Julia Heinecke – Kurz vor Kassenschluss (Buch)

Bankraub mit Todesfolge

Am 25. November 1968 überfällt Kuno Mattusch die Sparkasse in Badenweiler, die wegen Bauarbeiten provisorisch im Restaurant des Parkhotels untergebracht ist. Es läuft jedoch nicht rund und so sieht sich Mattusch gezwungen, den Filialeiter Erich Schmid als Geisel zu nehmen. Zunächst gelingt die Flucht, doch bei Rastatt werden sie auf der Autobahn von der Polizei gestellt. Es kommt zu einem Schusswechsel bei dem Schmid stirbt, während Mattusch zunächst fliehen kann.

Der Banküberfall jährt sich in Kürze zum fünfundzwanzigsten Mal und die Badische Allgemeine Nachrichten will darüber ausführlich berichten. Da die Redakteurin aufgrund eines Unfalls im Krankenhaus liegt, soll die neunundzwanzigjährige Volontärin Valerie Neumann einspringen. Ihre erste große Story winkt, aber zunächst muss sie ins Freiburger Gefängnis, wo sie mit Mattusch reden soll. Dieser gibt unumwunden zu, dass sich der Banküberfall wie bekannt zugetragen hat und er schuldig sei. Allerdings bestreitet er vehement, dass er den Filialleiter ermordete. Dafür sei die Polizei verantwortlich, die mit Maschinenpistolen geschossen hat.

Am Abend will Valerie ihren Freund Steffen erstmals ihren Eltern vorstellen. Zunächst beginnt das Beisammensein einigermaßen harmonisch, doch als Valerie von ihrer Arbeit und dem anstehenden Artikel erzählt, eskaliert die Situation völlig unerwartet. Ihre Eltern Ursula und Jürgen bestehen darauf, dass sie die alte Sache ruhen lässt, nicht weiter recherchiert und auf gar keinen Fall berichtet. Es kommt zum Streit und Ursula wirft die beiden kurzerhand raus. Valerie versteht die Welt nicht mehr, aber natürlich wird durch das irrationale Verhalten ihre Neugier geweckt. Kurz darauf hat sie eine erste Vorahnung, warum ihre Eltern so empfindlich reagierten, denn Erich Schmid war Ursulas geliebter Bruder.

Ein Stück deutscher Kriminalgeschichte

Am 30. Dezember 1968 ereignete sich in Badenweiler der erste Banküberfall mit Geiselnahme in Deutschland und bildet die Grundlage für den vorliegenden Roman. Julia Heinecke („Heimliche Frucht“) schildert den eigentlichen Überfall anhand der zugänglichen Fakten, darüber hinaus hat sie einiges angepasst, um einen noch spannenderen Plot über den eigentlichen Überfall hinausgehend zu kreieren. Die Namen der beteiligten Personen wurden geändert, Biografien der beiden Hauptfiguren des Überfalls gekürzt oder – wie es so schön heißt – „aus dramaturgischen Gründen“ stark überarbeitet. Das Ergebnis überzeugt, zumal ja die Ausgangslage schon etwas ungewöhnlich ist. Ein Banküberfall, wenngleich mit Todesfolge, was soll da besonders ergreifend sein, zumal wenn der unstrittige Täter seit einem Vierteljahrhundert einsitzt?

Die Spannung, die den Plot konstant hochhält, resultiert aus zwei Fragen: Hat Kuno Mattusch den Filialleiter erschossen und vor allem, warum wollen Valeries Eltern mit allen Mitteln verhindern, dass sich ihre Tochter mit dem Fall beschäftigt? Valerie wuchs behütet auf, erinnert sich, dass ihre Mutter seit jenem Ereignis, an das sie selbst, damals keine fünf Jahre alt, keine Erinnerungen mehr hat, nie mehr richtig glücklich war. Ihre Mutter war ihr gegenüber übervorsorglich, um nicht zu sagen ängstlich, weswegen Valerie bis heute nur begrenzt über Selbstvertrauen verfügt. Ihr Freund sowie der Chefredakteur bestärken sie jedoch in ihrer Arbeit und so gibt es neben den Besuchen im Gefängnis mehrere Gespräche mit Zeitzeugen von damals. Nach und nach entsteht ein Gesamtbild, welches Valeries Leben in einem völlig neuen Gesicht erscheinen lässt. Ein altes Familiengeheimnis tritt zu Tage und dies zu ergründen, sorgt für einige Stunden anregender Lektüre. Dass Valerie gefühlt auf jeder fünften Seite in Tränen ausbricht, erscheint allerdings ähnlich übertrieben wie die Reaktion der Eltern zu Beginn des Romans und ist auf Dauer etwas anstrengend. Wer sich für True Crime oder die Kategorie „Familiengeheimnisse“ interessiert, kann zugreifen.

  • Autorin: Julia Heinecke
  • Titel: Kurz vor Kassenschluss
  • Verlag: Gmeiner
  • Umfang: 272 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: August 2025
  • ISBN: 978-3-8392-0882-3
  • Produktseite

Wertung: 11/15 dpt

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