was abgesägt oder gelyncht hat… Mafia halt. Man könnte sagen, dass sich die Fronten verhärtet haben. Insgesamt also kein leichter Anfang für Kristin, zumal beim Abendessen und darauffolgenden Stelldichein mit dem neuen Clanführer der Romanos die amerikanische Vorstadtfrau auch noch vergiftet werden soll. Als sie die Gläser unwissentlich vertauscht, führt dann eins zum anderen.
Die Mafia-Komödie ist turbulent. Vom Anfang bis zum Ende. Hier wird gequasselt und geballert, verführt und wieder gequasselt bis zum Geht-nicht-mehr. Doch leider geschieht dies alles viel zu übertrieben.
Betrachtet man zunächst die Protagonistin Kristin, dargestellt von Toni Colette, bekannt aus The Sixth Sense, lässt sich sagen, dass weniger mehr wäre.
Die Figur ist so übertrieben und lächerlich dargestellt, dass es schwierig ist, ihr bis zum Ende zu folgen. Das zeigt sich vor allem in ihren merkwürdigen Reaktionen auf verschiedene Ereignisse: Kristin erwischt ihren Mann dabei, wie er Sex mit einer anderen Frau hat. Diese Frau bietet ihr an, darüber zu reden. Kristin heult, nickt und dankt ihr für das freundliche Angebot.
Oder: Einen Tag später fliegt sie nach Rom und ist bester Laune. Vom Ehebruch ihres Mannes ist keine Rede mehr. Stattdessen möchte sie eine heiße Affäre mit einem noch heißeren Italiener eingehen, dazugehöriger Mann wird sich schon noch finden. Gerade in Italien angekommen fällt sie einem passenden Exemplar gleich in die Arme. Der ist es dann. Kristin ist verliebt.
Oder: Ein Mann greift sie in ihrem neuen Heim an. Sie wehrt sich nicht. Sie vermöbelt stattdessen den Halunken so dermaßen mit ihrem Highheel, dass am Ende nur noch ein Blutbad zu sehen ist.
Oder: Sie wird Zeugin davon, wie ein Mann in seine Einzelteile zerlegt wird. Kurz darauf liegt sie entspannt im Garten und lässt es sich erstmal so richtig gut gehen.
Oder:…
Das Verhalten der Figur wirkt selbst für eine Komödie so überdreht und unauthentisch, dass es die Handlung kaputtmacht.
Dagegen erscheinen die Mafiosi umso greifbarer. Schmierige Typen mit schütterem Haar und dünnen Oberlippenbärtchen. Sonnenbrillen und Lederjacken. Tätowierungen an Stellen, von denen anzunehmen ist, dass es wehtut. Und zu sämtlichen Gelegenheiten das Kreuzzeichen – man ist ja gläubig.
Besonders schön gespielt sind die beiden Aufpasser Kristins, die wie eine italienische Kopie von Laurel und Hardy wirken. Ihre kleinen Ausschnitte sorgen immer wieder für ein Schmunzeln, sei es beim Verspeisen einer Pasta oder beim Ausführen ihres Jobs.
Es ist eine positive Überraschung zu sehen, dass mit Toni Colette eine Frau mit Falten im Gesicht die Leinwand betritt. Leider wird dieser Umstand gleich zu Beginn revidiert. Aus Kristin, die Vorstadt-Mama, wird Kristin, die heiße Mafia-Braut, die nur noch in engen Kleidern und Highheels herumläuft. Nicht zu vergessen – die Haare müssen immer in weichen Wellen über die Schulter fallen. Hinzu kommt Monica Bellucci, die die Witwe des verstorbenen Großvaters spielt. Ihr Gesicht und somit ihr Schauspiel wirken eingefroren. Fehlende Mimik führt in diesem Fall zu fehlender Präsenz.
FSK 16 – so ist »Mafia Mamma« ausgewiesen. Und dass Mafia-Filme Gewalt zeigen, selbst, wenn es sich um eine Komödie handelt, verwundert nicht. Doch die expliziten Gewalthandlungen sind zu viel und zu detailliert. Müssen Zuschauer*innen dabei zusehen, wie einem Mann mehrmals ins Auge gestochen wird? Nein! Auch hier wäre weniger mehr gewesen.
Fazit
Der Film hält nicht, was er verspricht. Überdreht, völlig absurd und gewaltverherrlichend zeigt er eine Story, die witzig und unterhaltsam hätte sein können. Lediglich die Musik und die beiden Aufpasser sorgen für sympathische Momente.
- Titel: Mafia Mamma
- Produktionsland und -jahr: USA, 2023
- Genre: Komödie/Action
- Erscheinungstermin: 25. August 2023
- Label: Squareone Entertainment
- Spielzeit: 101 Minuten
- Darsteller: Toni Colette
- Monica Bellucci
- Eduardo Scarpetta
- Alessandro Bressanello
- Sophia Nomvete
- Regie: Catherine Hardwicke
- Drehbuch: J. Michael Feldman
- Debbie Jhoon
- Kamera: Patrick Murguia
- Schnitt: Waldemar Centeno
- FSK: 16
Wertung: 7/15 dpt
Fotos: © SquareOne