Eva-Maria Silber, Kirsten Wilczek – Der Blutmensch zu Köln (Buch)

Neun Tote und ein zu schnell gelöster Fall

Mathilde von Tabouillot arbeitet als Redakteurin für die Kölnische Zeitung, die stolze zehntausend Abonnenten verzeichnet. Bisher erschienen ihre Beiträge allerdings unter dem Namen des Hauptschriftleiters. Als sie gerade zu Bett gehen möchte, bemerkt sie in der Nacht vom 24. auf den 25. August 1847 ein Feuer auf dem nahegelegenen Schöttelshof der Familie Selm. Als die verheerende Bilanz klar wird, sind neun tote Menschen zu beklagen, wobei der Stadtphysikus noch vor Ort feststellen kann, dass nicht alle durch das Feuer zu Tode kamen. Nach der Leichenschau steht fest, dass mindestens sechs der Opfer zuvor brutal erschlagen wurden, bei den anderen drei kann man es aufgrund der Verbrennungen nicht mehr mit Sicherheit feststellen.

„Man glaubt, es könnte ein Raub gewesen sein.“

„Raub? Und neun Opfer?“

Am Tatort trifft Mathilde auf die völlig verstörte Ida Irmisch, ein sechzehnjähriges Zimmermädchen, welches von Vater Selm am Tag vor dem Brand entlassen wurde, da sie angeblich gestohlen habe. Sie war noch vor Ort, da sie auf ihren Verlobten Heinrich wartete, der sie abholen wollte und von dem nun jede Spur fehlt. Wenig später wird Ida verhaftet, da man glaubt, sie habe zusammen mit ihrem Verlobten die Tat begangen; Letzterer befindet sich wohl mit der Beute auf der Flucht. Mathilde ist entsetzt, denn die hübsche wie zierliche Ida hält sie für gänzlich unschuldig und bittet den bekannten Strafverteidiger Cornelius Venedey, den Fall zu übernehmen. Im Gegenzug würde sie in ihren Artikeln, ja, sie wird dort jetzt mit ihrem Namen gelistet, den Advokaten besonders hervorheben.

Venedey übernimmt den Fall mit seinem Referendar Bas Sello, wobei sich Bas zu der resolut auftretenden Mathilde hingezogen fühlt. Auch sein Nachbar, der Sergeant Hans „Schäng“ Baudewin, der zum Tatort gerufen wurde, will helfen, denn an eine Schuld Idas glaubt er ebenfalls nicht. Es kommt zum Prozess, bei dem Venedey auf seinen Erzfeind Christoph Grandjean trifft, der zwar nicht der Schlaueste, dafür aber besonders hinterlistig ist.

Köln in der Mitte des 19. Jahrhunderts

„Der Blutmensch zu Köln“, geschrieben von den Rechtsanwältinnen Eva-Maria Silber und Kirsten Wilczek, spielt in Köln zur Mitte des 19. Jahrhunderts, genauer in den Jahren 1847 und 1848. Dort herrscht politisches Chaos, denn nach der Niederlage Napoleons gehört Köln zwar zu Preußen, aber aufgrund der kölschen Eigensinnigkeit herrscht weiterhin das französische Recht, was sowohl die Gesetze als auch das Prozesswesen betrifft.

„Schäng hielt das Aussetzen einer Belohnung für Kokolores. Die Polizei hatte keinen guten Ruf, weil sie sich überwiegend aus abgedankten Armeesergeanten zusammensetzte. Und die setzten sich aus ihrem militärischen Drill und dem herausexerzierten Grips zusammen.“

Im ersten Block werden das Verbrechen sowie die vier Protagonisten (Mathilde, Venedey, Bas und Schäng) vorgestellt, für deren Figuren – mit Ausnahme von Schäng – es jeweils reale Vorbilder gibt, die allerdings zu unterschiedlichen Zeiten lebten. Für den titelgebenden „Blutmenschen“ gibt es ebenfalls ein Vorbild, welches aber auf einem Fall basiert, der sich 1866 in Holstein ereignete (Timm Thode). Es wurde also einiges zusammengewürfelt und passend gemacht, doch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es entwickelt sich ein Kriminalfall, der aufgrund schneller Vorurteile zu einem verheerenden Fehlurteil zu führen droht. Grandjean hat nichts, außer der Gier der Zuschauer nach einem Spektakel. Und ja, Ida befand sich zu jenem Zeitpunkt als das Feuer ausbrach im Haus und hätte durchaus zuvor ihrem Verlobten die Haustür öffnen können. Allein, es steht nicht einmal fest, ob Heinrich überhaupt vor Ort war. Johann Selm, der einzige Überlebende der Familie, gibt jedoch an, diesen am Tatabend gesehen zu haben, dabei hat der jetzige Alleinerbe selbst ein offensichtliches Motiv.

Der Prozess im Mittelteil des Romans wird detailliert und spannend erzählt, wobei „fasziniert“, wie Grandjean sich seine Wahrheit zurechtbiegt. Ein kleiner Spoiler darf sein, denn es kommt zu einem Urteil der Geschworenen, bei denen das „in dubio pro reo“ keine Beachtung findet. Helfen kann jetzt nur noch der König von Preußen Friedrich Wilhelm IV., weswegen Venedey nach Berlin eilt. Die Eisenbahn wurde bereits erfunden, jedoch hat die Technik ihre Tücken.

Insgesamt ist „Der Blutmensch zu Köln“ ein vielschichtiger Roman, der gut in die damalige Zeit einführt und Köln als bildgewaltige Kulisse aufbietet. Die Auflösung wird der ein oder andere Leser recht früh erahnen, was aber dem Leseerlebnis keinen Abbruch verleiht. Für Fans von historischen sowie juristisch-geprägten Krimis eine Empfehlung. Weitere Fälle sind laut Nachwort geplant.

  • Autorinnen: Eva-Maria Silber, Kirsten Wilczek
  • Titel: Der Blutmensch zu Köln
  • Verlag: Piper
  • Umfang: 348 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: November 2025
  • ISBN: 978-3-492-50904-6
  • Produktseite

Wertung: 11/15 dpt

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