Es würde fast einer Beleidigung gleichkommen, den Künstler und Regisseur Tim Burton noch ernsthaft vorzustellen, weswegen wir erst gar nicht großartig darauf eingehen wollen, was der Meister der skurrilen Figuren und Bilder alles aus dem Boden gestampft hat. Die ursprüngliche, ebenfalls von Burton erschaffene Version der Frankenstein-Hommage “Frankenweenie” ist ein etwa halbstündiger Schwarz-Weiß-Kurzfilm aus dem Jahre 1984, gedreht mit realen Personen, und nach fast dreißig Jahren entschied sich der Kalifornier für eine Neuverfilmung in Form eines Kinofilms.
Unverändert ist die Grundthematik des Films geblieben, ebenso wurde auch diese Neuauflage in Schwarz-Weiß gedreht. Die grundlegenden Unterschiede bestehen allerdings darin, dass “Frankenweenie” anno 2012 mit vierundachtzig Minuten deutlich länger ist und Burton erfrischenderweise wieder komplett zu seinen Wurzeln zurückkehrt, denn der Film wurde mit jener Stop-Motion-Technik produziert, mit der auch seine Ausnahmewerke “Nightmare Before Christmas” (1993) und “Corpse Bride” (2005) entstanden waren. Wenngleich es hinsichtlich Computeranimationen selbstverständlich grandiose Produktionen zu bewundern gibt, ist Stop-Motion doch ein schöner, erfrischender Kontrast zu den irgendwie viel zu inflationär verwendeten Grafiktablett- und Mausklick-Arbeiten.
Protagonist der Story ist der Schüler Victor Frankenstein, praktisch ein grusel- und horrorbegeisterter Mini-Burton, der seine Freizeit damit verbringt, ebensolche Filmchen zu drehen, die er nur zu gerne seiner Familie vorführt. In der Schule hängt er, ganz im Gegensatz zu seinen Klassenkameraden – begeistert an den Lippen des eigenwilligen, exzentrischen Naturwissenschaftslehrers Rzykruski. Der schockiert seine Schüler in fast jeder Stunde mit teils heftigen Experimenten, und in jener aktuellen Stunde demonstriert Rzykruski anhand toter Frösche, wie die Muskeln durch Elektroimpulse stimuliert, ja gar bewegt werden können.
Sein bester Freund ist sein treuer Hund Sparky, doch Victor verliert ihn auf tragische Weise: Der quirlige, ulkige Hund wird während Victors Baseballspiel von einem Auto überfahren und stirbt noch am Unfallort. Der Junge ist zu Tode betrübt, und seine Eltern können ihn selbst mit dem Vorschlag, einen neuen Hund heranzuschaffen, nicht aufmuntern, denn das wäre ja nur ein neuer Hund und kein Sparky.
Da kommt ihm dank seines schrägen Lehrers der geniale Geistesblitz: Er holt Sparky aus dem Grab, baut eine Konstruktion, die mithilfe eines Gewitterblitzes die Elektrizität bündelt und versucht seinen Hund wiederzubeleben. Kaum zu glauben: Es funktioniert! Wenngleich der Vierbeiner ein wenig lädiert aussieht, etwas undicht ist und gelegentlich mal ein Körperteil verliert, weilt Sparky – natürlich streng geheim auf dem Dachboden – wieder unter den Menschen. Dumm nur, dass sein nervtötender, aufdringlicher und geistig nicht allzu gut ausgestatteter Sitznachbar Edgar Gore seinem vermeintlichen Schulfreund auf die Schliche kommt und zunehmend neugieriger wird. Victor bleibt gar nichts anderes übrig als Edgar einzuweihen und ihn um strenge Geheimhaltung zu bitten. So starten die beiden ein weiteres Experiment, welches erneut gelingt. Das Problem dabei: Edgar ist viel zu tollpatschig und mitteilungsbedürftig, und so bekommen weitere Schüler Wind von der Sache – die Folgen sind fatal, und erwartungsgemäß bricht das totale Chaos aus. Nun liegt es am Junior-Genie Victor, die Angelegenheit wieder geradezurücken…
Burton läuft mit “Frankenweenie” wieder zu ungeahnter Höchstform auf und präsentiert dem Zuschauer zusammen mit Produzentin Allison Abbate, Kameramann Peter Sorg und Komponist Danny Elfman ein Feuerwerk der Bizarrerie, der Skurrilität, des Kranken und Grotesken, und zwar in seiner überspitztesten und schrägsten Form, köstlich makaber und schrill. Trotz all der urkomischen Slapstick- und Trash-Einlagen wohnt diesem Film allerdings ein hohes Maß an emotionaler Tiefe inne, und auch eine den Comedy-Faktor kontrastierende beklemmende Gruselatmosphäre sorgt für Ausgewogenheit, sodass der Streifen nicht zur blanken, effekthaschenden Unterhaltungsgranate mit Sickness-Faktor verkommt, sondern auch die empathischen Rezeptoren, die Spiegelneuronen des Zuschauers, anregen.
