James Kestrel – Bis in alle Endlichkeit (Buch)


Claire Gravesend ist tot. Klarer Fall. Oder nicht?

In dem heruntergekommenen Viertel Tenderloin in San Francisco hat sich Privatdetektiv Lee Crowe in einem ebensolchen Hotel einquartiert. Er ermittelt für Strafverteidiger Jim Gardner in einem spektakulären Fall, in dem der Chef eines internationalen Drogenkartells angeklagt ist. In einer sehr frühen Morgenstunde dreht Crowe seine übliche Runde um den Block und entdeckt dort einen Rolls Royce, der hier definitiv nicht hingehört. Ebenso wenig wie die hübsche Blondine, die offenbar von dem Dach des angrenzenden Gebäudes auf den Luxusschlitten gestürzt ist. Crowe darf sich der Polizei wegen seines aktuellen Jobs nicht zeigen, macht aber ein Foto, welches er gewinnträchtig bei einer Zeitung einreicht. Ein willkommener Nebenverdienst.

Unmittelbar nach Ende des Prozesses gegen den Drogenboss, schickt ihn Gardner zu einer neuen Mandantin. Olivia Gravesend, eine der reichsten und einflussreichsten Frauen des Landes, bittet Crowe, die Umstände des Todes ihrer geliebten Tochter Claire aufzuklären, denn die Polizei hat den Fall bereits als Selbstmord zu den Akten gelegt. So erfährt Crowe den Namen besagter Blondine und stürzt sich in die Ermittlung. Claire verschwand vor rund einem halben Jahr, da sie etwas Wichtiges zu erledigen habe. Eine erste Spur führt in Claires Haus in Boston, wo sie zuletzt lebte. Dort wird Crowe von einem Mann angegriffen, den er im Zweikampf lebensgefährlich verletzt. Zuvor fand er im Tresor den Schlüssel zu einem weiteren Haus, das wiederum in San Francisco steht. Am neuen Ziel angekommen, findet Crowe eine junge und äußerst lebendige Frau: Claire Gravesend.   

Packender Pageturner vom Autor von „Fünf Winter“

James Kestrel sorgte im letzten Jahr für Furore mit seinem spektakulären Thriller „Fünf Winter“, der renommierte Preise gewann. Edgar Award (2022), Barry Award (2022) und Deutscher Krimipreis (2023). Auch bei booknerds stand der Titel hinter „Wie sterben geht“ von Andreas Pflüger ganz oben auf der Empfehlungsliste 2023 im Genre Thriller. Nun also ein neues Werk, welches im Original unter dem Titel „Blood Relations“ bereits 2019 erschien.

In meine Wohnung wurde eingebrochen, mein Büro ist verwanzt. Ich bin mein Auto, mein Portemonnaie, meinen Computer und mein Handy los. Jemand hat versucht, mir den Schädel einzuschlagen, und mehrmals auf mich geschossen. Ich musste morgens um drei meine Ex-Frau anrufen und mir Geld von ihr leihen, um Kleidung ohne Blutflecken zu kaufen.“
„Okay. Das klingt, als kämen Sie voran.

„Bis in alle Endlichkeit“ ist ein Thriller im Stil eines klassischen Privateeye-Romans, in dem der ermittelnde Privatdetektiv zumeist als Ich-Erzähler in Erscheinung tritt. Krimifans kennen Raymond Chandler sowie dessen Kultfigur Philip Marlowe und wissen, was gemeint ist. Crowe entspricht diesem Typus ziemlich genau. Finanziell auf der letzten Rille, der Polizei gern aus dem Weg gehen, die Gesetze mitunter in die eigene Hand nehmen und keine Schlägerei oder gar Schießerei versäumen, dazu immer ein flotter Spruch auf den Lippen. Man mag den Roman als Noir oder Hardboiled einordnen, wobei man bezüglich des Verweises auf „Fünf Winter“ anmerken sollte, dass hier kein bekannter Marketingtrick angewendet wurde. Motto: Das letzte Buch war ein Riesenerfolg, also schnell mal schauen, was es noch an Altlasten gibt, die sich jetzt verkaufen lassen. Nein, „Bis in alle Endlichkeit“ ist ein fesselnder Thriller, ein großartiger Pageturner, der diese Art Werbung nicht nötig hat (hätte).

Worum es inhaltlich genau geht, soll an dieser Stelle nicht groß erörtert werden, aber der deutsche Titel und insbesondere der Originaltitel lassen es erahnen. Zudem ist Claire ja zu Tode gestürzt, ihre DNA lässt keinen Zweifel an ihrer Identität und dennoch begegnet ihr Crowe wenig später wieder. Jedoch handelt es sich tatsächlich um Madeleine Adair, die kurz vor Claires Tod diese erstmals getroffen hat. Beide wollten herausfinden, wie es sein kann, dass sie sich bis aufs Haar gleichen und was es mit den zahlreichen Narben auf ihren Rücken auf sich hat?

Man ahnt früh, wohin die Reise geht und dennoch hat sich Kestrel, übrigens ein Pseudonym von Jonathan Moore, einiges einfallen lassen. Neben zahlreicher Action gibt es interessante Einblicke in eine gleichermaßen faszinierende wie abstoßende Welt der Wissenschaft. Lee Crowe ist ein kauziger Ermittler mit den bereits genannten Eigenschaften. Trotzdem oder gerade deswegen, wünscht man ihm weitere Fälle. Ein dies nahelegender Cliffhanger beendet übrigens den Roman.

  • Autor: James Kestrel
  • Titel: Bis in alle Endlichkeit
  • Originaltitel: Blood Relations. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Stefan Lux
  • Verlag: Suhrkamp
  • Umfang: 430 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: September 2024
  • ISBN: 978-3-518-47435-8
  • Produktseite

Wertung: 12/15 dpt


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