Die beiden im indischen Bundesstaat Gujarat ansässigen Familienclans von Ram (Ranveer Singh) und Leela (Deepika Padukone) sind bereits seit Hunderten von Jahren verfeindet – anstatt einander Zugeständnisse zu erlauben und auf friedliche Koexistenz hinzuarbeiten, wird der Graben zwischen den Familien immer tiefer und breiter aufgerissen, die Feindschaft wird immer verbitterter, obwohl kaum noch eine Steigerung des Hasses aufeinander und der Missgunst füreinander möglich erscheint. Drogen, Gewalt und Waffen bestimmen den erbitterten Kampf, der bis aufs Blut ausgeführt wird. In dieser niemals enden wollenden Fehde darf es selbstverständlich auch niemals passieren, dass ein Mitglied des einen Clans ein Mitglied des anderen Clans liebt. Niemals darf die Ehre und der Stolz des eigenen Clans von einem oder einer Fremden besudelt oder in Frage gestellt werden.
Ram, selbstbewusster und unbestreitbar selbstherrlicher Adonis und Vollzeitmacho mit unzähligen Frauengeschichten, ist sofort Feuer und Flamme, als er zum ersten Mal die bildschöne Leela sieht. Die lässt sich allerdings nicht so schnell beeindrucken, reagiert bewusst sparsam auf seine Signale und bremst den testosteronschwangeren Schönling immer wieder aus – dank ihres Selbstbewusstseins, mit dem sie auch ihre Familie nicht selten vor den Kopf stößt. Doch irgendwann packt es die beiden, und sie werden ein bilderbuchgleiches, leidenschaftliches Liebespaar – unter Ausschluss der Öffentlichkeit, heimlich im Verborgenen.
Unverhofft werden sowohl Ram als auch Leela Oberhäupter ihres jeweiligen Clans, was unweigerlich zu noch mehr Konflikten führt. Doch wann auch immer sich ihnen Gelegenheit bietet, ihre Liebe zueinander auszuleben, nutzen sie diese und geraten somit des Öfteren in Gefahr – wie können Leela und Ram in ihrer unglücklichen Situation inmitten des Hasses und der Liebe bestehen?
Was sich bereits unweigerlich wie die Bollywood-Adaption von William Shakespeares “Romeo und Julia” liest, erweist sich auch als solche – und Regisseur Sanjay Leela Bhansali macht auch kein Geheimnis daraus, dass er seine Inspiration zu “Ram & Leela” aus dem Klassikerwerk des britischen Dramatikers gezogen hat – mit den bollywood-typischen Elementen: Viel Tanz, viel Musik, irrsinnige Choreographien, Farbe im Überfluss und viel Pathos. Und auch hinsichtlich der Genres werden zuweilen gewagte Mixturen auf den Zuschauer losgelassen. Hier etwas Kampf und Ballerei, dort Liebe und Zärtlichkeit, dann etwas Chaos und Komödie, dann wieder Drama und Intrigen.
In rund zweieinhalb Stunden wird fast das komplette künstlerische Repertoire der indischen Filmkunst aufgefahren, und die Bilder, die geliefert werden, sind fürwahr imposant, doch die inflationär eingesetzten Waffen dürften nicht jedermanns Sache sein, ebenso ist die Lovestory der beiden Protagonisten selbst für Bollywood-Verhältnisse derart kitschig und over the top, dass man gelegentlich die Luft anhalten muss und erleichtert ausatmet, wenn ein Szenenwechsel stattfindet.
