Geister: Exodus – Staffel 3 (Serie, Blu-Ray, DVD)


Das Rigshospitalet, kurz “Riget” (“Das Reich”) liegt ganz offensichtlich nicht weit weg von Twin Peaks. Und teilt sich neben Magie, Mystik und dem Wetter auch die Zeitleiste mit David Lynchs Serie. Braucht das “Hospital der Geister” bis zur dritten Staffel ebenfalls mehr als ein Vierteljahrhundert Anlaufzeit. Nicht unproblematisch, da ein Teil der Belegschaft nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Mit den Überlebenden gibt es, wenn auch in Nebenrollen, ein Wiedersehen. An vorderster Stelle der Kopf Udo Kiers nach seiner Metamorphose vom überdimensionierten Baby Brüderchen, das sich nicht von seinem sinistren Vater korrumpieren ließ und jetzt als Bruderherz im Keller des Königreich-Hospitals den Wächter zwischen der Welt der Lebenden und der Geister markiert. Dieses Unterfangen fällt ihm zunehmend schwer.


Neu an vorderster Front ist Mikael Persbrandt als Helmer Jr., der Sohn des selbstverliebten, sich selbst überschätzenden schwedischen Professors Stig Helmer, dessen Verachtung Dänemarks die ersten beiden Staffeln prägte. Sein Nachwuchs ist der perfekte Erbe, auch wenn er zunächst freundlicher erscheinen möchte. Doch die vielen Fallstricke und dänischen Bizarrerien lassen ihn schnell zum Berserker mit Mordabsichten werden. Böses Erwachen inklusive. Denn wie zu erwarten ist in Lars von Triers Geisterwelt nahezu nichts wie es scheint.

“Geister – Exodus” beginnt selbstreferentiell, indem Karen Svensson den Fernseher ausschaltet und sich über das offene Ende der zweiten Staffel ärgert. Kurze Zeit später ist sie auf dem Weg ins Reichskrankenhaus, um dort die Nachfolge Sigrid Drusses als Bindeglied zwischen den Welten zu übernehmen (Bodil Jørgensen ist ein passender Ersatz für die verstorbene Kirsten Rolffes). An ihrer Seite der Krankenpfleger Bulder, der zwar Balder heißt, als Reminiszenz an Drusses Sohn (Jens Okking, 2018 verstorben) jedoch umbenannt wurde.


Svensson irrt durchs Krankenhaus wie einst ihre geistige Ahnin Sigrid Drusse, um das Gute und Böse zu kanalisieren und die Apokalypse abzuwenden, die eigentlich schon zum Finale der zweiten Staffel angesagt war. Ihr Vorhaben, Bruderherz zu retten wird von dessen leiblicher Mutter Judith Petersen, eine überlebende Ärztin der ersten Staffeln, unterstützt. Die restliche Ärzteschaft ist selbstbezogen damit beschäftigt, die eigenen Marotten zu hegen und pflegen oder im Falle Helmer Juniors einen Feldzug gegen das vermaledeite Dänemark zu beginnen. Den er instinktlos “Unternehmen Barbarossa” aka “Barba Rossa” tauft.

Mit “Grey’s Anatomy” hat das wenig zu tun. Den Doktoren des Reichskrankenhaus möchte man nicht in die operierenden Hände fallen. Lars von Trier reizt das Spleenige und Makabre mit Wonne aus. Sich selbst hält er aus der Schusslinie. Kommentierte er in den Neunzigern noch jede Folge zum Abschluss launig, bleibt er jetzt kurzangebunden und hinter einem Vorhang verborgen. Seine kontroversen Aussagen der letzten Jahre scheinen ihm zu schaffen zu machen. Behauptet der Regisseur jedenfalls. Als geübte “Hospital der Geister”-Zuseher glauben wir natürlich nichts davon. Schon gar nicht den anfänglichen Verweis, dass es eine ordentliche Auflösung geben wird.


“Geister – Exodus” spielt noch expliziter mit (filmischen) Erwartungshaltungen, dreht die Realität durch die Mangel, bis ein surreales Gebräu entsteht, das trotzdem auf (gesellschaftliche) Wirklichkeiten verweist. Als griechischer Chor agieren diesmal der an Progerie leidende Lillemand und sein sprechender Küchenroboter. Alles ist artifizieller geworden, lediglich die stellenweisen verrauschten Bilder und der Einsatz der Handkamera verweisen auf die dogmatische Filmlehre, die die 90er-Jahre Produktion der Ur-Geister durchdrang.

