Julia Heinecke – Heimliche Frucht (Buch)


Und dann wird die Magd schwanger

Engenbach im Schwarzwald. Wir schreiben das Jahr 1950. Der Krieg ist vorbei, seine Folgen für die Dorfbewohner kaum zu spüren. Das Leben nimmt seinen geregelten Gang, allein, nicht alle kamen aus dem Krieg zurück und manche waren in der Folge etwas verändert. Rosa, Anfang zwanzig, arbeitet auf dem Lenzenhof und ist in Emil verliebt. Dem Bauer geht es genauso, wenngleich er eigentlich nur ihr Arbeitgeber sein sollte. Man möchte heiraten, doch der Hof ist verschuldet und Rosa bringt als einfache Magd keine Mitgift mit; bei zehn Geschwistern kein Wunder. So entscheidet Lenz, Emils Vater, dass sein Sohn die Tochter des örtlichen Sägewerkbesitzers heiraten soll. Agnes ist mit dreiunddreißig drei Jahre älter als Emil und auch sonst das genaue Gegenteil von Rosa. Sie ist dünn und eher hässlich, Rosa dagegen dicklich mit folglich prallen Formen.

Vor der Hochzeit stirbt Lenz, doch Emils Hoffnung, die bereits angekündigte Ehe mit Agnes wieder absagen zu können, wird durch deren Vater verhindert. Denn dieser weiß einiges über Emil, zum Beispiel über dessen Kriegszeit im Jahr 1941, wo er an schlimmen Kriegsverbrechen in Frankreich beteiligt war. Die Täter werden noch immer von den Franzosen gesucht.

Es kommt, wie es kommen muss. Die Hochzeit findet statt und eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung nimmt ihren Verlauf. Emil kommt trotz anfänglicher Abneigung mit Agnes überraschend gut klar – ebenso wie Rosa –, aber es zieht ihn bald schon wieder zu der Magd. Anfang 1951 kommt Stefanie zur Welt, für Agnes ist das Glück perfekt. Was diese jedoch nicht ahnt, auch Rosa ist in anderen Umständen. Emil sieht sich in mehrerlei Hinsicht in großer Gefahr, kurzum, Rosas Baby muss weg. Aber wie soll das gehen? Emil weiß es nicht und die einfältige Rosa schon gar nicht. Bald wird diese noch dicker, im Dorf zerreißt man sich schon das Maul, letztendlich wird sogar die Polizei eingeschaltet. Als Oberwachtmeister Bruno Strecker allerdings dem Dorftratsch nachgeht, ist die Tragödie längst geschehen.   

Ein Drama nimmt seinen Lauf

„Heimliche Frucht“ ist eine Dreiecksgeschichte, ein Drama und nicht zuletzt ein spannender Krimi; zumindest liest sich der Roman gegen Ende wie ein solcher. Ein verheirateter Bauer und eine schwangere Magd, hört sich erstmal nicht ganz unbekannt an. Passiert schon mal und meist ohne nennenswerte Folgen, das Leben geht halt weiter. Im vorliegenden Fall ist es anders.

Zunächst beschreibt Julia Heinecke das Leben auf dem Hof, wie sich Emil und Rosa verlieben, heiraten wollen, ihre Pläne jedoch brutal zunichtegemacht werden und man sich letztlich mit der Dreiecksbeziehung arrangiert, von der allerdings Agnes nichts mitbekommt. Dies ist übrigens ein gutes Stichwort, denn Rosas Eltern und Geschwister bekommen auch nichts mit. Ja, der Bauch ist auffällig gerundet, aber das muss ja nichts heißen. Sie war ja schon immer gut dabei. Schließlich ist Rosa katholisch, sittsam und geht regelmäßig in die Kirche. In letzter Zeit allerdings nicht mehr, man soll ihr im Dorf ja nichts ansehen. Getratscht wird trotzdem auf Weltmeisterniveau, was Emil unbedingt unterbinden will, doch genau damit nimmt das Drama endgültig seinen verheerenden Lauf.

Na, ich vermute, es durfte nicht sein, dass beide Frauen gleichzeitig schwanger waren. Die Leute hätten sich das Maul zerrissen. Aber das haben sie doch sowieso gemacht.

Die Stimmung auf dem Hof, das tägliche Zusammenleben, die Geheimhaltung vor Agnes, all dies wird durchaus packend beschrieben. Sie muss doch etwas merken, möchte man meinen. Gleiches gilt gegenüber den Dorfbewohnern oder der Hebamme, die sich um Agnes kümmert. Sie sieht doch bei Rosa, was unübersehbar ist. Und reagiert … nicht. Nach rund 150 von 250 Seiten tritt dann die Polizei in Erscheinung und vorsichtig geht Oberwachtmeister Strecker den Dorftratsch nach. Ihm, der Flüchtling, der einst für die Reichspolizei in Schlesien arbeitete, begegnet man teils distanziert. Arzt- und Beichtgeheimnis kommen noch dazu. Letztlich werden Ursache und Ausmaß der Katastrophe sichtbar und nicht nur die Leser blicken in einen tiefen Abgrund. Ein eindringliches Leseerlebnis.

  • Autorin: Julia Heinecke
  • Titel: Heimliche Frucht
  • Verlag: Gmeiner
  • Umfang: 256 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: März 2024
  • ISBN: 978-3-8392-0598-3
  • Produktseite

Wertung: 12/15 dpt


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