Susanne Abel – Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe (Buch)


Nachkriegsjahre: Schwarzer GI trifft deutsches Mädchen

Stay away from Gretchen
© dtv

Greta Monderath ist 84 Jahre alt, ihr Mann Konrad starb vor achtzehn Jahren. Sohn Tom, ein berühmter Kölner TV-Moderator, kümmert sich um seine Mutter, nichts ahnend, dass diese an Alzheimer erkrankt ist. Selbst als sie verwirrt nach einer nächtlichen Autofahrt in Aschaffenburg landet und ihm dort eine entsprechende Diagnose mitgeteilt wird, will Tom es nicht wahrhaben. Er kann sich doch über alles mit seiner Mutter unterhalten, alles ist bestens.

Die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 hat Tom beruflich fest im Griff. Mit Kanzlerin Merkel besucht er das Flüchtlingslager in Heidenau, wo einheimische Demonstranten „Wir sind das Pack!“ skandieren. Als Greta die Fernsehbilder sieht, muss sie an ihre eigene Flucht denken. 1945. Ostpreußen. Die Russen. Irgendwie schaffte man es nach Heidelberg, überlebte dort mehr schlecht als recht das Ende des Krieges und die Folgejahre, während der Vater aus Stalingrad nicht zurückkehrte. Er galt als vermisst.  

Greta erzählt erstmals von früher, Tom entdeckt alte Unterlagen. Darunter ein Foto eines schwarzen GI namens Robert „Bob“ Cooper, den Greta als Toms Vater bezeichnet, was aufgrund seiner Hautfarbe nicht sein kann. Als Tom jedoch in Gretas Führerschein ein altes Foto mit einem dunkelhäutigen Mädchen sieht, macht Greta dicht und Tom beginnt zu ahnen, dass er nicht alles über seine Familie und vor allem die Vergangenheit seiner Mutter weiß. Nicht alles? Die Untertreibung seines Lebens.

Anrührende, sehr gut recherchierte Geschichte

Susanne Abel hat eine herzzerreißende Geschichte geschrieben, die intensive Einblicke in die Nachkriegsjahre bietet. In zwei Zeitebenen erzählt sie einerseits von Tom, seiner journalistischen Arbeit, seiner zunehmend dementer werdenden Mutter und der politischen Ereignisse des Jahres 2015. In Rückblenden (1939-1953) erfährt man das Leben von Greta, ihrer Schwester Fine, den Eltern und Großeltern. Dem Vater folgend, waren auch die Schwestern glühende Anhänger des Führers, hatten viele Plakate von Hitler in ihrem Jugendzimmer. Bei den Großeltern sah es hingegen anders aus, Opa hatte noch einen alten Ausweis der Sozialdemokraten. Es folgt die Flucht, das Überleben und dann in Heidelberg der Anblick schwarzer, amerikanischer Soldaten. Von wegen blond und blauäugig. Ein Kulturschock.

Die Bigotterie im Nachkriegsdeutschland, wo deutsche Frauen als „Ami-Flittchen“ und Schlimmeres bezeichnet und später deren Kinder schwarzer Soldaten als „Affenbabys“ rassistisch diffamiert wurden, wird bedrückend eingefangen. Andererseits empfahlen die Amerikaner dringend ihren Soldaten, sich nicht mit deutschen Frauen einzulassen („Stay away“), da diese angeblich Krankheiten wie die Syphillis hatten und ihnen ohnehin nur ein Kind anhängen wollten. Eine spätere Idee war, die trotzdem geborenen schwarzen Kinder unter ihresgleichen aufwachsen zu lassen, sprich in einem afroamerikanischen Umfeld; beispielsweise in Amerika. Allerdings kam man vom Regen in die Traufe, denn auch dort war Rassismus inklusive drastischer Rassentrennung (beispielsweise in Restaurants oder öffentlichen Verkehrsmitteln) allgegenwärtig.

Abel stellt die Vertreibung beziehungsweise Flucht der Jahre 1945 und 2015 gegenüber, erzählt von einer Liebe die nicht sein durfte, denn nicht zuletzt in Amerika war es verboten, dass schwarze Soldaten eine weiße Frau heirateten. Tom ist Journalist, nicht unbedingt ein sympathischer, der eines kann: Recherchieren. Dabei hilft ihm eine Kollegin, die er verabscheut, deren Expertise aber dringend benötigt wird. Immer tiefer steigt er in das Thema der „Brown Babies“ ein. Nicht nur für Fans von Mechthild Borrmann ein klarer Tipp!

Ein tiefer Blick in einen rabenschwarzen Abgrund, der sich kurz nach Ende von Hitlers Rassenwahn (nicht nur) in Deutschland auftat. In „Was ich nie gesagt habe“ (Band 2) wird Gretchens Geschichte weitererzählt.

  • Autorin: Susanne Abel
  • Titel: Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe
  • Verlag: dtv
  • Umfang: 544 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Februar 2023
  • ISBN: 978-3-423-22014-9
  • Produktseite


Wertung: 13/15 dpt


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