Sibylle Lewitscharoff – Killmousky (Hörbuch, gelesen von Christian Brückner)


Sibylle Lewitscharoff - Killmousky (Cover © Random House Audio)Der Rezensent vernimmt im Inneren seines Kopfes bereits die Stimmen, die da laut werden mögen: »Waaaas? Die booknerds besprechen einen Titel von DER?« – oder: »Warum bieten die der Lewitscharoff ein Forum, nach dem, was die da abgesondert hat?« Wir spulen zurück zur Rede beim Staatsschauspiel Dresden am 2. März 2014, in welcher die mehrfach ausgezeichnete Autorin für einen handfesten Eklat (siehe Infobox) sorgte. Sie äußerte sich heftigst negativ zu künstlicher Befruchtung (»…widerlich…«), bezeichnete die so (»…auf abartigen Wegen…«) entstandenen Kinder als »…Halbwesen…” und »zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas.« und sprach sich in ebenjenem Kontext für ein Onanieverbot aus. Es ist nur allzu vernünftig, dass Lewitscharoff, bei der man vermuten könnte, sie habe zu viele Bubble Teas mit Thilo Sarrazin getrunken, hierfür massiv gescholten wurde und sich auch ihr Verlag von ihren Aussagen distanziert. »Warum habt ihr euch überhaupt diesen Krimi vorgenommen?« dürfte eine weitere Frage sein, die aufkommen mag. Doch die ist einfach beantwortet: Ein viele Wochen vorher angefragtes Besprechungsexemplar war bereits unterwegs, und man kann Label und Verlag nicht für etwas verantwortlich machen, was sich irgendwann später ereignet – die Strafe in Form einer Nichtrezension träfe die Falschen – die Kritik an Lewitscharoffs Äußerungen und an ihrem neuesten Werk gilt ausschließlich der Urheberin dieses Gedankengifts und vorliegender Veröffentlichung.

Nun könnte man vermuten, die untenstehende Bewertung für ihren ersten Kriminalroman(satire)versuch “Killmousky” sei ein Resultat der Empörung über die Autorin und der daraus folgenden Ablehnung und Distanzierung, doch keinerlei Reflex, der durchaus nachvollziehbar hätte sein können, ist verantwortlich für die folgende Kritik, denn die fokussiert einzig und allein den Inhalt dieses Werkes.

Der knallharte Münchner Kriminalhauptkommissar Richard Ellwanger, der für seine gnadenlosen Verhöre bekannt ist, verliert während eines solchen die Kontrolle über sich selbst – und hängt seinen Beruf daraufhin an den Nagel. Doch in seinem neu geordneten Alltag findet der gebürtige Schwabe vor allem eines vor: Leere. Womit füllt er diese nun? Mit Frauengeschichten, mit Kettenrauchen oder mit hochprozentigen Gesöffen? Ellwanger kann froh sein, dass ihm diese Entscheidung abgenommen wird, denn aus New York lenkt ihn eine neue Herausforderung in ermittlerische Bahnen: Er soll privat den Fall einer zu Tode gekommenen wohlhabenden Frau aufdecken und herausfinden, ob der Ehemann sie getötet hat. Denn die Schwester und der Vater der Toten glauben, der Herr Gemahl habe ein zweites Gesicht.

Es wird nicht einfach für den ehemaligen Kommissar, denn weder mit der High Society New Yorks sowie der Sprache kommt er allzu gut zurecht. Und mit Emanzipierung sowieso nicht. Gänzlich unbehaglich ist es für ihn zudem, dass er seinen Kater Killmousky so lange bei den Nachbarn unterbringen muss. Doch das Pikanteste – das, was ihn am meisten beschäftigt und gar fasziniert – ist, dass in New York ein Verdächtiger lebt, der möglicherweise sogar aus Ellwangers schwäbischen Heimat stammt.