Lars von Trier benutzt Versatzstücke der ersten Inkarnation, modernisiert (pilotloser Hubschrauber statt Krankenwagen ohne Fahrer) und verfremdet sie (von “Brüderchen” zum riesigen Kopfgebilde. Der unförmige Körper ist im Geisterreich aufgegangen). Aus den Wäldern nahe Twin Peaks‘ lässt er eine Eule einfliegen. Todesbote, Symbol der Weisheit oder ein Traum in einem Traum? Bob weiß die Antwort.
Alexander Skarsgård nimmt die Rolle des schwedischen Anwalts auf, die sein Vater Stellan in den Neunzigern bekleidete. Er residiert in der Toilette des Krankenhauses und vertritt gleichzeitig Helmer Jr. und die ihn ständig verklagende Krankenschwester Anna. Wobei sein Allheilmittel lautet, dass der Arzt zahlen soll, was immer die Schwester verlangt. Wahre Interessenvertretung.


Schauspielerisch ist “Geister – Exodus” die reine Freude. Mikael Persbrandt führt mit Wonne sein Image als machohafter Womanizer ad absurdum, Lars Mikkelsen darf ebenso launig planlos Pläne schmieden, die meist mit seiner Arbeit als Arzt nur indirekt zu tun haben. Tuva Novotny zu sehen ist immer eine Freude, selbst wenn sie eine janusgesichtige Figur wie Anna spielt.


Schön auch, die älter gewordenen Veteranen der ersten Staffeln wiederzusehen (u.a. Birgitte Raaberg, Søren Pilmark , Ghita Nørby, Peter Mygind und Henning Jensen). Nicht zu vergessen Willem Dafoe in seiner kleinen, aber entscheidenden Rolle als Grand Duc, der strippenziehende Teufel, der das Gleichgewicht des Guten und Bösen zugunsten des letzteren aushebeln möchte. Am Ende stellt sich heraus, dass er nicht solistisch tätig ist, sondern einem ganz anderen Meister gehorcht. Gott, Satan oder Lars von Trier? Die Grenzen verschmelzen.

“Geister – Exodus” ist eine würdige Fortsetzung, die gekonnt zwischen Surrealismus, Satire, Soap und Horror die Geschichte vom Kampf zwischen “The good, the bad and the ugly” erzählt. Mit ungewissem Ausgang. Ist doch klar oder etwa nicht?

Karin Svensson, Bulder, Dr. Jørgen Krogshøj

Cover+ Bilder  © Plaion Pictures, Explosive Media

  • Titel: Geister: Exodus
  • Originaltitel: Riget: ExodusG
  • Produktionsland und -jahr: Dänemark, 2022
  • Genre: Horror, Drama, Soap, Dark Comedy
  • Erschienen: 25.01.2024
  • Label: Plaion
  • Spielzeit:
    ca. 307 Minuten auf 3 DVD
    ca. 307 Minuten auf 3 Blu-Ray
  • Darsteller: Bodil Jørgensen
    Mikael Persbrandt
    Lars Mikkelsen .
    Nicolas Bro
    Tuva Novotny
    Nikolaj Lie Kaas
    Ghita Nørby
    Søren Pilmark
    Birthe Neumann
    Ida Engvoll
    Birgitte Raaberg
    Peter Mygind
    Jesper Sørensen
    Henning Jensen
    Udo Kier
    Willem Dafoe
    Danica Curcic
  • Regie: Lars von Trier
  • Drehbuch: Lars von Trier
    Niels Vørsel
  • Kamera: Manuel Alberto Claro
  • Musik: Joachim Holbeck
  • ExtrasTrailer, Teaser
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    1.78:1 (16:9)
    Sprachen/Ton: 
    Deutsch, Dänisch, Dolby-Digital 5.1
    Untertitel: 
    Deutsch
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    1,78:1 (16:9)
    Sprachen/Ton: 
    Deutsch, Dänisch, DTS-HD Master Audio 5.1
  • Untertitel: Deutsch
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite
    Erwerbsmöglichkeit


Wertung: 12/15 dpt


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