Berlin Noir zum Vierten

Koba, Levan und Toma kamen vor drei Wochen aus Tiflis nach Berlin, wo sie nun an die neunzig Häuser in den Außenbezirken der Stadt abarbeiten sollen. Ein bis drei Brüche am Tag, die ausgiebig vorbereitet wurden. Überraschungen gibt es daher selten bis zu jenem Bruch, bei dem Koba in eine Fensterscherbe packt und sich den Arm aufreißt.
Koba will aussteigen, doch Tomas Onkel, der örtliche Chef der Bande, hat andere Pläne. Nachdem Levan und Toma verhaftet wurden, soll Koba eine neue Gruppe anführen.
„In Georgien, in der Ukraine, in Polen sah man ständig Polizisten, an jeder Straßenecke hockten sie in ihren Autos, winkten einen raus und hielten die Hand auf. In Deutschland sah man sie nicht, und wenn man sie sah, war es zu spät.“
Romina Winter hat sich vor einiger Zeit in den Kriminaldauerdienst von Lichterfelde versetzen lassen, um hier eine ruhige Kugel zu schieben. Als in das Haus des Rechtsanwaltes Rückert, der zugleich ein großer Kunstmäzen ist, eingebrochen wird, fordert er die Einrichtung einer Sonderkommission. Rominas Partner Frank-Walter Meier, kurz Steinmeier genannt, schlägt die junge Romni für die Kommission vor. Allerdings hat Romina inzwischen ein ganz anderes Problem, denn ihre jüngere Schwester Sanda ist verschwunden. Romina findet sie wenig später schwer verletzt an einem Bahndamm in Treptow und will den Täter stellen.
„Du fragst und fragst“, sagte die Großmutter zu Romina. „Was willst du denn wissen? Haarfarbe, Kleider, Schuhe. Willst du Polizei spielen? Wir brauchen hier keine Polizei.“
Jacques Lippold wiederum hat zwei Jahre gesessen. Jetzt ist er frei und will von vorne anfangen, was für ihn heißt, ganz oben einzusteigen. Wegen Finanzbetruges wurde er verurteilt, nun will er als freier Kunstberater sein Geld machen. Bei einer Auktion lernt er die reiche Rechtsanwältin Beate kennen, die ihm den Weg in die Berliner Kunstwelt öffnen kann. Dabei soll ihr vor allem Rückert helfen.
Deutscher Krimipreis in Serie
Johannes Groschupf ist jedem Krimifan bekannt, denn mit seinen Berlin-Thrillern „Berlin Prepper“, „Berlin Heat“ und „Die Stunde der Hyänen“ gewann er – neben weiteren Auszeichnungen – den Deutschen Krimipreis 2019, 2021 und 2022. „Skin City“, sein aktueller Thriller, hat es bereits auf Platz 1 der Krimibestenliste geschafft. Wie schon in „Die Stunde der Hyänen“ spielt Romina Winter die Hauptrolle auf Seiten der Ermittler.
Hartgeld war den Jungs zu schwer, das kannte Romina schon. In Kreuzberg und Neukölln sammelten die Rentner Pfandflaschen, acht Cent für eine leere Flasche Bier, und hier draußen waren sich die Herren Einbrecher zu fein für Münzen, weil sie nicht in ihre Brusttasche passten.
Der temporeiche Plot führt quer durch Berlin. Es beginnt in den Außenbezirken wie Dahlem und Lichterfelde, wo das georgische Einbrechertrio eine „Muschi“ nach der anderen öffnet. Geld ist dort reichlich vorhanden, für Sicherheitsvorkehrungen wurde es offenbar nicht ausgegeben. Parallel folgen wir dem Aufschneider Jacques, der sich in die Welt der Schönen und Reichen einarbeitet, deren Vertrauen gewinnt und viel Geld mit vermeintlich wertvollen Kunstwerken zu machen scheint. Allerdings hat er aus seiner Gefängniszeit noch eine Rechnung zu begleichen, so dass sich – wenig überraschend – die Wege von Romina, Koba und Jacques auf wundersame Weise kreuzen werden.
Johann Groschupf erweckt Berlin zum Leben, wenngleich von seiner düsteren, schmutzigen Seite. Wie schon im Vorgänger geht es in die Harzer Straße, wo sich vor siebzehn Jahren rund fünfhundert Roma aus einem kleinen Dorf bei Bukarest niederließen. So kam die damals zehnjährige Romina nach Deutschland, wo sie zur ersten Romni mit Abschluss an der Berliner Polizeiakademie wurde. Ihre Herkunft hat sie dabei nie vergessen, wie Steinmeier öfters bemerkt, wenn mal wieder seine Geldbörse verschwindet. Groschupf erzählt mit hohem Tempo und viel Gefühl für die Stadt, in der sich die Protagonisten zu verlieren scheinen. Jeder für sich gerät auf Abwege, da will Romina keine Ausnahme machen.
Sehr unterhaltsam, da völlig von der realen Welt abgehoben, sind die Einblicke in die Kunst- respektive Sammlerszene. Bei Schampus und Kaviar lässt man es sich gut gehen und diskutiert ausufernd über Künstler, die außerhalb der Szene kaum bis gar nicht bekannt sind. So ist es konsequent, dass ein erstes direktes Aufeinandertreffen zwischen Romina und Jaqcues ausgerechnet im Hotel Adlon stattfindet. Wie schon in „Die Stunde der Hyänen“ kommt es zu einem Showdown über den diskutiert werden darf, insbesondere was Rominas Verhalten betrifft. Es bleibt abzuwarten, ob „Skin City“ wirklich der letzte Teil der Berlin-Noir-Reihe des Autors ist und dieser, wie alle (!) Vorgänger den Deutschen Krimipreis gewinnen wird.
- Autor: Johannes Groschupf
- Titel: Skin City
- Verlag: Suhrkamp
- Umfang: 231 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Februar 2025
- ISBN: 978-3-518-47449-5
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Wertung: 12/15 dpt