Faszinierend ist bei alledem, wie liebevoll jede einzelne Figur und jedes noch so kleine Detail der gesamten Kulisse entworfen und ins Gesamtbild miteinbezogen wurden und wie selbstverständlich diese irrsinnig aufwändige Produktionstechnik mit der schlüssigen Storyline, der Dramaturgie und den treffsicheren Pointen vereint wurde.
Wenngleich der Film mit FSK 12 auf den Markt kommt, sei den Eltern unter den Lesern allerdings gesagt, dass man bei zartbesaiteterem Nachwuchs gut und gerne noch einmal zwei bis drei Jahre drauf legen kann, denn manche Bilder sind durchaus ganz schön “creepy” – allerdings: Wir haben durch “Tom & Jerry” und Co., wo die Figuren durchaus mal in Scheiben geschnitten oder mit einer Stange Dynamit gefüttert wurden, ja auch keine bleibenden Schäden davongetragen…
(Cover und Packshots © 2013 Disney)
- Titel: Frankenweenie
- Originaltitel: Frankenweenie
- Produktionsland und -jahr: USA, 2012
- Erschienen: 29.05.2013
- Genres:
Stop-Motion
Comedy
Horror
Trash
Grusel
Science-Fiction - Label: Disney
- Regie: Tim Burton
- Drehbuch:
John August
(nach Leonard Ripps und Tim Burton) - Produktion: Allison Abbate, Tim Burton
- Musik: Danny Elfman
- Kamera: Peter Sorg
- Schnitt: Chris Lebenzon, Mark Solomon
- Synchronstimmen (Deutsch):
Melanie Manstein
Farina Brock
Niklas Münnighoff
Jakob Riedl
Benedikt Gutjan
Erich Ludwig
Laura Maire
Leonard Rosemann
Alexander Duda - Spielzeit:
ca. 84 Minuten (DVD),
ca. 87 Minuten (Blu-Ray, 3D-Blu-Ray) - Extras:
Frankenweenie Ausstellung
Plain White ‘T’s Musikvideo: “Pet Sematary”
Originalkurzfilm “Captain Sparky
vs. Fliegende Untertassen”*
Stop-Motion-Miniaturen: Frankenweenie wird lebendig*
Original-Live-Action-Kurzfilm: Frankenweenie*
(*nicht auf DVD) - Technische Informationen DVD:
Video: 1,85:1/16:9
Sprache/Audio: D, GB, IT (DD 5.1)
Untertitel: D, GB*, IT, TR, DK, NO
(* auch für Hörgeschädigte) - Technische Informationen Blu-Ray:
Video: 1,85:1/16:9
Sprache/Audio: D (DTS-HD 5.1), GB (DTS-HD 7.1)
Untertitel: D, GB*, TR
(* auch für Hörgeschädigte) - Technische Informationen Blu-Ray 3D + 2D:
Video: 1,85:1/16:9
Sprache/Audio: D (DTS-ES 5.1), GB (DTS-HD 7.1)
Untertitel: D, GB*, TR, DK, FI, NO, S
(* auch für Hörgeschädigte) - FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Erwerbsmöglichkeiten
Webseite zum Film @ Disney
Wertung: 13/15 dpt