Und während die einmal mehr hinreißende Deepika Padukone unverkrampft und unaufgesetzt zu bezaubern weiß, wirkt Ranveer Singh, wenngleich das bewusst geschieht, in seiner extrem virilen Rolle derart überzeichnet, dass die Gefahr besteht, dass seine gespielte Figur wie eine Karikatur wirkt. Sicher, bei dem Kerl sitzt die Frisur, der gestählte, eingeölte Körper besitzt null Gramm Fett, und bei so mancher Frau (und manchem den Männern zugetanem Herrn) werden Hitzewallungen aufkommen – und der nicht ganz so schlanke Rezensent könnte durchaus sehr neidisch werden -, aber oftmals ist die Darstellung des Filmcharakters Ram derart plakativ, dass man es selbst unter Aufbringung sämtlichen vorhandenen Ironieempfindens irgendwann nur noch mit einem befremdeten Stirnrunzeln quittieren muss.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, so absurd es auch klingen mag, die mangelnde Konsistenz des Films hinsichtlich der verschiedenen Genres. In unzähligen Bollywood-Filmen funktionieren die wilden Vermischungen hervorragend, doch bei “Ram & Leela” gerät dieses Unterfangen mitunter ins Stolpern, denn es kommt nicht selten vor, dass diese Komponenten mit dem “was nicht passt, wird passend gemacht”-Prügel in den Film hineingeknüppelt wirken.
Auch ist es ein wenig schade, dass die Emotionen in dieser Geschichte nicht ganz so sehr zur Geltung kommen wie man es von den Liebesgeschichten aus Südasien in der Regel kennt. Die wirklich überwältigenden, für Tränendrüseninkontinenz sorgenden Momente fehlen ein wenig, und die als solche gemeinten wollen nicht so ganz den Impuls für den sonst üblichen Kloß im Hals geben. Gerade hier hätte man noch einiges aus den Schauspielern herauskitzeln können – die Dramaturgie hätte den optimalen Nährboden hierfür abgegeben.
Doch was sich so überkritisch liest, ist Jammern auf hohem Niveau, denn der erwartungsgemäß überlange Streifen ist absolut solides, modernes Bollywood-Kino mit großen Szenen und großen Bildern, mit vielen beeindruckenden Momenten und dramatischen Wendungen, und obwohl man anhand der inspiratorischen Vorlage bereits weiß, was am Ende geschehen wird, sind die 150+ Minuten durchaus mit einiger Spannung versetzt und in jederlei Hinsicht professionellst produziert. Auch bezüglich Synchronisation gibt es nichts zu beanstanden – zwar erkennt man, gerade wenn man sehr viel im Seriendschungel unterwegs ist, die ein oder andere Synchronstimme, die in Kombination mit den indischen/indischstämmigen Akteurinnen und Akteuren anfangs irritierend erscheint, doch letztendlich ist die Gewöhnungszeit kurz, sobald man sich in die Story eingefunden hat.
“Ram & Leela” ist gleichermaßen ein klassischer Bollywood-Film wie auch ein sehr spezieller – er ist eine Gratwanderung. Links des Grates die Seriosität, rechts des Grates der Abgrund zum Zuviel. Doch am Ende erreicht der Film ohne gravierende Ausfälle sein Ziel und findet sich im oberen Qualitätsdrittel der zeitgenössischen Hindi-Filme wieder.
Cover & Szenenfotos © Rapid Eye Movies
- Titel: Ram & Leela
- Originaltitel: Goliyon Ki Raasleela Ram-Leela
- Produktionsland und -jahr: Indien, 2013
- Genre:
Bollywood, Romanze, Hommage
- Erschienen: 27.06.2014
- Label: Rapid Eye Movies
- Spielzeit:
150 Minuten auf DVD
156 Minuten auf Blu-Ray - Darsteller:
Deepika Padukone
Ranveer Singh
Pathak Supriya
Richa Chadda
uvm.
- Regie: Sanjay Leela Bhansali
- Extras:
Making Of (25 Minuten, auf DVD + Blu-Ray)
Poster (nur DVD-Erstauflage)
- Technische Details (DVD)
Sprache/Ton: Deutsch DD 5.1, Hindi DD 5.1
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 2,35:1 (16:9)
- Technische Details (Blu-Ray)
Sprache/Ton: DTS HD MA, Deutsch 5.1 und Hindi 5.1
Untertitel: Deutsch
Bildformat: 1080/24p (2,35:1)
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite zum Film
Wertung: 10/15 dpt