Gustaf Skördeman – Geiger (Buch)


Die Vergangenheit für “Geiger” ruht nicht für immer

Malin und Lotta genießen mit ihren Männern eine Woche ungestörten Urlaub in Frankreich, während die Kinder bei Oma Agneta und Opa Stellan sind. Nun sitzen die Familien in ihren Autos zur Heimfahrt, Agneta winkt zum Abschied als ihr Telefon läutet. Der Anrufer stellt nur eine Frage: „Geiger?“ Daraufhin greift Agneta zur Pistole und tötet Stellan mit einem Genickschuss.

Kurze Zwischenfrage: Hört sich bescheuert an, oder? Ja, aber es geht ja noch weiter.

Sara Nowak arbeitet bei der Stockholmer Sittenpolizei, wo sie mit ihrem Partner die Aufgabe hat, Sexkäufer auf frischer Tat zu überführen, wenn diese mit Minderjährigen zu Gange sind. Anna Torhall, Kommissarin im Dezernat für Gewaltverbrechen, bittet Sara um Hilfe bei dem seltsamen Mordfall. Es gibt keine verwertbaren Spuren und Agneta ist spurlos verschwunden. Sara kennt die Familie seit ihrer Kindheit, spielte mit ihren damaligen Freundinnen Malin und Lotta. Daher ermittelt sie auf eigene Faust und stößt auf einen Internetartikel, wonach der heute 85-jährige Stellan, bis vor dreißig Jahren der Superstar des schwedischen Fernsehens, als IM für die Stasi gearbeitet haben soll. Für Sara unvorstellbar, doch sie nimmt Kontakt zu der Historikerin Eva Hedin auf, die von Stellans Tätigkeit nicht nur überzeugt ist. Sie kann diese sogar beweisen.

Währenddessen schlägt das Telefonat („Geiger?“) beim BND in Pullach große Wellen, denn wenn Geiger aktiviert wurde, bedeutet dies, dass auch Abu Rasil aktiviert wurde, dem in den 1970er Jahren zahlreiche Anschläge zur Last gelegt wurden. Schon vor vierzig Jahren jagte die BND-Mitarbeiterin Karla Breuer den Topterroristen, doch seit dreißig Jahren hat man nichts mehr von ihm gehört. Ist er wieder unterwegs, womöglich schon in Schweden oder ist er nur ein legendärer Mythos?

Mord in Stockholm und was war da mit der Stasi?

„Geiger“ von Gustaf Skördeman ist der Auftakt einer Thriller-Trilogie (es folgen „Faust“ und „Wagner“) der durchaus interessant ist. Stasi und BND gab es thematisch schon, wahlweise mit KGB und CIA, aber selten bis gar nicht zusammen mit der Säpo, dem schwedischen Geheimdienst. „Onkel Stellan“, so zeigt sich bald, war nicht nur der allgegenwärtige und ultimative TV-Liebling seiner Zeit, sondern hatte auch zahlreiche, hochkarätige Gäste bei sich zu Hause zu Gast. Minister, Wirtschaftsbosse und viele Stars und Sternchen der Filmbranche. Was niemand ahnte, Stellan war ein glühender Fanatiker des Sozialismus Marke DDR und sammelte Informationen für die Stasi. Wen er in Ostdeutschland an diese verriet stand vor dem gesellschaftlichen und finanziellen Aus, die Familie inbegriffen.

Warum rund dreißig Jahre nach Ende des Kalten Krieges, der mit dem Zerfall der Sowjetunion einherging, plötzlich wieder alte Kräfte mobilisiert werden, soll hier nicht verraten werden. Und klar ist bei einer Art Spionageroman auch, dass gar nichts klar ist. Wer, warum für wen im Einsatz ist oder eben nicht, ist atemberaubend. Zahlreiche Wendungen sorgen nicht nur bei Sara für Kopfschmerzen, dabei kommen die finalen Seiten ja erst noch. Da hilft es, langsam und aufmerksam zu lesen, denn Gustaf Skördeman treibt es arg auf die Spitze.

Wer sich für den Kalten Krieg interessiert, findet hier einen ebenso intensiven wie ungewohnten Ansatz, denn die politische Rolle Schwedens nach 1991 wurde im Thrillergenre bislang kaum in den Mittelpunkt gestellt. Temporeiche, genreübliche Kost mit historisch nachdenklich stimmenden Inhalt. Was hier Fiktion und was Faktenlage ist, möchte man vermutlich gar nicht wissen. Guter Serienstart!

  • Autor: Gustaf Skördeman
  • Titel: Geiger
  • Originaltitel: Geiger. Aus dem Schwedischen übersetzt von Thorsten Alms
  • Verlag: Lübbe
  • Umfang: 495 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: April 2022
  • ISBN: 978-3-404-18810-9
  • Produktseite

Wertung: 11/15 dpt


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