
Der deutsche Film ist schlecht. Peinlich, rückständig und chancenlos im internationalen Vergleich. Besonders gegenüber den Streifen aus Hollywood, die seit Jahrzehnten die Massen ins Kino locken.
Soweit der Tenor in YouTube-Kommentarspalten unter Videos, die, zum Zwecke des Rage-Bait, zum wiederholten Male bewusst deutsche Filme verreißen, für die man sich (subjektiv!) tatsächlich schämen könnte.
Da wird gerne der Vergleich zur Traumfabrik herangezogen und Gegenbeispiele zu besagtem mittelmäßigem Film präsentiert, gegen die im Schnitt der Großteil aller Filme schlecht abschneiden würde.
Dass der deutsche Film Wegbereiter für die Erfolge jener Traumfabrik war, die Geschichte des deutschen Films wesentlich tragischer und komplexer ist als die Drehbücher mancher (subjektiv!) zu Recht verrissener deutscher Filme und es, sowohl in der Vergangenheit als auch heutzutage, wirklich außergewöhnlich gute deutsche Filme gibt, die nicht selten eben nicht den Mainstream-Geschmack ansprechen, wird dabei gerne übersehen.
Ein Beispiel für großartigen deutschen Film ist der Regisseur Dominik Graf, der mit Filmen wie „Die Katze“ und dem Tatort „Frau Bu lacht“ zu den Perlen der deutschen Filmgeschichte beitrug.
In „Sein oder Spielen“ schreibt er nun von Filmgeschichte, widmet sich dem schmalen Grat zwischen den titelgebenden Komponenten und der Entstehung echter Meisterwerke, die ihren Ruhm ebenjener verdanken.
Er erzählt von internationalen Filmgrößen wie James Dean und Isabelle Adjani, aber auch besonders von deutschsprachigen wie Martina Gedeck und Götz George, die mit ihrem einprägsamen Schauspielstil ihren Filmen zu Legendenstatus verhalfen. Von Szenen, die Filmgeschichte schrieben; von der Macht, die das Schauspiel beinhaltet, aber auch von der Tragik, die diese Kunst mit sich bringt.
„Und wer bestimmt eigentlich den Weg von Schauspielern und Schauspielerinnen? Wenn sie zurückschauen – wieviel an ihrer Karriere hatten sie selbst in der Hand?“
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Kapitelweise widmet sich Graf den unterschiedlichen Aspekten der Schauspielerei, wie Mimik und Stimmlage, und liefert zahlreiche Beispiele, anhand derer er detailgetreu die bildgewaltige Wirkungs- und Deutungskraft analysiert.
In diesem Zusammenhang schildert und betrachtet der Regisseur und Buchautor das Wirken einzelner Schauspieler, wie beispielsweise das Mienenspiel der bereits erwähnten Martina Gedeck in einer ihrer ersten Rollen.
Aber auch die Arbeit hinter der Kamera erhält ausreichend Gelegenheit, Einblicke in ihre Wirksamkeit zu geben und dem Zuschauer bzw. Leser deutlich zu machen, wieviel von der filmischen Macht allein von ihr abhängt.
Besonders intensiv widmet Graf sich selbstverständlich der Frage nach „Sein oder Spielen“ und jener, ab wann der Schauspieler eine Rolle oder eine Rolle den Schauspieler einnimmt.
Spannend ist es auch, Einblicke in die Arbeit Dominik Grafs zu erhalten und den Menschen, der Sein und Spielen genauso in sich vereint.
„Sein oder Spielen“ bietet ein Stück Filmgeschichte, einen Rückblick auf vergangene Jahrzehnte, ja, gar ein ganzes Jahrhundert, und gibt insbesondere dem deutschen Film eine Möglichkeit, sich und seine Perlen von dem ewigen Spott zu lösen und sich stattdessen einmal von seiner stolzesten Seite zu präsentieren.
Autor: Dominik Graf
Titel: Sein oder Spielen
Verlag: C.H.Beck
Erschienen: 2025
Einband: Hardcover
Seiten: 391
ISBN: 978-3-406-82299-5
Sonstige Informationen:

Wertung: 13/15 dpt