Peter Yates’ 2000er Verfilmung des Romanklassikers des Spaniers Miguel de Cervantes dürfte wohl als eine der originalgetreusten Literaturverfilmungen aller Zeiten gelten, zumal nicht nur einzelne Fragmente aufgegriffen werden, sondern die gesamte Geschichte, und obendrein sowohl die komischen als auch die tragischen Momente sehr gut zur Geltung kommen. Nun großartig auf den Inhalt der Geschichte einzugehen wäre ungefähr so, als würde man jemandem erklären, dass sich in einem Glas mit eingelegten Gurken eingelegte Gurken befinden.
Dennoch: Alonso Quijada, ein betagterer landadeliger Mann, der irgendwo in der spanischen Mancha lebt, ist ein passionierter Leser, dessen Leidenschaft Ritterromanen gilt. Ein jedes Buch, das er zwischen die Finger bekommen konnte, hat er schon verinnerlicht, und Quijada ist schlichtweg begeistert von der Güte und Tapferkeit der literarischen Heroen in deren Kampf gegen das Unrecht. Längst ist er in eine Traumwelt transzendiert, in welcher er selbst, der sich fortan Don Quixote de la Mancha nennt, mit Ritterrüstung, Pferd Rosinante und seiner Lanze auf den Weg macht, um es seinen Helden gleich zu tun – und das Herz der Dame zu erobern, welche er einstmals als Bauernmädchen zu Gesicht bekam, und dann nie wieder. Dulcinea. Doch wenngleich er erfolglos in seine Schlacht zieht, lässt er sich nicht entmutigen und nimmt seinen Bauersnachbarn Sancho Panza samt Reitesel mit auf seine Kreuzzüge gegen die eingebildeten Feinde und Schurken. Panza ist sich der Wahnvorstellungen seines Weggefährten bewusst und macht ihn immer wieder darauf aufmerksam, dass er nicht die Realität erlebe, weicht ihm, der glaubt, die “Realität” beruhe auf dem Zauber ihm feindlich Gesinnter, dennoch nicht von der Seite.
Absolut liebevoll werden Teil eins und zwei der Romanvorlage des Klassikers des 17. Jahrhunderts sehr detailreich und mit deutlich über zwei Stunden Spielzeit auch ausführlich visualisiert, und hierbei hat man mit den beiden Hauptdarstellern John Lithgow (als Quijada/Quichotte) und Bob Hoskins (als Sancho Panza), aber auch mit den weiteren Darstellern mehrfach ins Schwarze getroffen (was man von Quichottes Kampf gegen die ihm als böswillige Kreaturen erscheinenden Windmühlen ja nun nicht gerade behaupten kann..) – teilweise besitzt das Ganze einen herzlichen und fürwahr niedlichen Charakter, doch so sehr man teilweise auch schmunzeln muss, so deutlich schimmern auch die traurigen Elemente hindurch.
Auf Modernismen wurde größtenteils verzichtet, lediglich bei der ein oder anderen phantastischen Vision des eingebildeten Ritters wurden die technischen Möglichkeiten anno 2000 so gut es ging eingesetzt, doch niemals geschieht das in effekthaschenden Dimensionen, sondern eben so, wie man sich solcherlei Dinge eventuell vorstellen und vor dem inneren Auge ausmalen könnte.
Immer wieder ist man als Zuschauer hin- und hergerissen: Bemitleidet man den alten Mann nun, weil er sich völlig in seine Phantasien verrannt hat, ein irrer, verwirrter Greis, der sich für Dinge, die nur in seinem Kopf passieren, in Lebensgefahr gibt? Oder teilt man Sympathien mit ihm, weil er das tut, wozu viele nicht mehr in der Lage zu sein scheinen? Nicht in der Lage, zu träumen, sich seinen Visionen hinzugeben und diese Träume zu leben? Beflügelt uns die Kunst oder verpestet sie unsere Gedanken? Lässt sie uns die Realität vergessen und löscht sie aus? Oder befreit sie uns von dem alltäglichen Einerlei?
Ist es ein Unding, heute eine Art Don Quichotte zu sein, sich gegen die Missstände des Systems aufzulehnen und zu versuchen, ein Stückweit nach seinen Visionen etwas zum Positiven und Gerechten zu bewegen? Ist man deswegen ein Spinner? Jemand, der Flausen im Kopf hat und verklärt von seinem eigenen Wahnsinn ist? Oder ist es manchmal vielleicht nicht etwa doch etwas Positives, für das Gute zu kämpfen und zu versuchen, anhand der aufgesaugten beflügelnden Gedanken selbst Dinge anzupacken?
Sicherlich ist vorliegende Geschichte ein Extremfall und eine enorm überzeichnete Version dessen, aber letztendlich kann man sie als eine Art Metapher, eine Art Sinnbild für den guten Traum, für den Glauben an bessere Zustände interpretieren. Denn sie ist so viel mehr als nur eine Erzählung, nein, sie birgt auch unfassbar viel Philosophisches in sich, so viel, das Horizonte erweitern kann. Und wenn all das auch noch in solch tollen Bildern eingefangen ist, so kann man durchaus behaupten, dass es sich bei diesem Film bis dato um eine der besten Literaturverfilmungen des neuen Jahrtausends handelt.
Cover & Szenenfotos © Koch Media
- Titel: Don Quichotte
- Originaltitel: Don Quixote
- Produktionsland und -jahr: USA, 2000
- Genre:
Literaturverfilmung
Komödie
Drama
- Erschienen: 06.09.2013
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
138 Minuten auf 1 DVD - Darsteller:
John Lithgow
Bob Hoskins
Isabella Rossellini
Vanessa L. Williams
Lambert Wilson
Tony Haygarth
Peter Eyre
Lilo Baur
James Purefoy
Trevor Peacock
- Regie: Peter Yates
- Technische Details (DVD)
Sprachen: z.B. D, GB, IT, S
Untertitel: z.B. D, F, E, RU
Video: Bildverhältnis, z.B. 16:9, 1,85:1 - FSK: 6
- Sonstige Informationen:
Produktseite zum Film
Wertung: 13/15 dpt
Klasse Besetzung, aber was ist aus der Verfilmung von Terry Gilliam geworden?