Im Mai erschienen und im Herbst noch immer in aller Munde: Rebekka Endlers Sachbuch wird zurecht gefeiert. Der Untertitel „Wie patriarchale Mythen uns bis heute prägen“ ist Programm und die Autorin nimmt uns mit auf eine Reise durch die Geschichte, Mythologie und Popkultur: Immer spannend, informativ und mit Aha-Effekt.

Wer etwas verändern will, muss zuerst den Ist-Zustand verstehen. Wer das Patriarchat stürzen will, sollte Rebekka Endlers Buch lesen: Die Journalistin und Podcasterin zeigt uns darin, woher unsere Frauenbilder kommen und mit welchen Mythen dringend aufgeräumt werden muss. Sie würzt ihre profunde Recherche mit der richtigen Prise Sarkasmus und Unterhaltung, sodass ihr ein Sachbuch gelingt, das man einfach verschlingen muss. Kann man es als Autor*in schaffen, über ein Thema zu referieren, das facettenreich und komplex ist, ohne den roten Faden zu verlieren? Ist es möglich, mit Fachwissen um sich zu werfen, ohne Leser*innen zu langweilen? Rebekka Endler beweist mit „Witches, Bitches, It-Girls“, dass das geht.
Anhand von vielen Beispielen und Referenzen zur Popkultur bleibt das Sachbuch spannend: Wer erinnert sich noch an den Schlagabtausch zwischen Verona (ehemals) Feldbusch und Alice Schwarzer in der Talkshow von Johannes B. Kerner? Endler nimmt zum Beispiel dieses Gespräch noch einmal unter die Lupe und zeigt lebendig, wieso Alice Schwarzer hier im Vergleich nicht allzu gut abschnitt.
Viele Momente aus Fernsehen, Popkultur und Medienlandschaft, die Millenials besonders geprägt haben, werden noch einmal hervorgeholt und auseinandergenommen. Aber der Blick ganz weit zurück ist mindestens genauso spannend: Habt ihr gewusst, dass die Rollenzuweisung von Jägern und Sammlerinnen totaler Quatsch ist? Schon lange ist belegt, dass Frauen ebenfalls als Jägerinnen aktiv waren. Der Mythos wurde jedoch gepflegt und wurde immer wieder hervorgeholt, wo es diversen Männern eben in die Argumentation passte. Ebenso widerlegt: Der oft zitierte Alphawolf. Dass ein männliches Tier bei Wölfen ein Rudel anführt, geht auf die Beobachtung von Tieren in Gefangenschaft zurück und hat nichts damit zu tun, wie Wölfe sich im natürlichen Lebensraum organisieren. Dennoch hat sich der Begriff des „Alpha“ in vielen Kreisen verselbstständig und wird toxisch zelebriert – erstaunlich, oder?
Aktuelle Phänomene wie die gruselig-rückschrittige Tradwife-Bewegung aus Amerika, eine Cancel-Culture unter feministischem Deckmantel oder berühmte „Girl-Boss“-Reden, die für Schlagzeilen sorgten: Rebekka Endler holt alle ab, indem sie unterschiedliche Phänomene verständlich darstellt und pointiert argumentiert. Das Buch wirkt auf seinen fast 500 Seiten meist erzählend, obwohl sich Fakten an Fakten reihen: Im ausführlichen Anhang werden Aussagen belegt, Quellen genannt und es bieten sich Ansatzpunkte zum Vertiefen der einzelnen Aspekte.
Gedanklich spinnt das Buch ein Netz und ist manchmal fast assoziativ ohne sprunghaft zu wirken: Dank Endlers klarem und unterhaltsamen Schreibstil und der gelungenen Kapitel-Gliederung lässt sich der Argumentation sehr gut folgen, das Buch bleibt lebendig.
Rebekka Endler schafft es, mit ihren Ausführungen und der Vielfalt an angesprochenen Themengebieten für viele Aha-Momente zu sorgen, mit Vorurteilen aufzuräumen und den eigenen Horizont zu erweitern. Männer sollten dieses Buch lesen, um sich für die weibliche Perspektive zu sensibilisieren. Frauen sollten dieses Buch lesen, um ihr Selbstbild zu hinterfragen und um eine ordentliche Portion Empowerment zu tanken. „Witches, Bitches, It-Girls“ vermittelt Frauen das Gefühl: Du bist damit nicht allein. Oder um es mit Den Ärzten zu sagen: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist.“ Das Buch hilft dabei zu verstehen, welche Entwicklungen hinter uns liegen und welche Wege noch gegangen werden müssen. Eine absolute Leseempfehlung für alle!
- Autorin: Rebekka Endler
- Titel: Witches, Bitches, It-Girls
- Verlag: Rowohlt
- Erschienen: 13. Mai 2025
- Einband: Hardcover
- Seiten: 464
- ISBN: 978-3-498-00740-9
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Wertung: 15/15 dpt