Was eigentlich Spannung und Skurrilität verheißen mag, entpuppt sich letzten Endes allerdings als leider recht trivialer, biederer und nahezu spannungsfreier Krimi mit künstlich gezogenen Spannungsbögen sowie gewollt metaphorischen (Katze) und pseudosatirischen Anspielungen. Die Spielerei mit Klischees gleicht einem Dauerpochen auf die humoristische Ader des Hörers/Lesers, denn sie wird reichlich unsensibel und inflationär eingesetzt, denn zuweilen wird diese Ader grandios verfehlt und es wird stumpf auf das Fleisch geklopft. Von der Sprachvirtuosität, für welche sie gefeiert wird, findet sich hier obendrein nicht allzu viel – im Gegenteil: Das Unterfangen, den kurzsatzigen Schreibstil zahlreicher Kiminalromanautoren zu persiflieren, kommt einer Bruchlandung gleich. Da wären mehr Verschwurbelung und verbale Kabinettstückchen doch sehr zu begrüßen gewesen, aber es wäre auch hierbei zu befürchten, dass eine vertrocknete Scheibe Käse auch durch Eloquenz und literarisch masturbatorische Darbietungskunst nichts weiter als eine vertrocknete Scheibe Käse bliebe.

Desweiteren ergeht sie sich in dieser oftmals redundant niedergeschriebenen Geschichte (soll heißen, zwei Sätze hintereinander sagen oftmals exakt das Gleiche aus)  in erschreckend plumper Form in stereotypen Charakterzeichnungen, sodass eigentlich nur noch die “klassische Familie” fehlt, von denen das eine Kind (Mädchen) still im rosa Prinzessinnenkleid mit Barbiepuppen spielt, während das andere (Junge) blau gekleidet und Radau veranstaltend Matchbox-Autos über den Flur schiebt, während Mama kocht und putzt – und Papa Zeitung lesend und Fußball schauend auf dem Sofa sitzt. Mit Bier auf dem Couchtisch.

Doch nicht genug damit, denn auch hinsichtlich des Lokalkolorits, das “Killmousky” hör- und lesbar anhaften soll, leistet sich Lewitscharoff so manchen Schnitzer, und erschwerend kommt hinzu, dass die Dialoge ähnlich unausgereift, ja gar unbeholfen wirken wie beispielsweise bei jenen Tatort-Folgen im unteren Qualitätsdrittel, bei welchen man sich anschließend ärgert, die neunzig Minuten nicht etwas anderes gesehen oder getan zu haben. Es scheint ganz so, als sei das Bild, das Lewitscharoff, die ihrerseits nicht gerade für positive Äußerungen gegenüber Kriminalliteratur bekannt ist, hoffnungslos obsolet und setze sich vor allem aus Versperrung und Missinterpretation zusammen – derart ressentimentschwanger (hoffentlich auf natürlichem, nicht abartigem Wege) und unreflektiert ein Genre durch den Kakao zu ziehen, ist bereits im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Ähnlich absurd wäre es, würde ein Komiker, der die letzten Jahrzehnte der politischen Entwicklung maximalperipher wahrgenommen hat, plötzlich auf politisches Kabarett umsatteln und dabei lediglich stoibersches Gestotter oder merkelsche Grimassen zustande bringen.

Beim Hörbuch steht und fällt die Qualität des Titels selbstverständlich auch mit dem Sprecher. Hier kann man Christian Brückner (bekannt als Stimme von Harvey Keitel und Robert de Niro) keinen Vorwurf machen, denn er versucht mit viel Laut-Leise-Dynamik und stimmlichem Leben der drögen Story etwas Schwung zu verleihen, doch letztendlich gelingt es auch ihm nicht, dieses literarische Ärgernis wenigstens in den Hafen der Erträglichkeit zu navigieren – es säuft auch trotz seiner Sprechqualitäten unaufhaltbar ab, gen Grund des Meeres der Irrelevanz.

Cover © Random House Audio

Wertung: 4/15 dpt


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