“Altar – Das Portal zur Hölle” auf dem DVD-Cover mit den markigen Worten: “Bis ins Knochenmark erschütternd!” zu bewerben ist keine besonders gute Idee der Marketing-Abteilung gewesen. Denn markerschütternd ist der gemütvolle Geisterhaus-Spuk sicherlich nicht.
Dafür punktet der Film mit anderen Meriten, wie der atmosphärischen Inszenierung des reparaturbedürftigen Herrenhauses und der weitläufigen Landschaft; den ordentlichen Schauspielern, dem Verzicht auf grelle Effekte und dem – nicht immer gelungenen – Bemühen um eine eigene Bildsprache. Er vermeidet in jeder Hinsicht Extreme und unterhält dabei auf angenehm altmodische Weise, erzeugt einen leichten Flaum Gänsehaut, wird aber nicht für schlaflose Nächte sorgen.
Die Storyline ist nicht besonders originell – aber effektiv: Die Innenarchitektin Meg Hamilton übernimmt den Auftrag in Yorkshire das alte Radcliffe-Anwesen zu restaurieren. Bereits die Ankunft steht unter einem schlechten Stern, erfährt Meg doch bereits auf der Türschwelle, dass ihr Team einen Unfall hatte und sie somit mit Gatten Alec und den beiden Kindern Penny und Harper allein vor Ort werkeln muss. Zwar gibt es zunächst Unterstützung von ortsansässigen Handwerkern, doch als Meg ein riesiges Bodenmosaik (der titelgebende “Altar”) entdeckt, das auf finstere satanische-, beziehungsweise Rosenkreuzer-Praktiken hinweist, bleiben auch die lokalen Hilfestellungen aus.
Denn das prächtige Gebäude samt umliegender Landschaft gilt als verflucht seit es dort im neunzehnten Jahrhundert zu mehreren mysteriösen Todesfällen kam. Unter anderem wurde vermutet, dass der Maler Radcliffe sein geliebtes Eheweib in einem unheiligen Ritual opferte. Und darüber wahnsinnig wurde.
Da trifft es sich gut, dass Alec Hamilton ebenfalls bildender Künstler ist. Während sich Meg immer weiter in die Historie von Radcliffe-Manor vertieft, bekommen die Teenager-Tochter Penny und ihr jüngerer Bruder Geisterbesuch. Meg Hamilton hält die Berichte ihrer Kinder zunächst für Hirngespinste, während Vater Alec sie überhaupt nicht wahrnimmt, sondern in seiner Arbeit völlig aufgeht. Die darin besteht, eine Skulptur von Radcliffes Gattin, hingebettet während des Opferrituals, anzufertigen. So treibt man mit- und nebeneinander auf einen nächtlichen Kulminationspunkt zu, der die vierköpfige Familie vor eine Zerreißprobe stellt.
“Altar – Das Portal zur Hölle” zeichnet sich durch seine Zurückhaltung aus, in jeder Hinsicht. Regisseur Nick Willing und sein Team erzeugen sachtes Gruseln aus den geschickt bebilderten Settings, seien es die labyrinthischen Innenräume des Anwesens sowie die (fast) menschenleere Moorlandschaft Yorkshires. Es wird von Beginn an kein Hehl darum gemacht, dass sich Familie Hamilton übernatürlichen Phänomenen gegenübersieht, weshalb rationale Erklärungen auch weitgehend ausgespart bleiben. Während die Innenarchitektin Meg zunächst der ungläubige Anker der Vernunft scheint, die sich allerdings etwas irrational vor den begründeten Ängsten ihrer Kinder verschließt, ist der scheinbar wenig erfolgreiche Künstler Alec vom ersten Betreten des Hauses an ein Faktor der Unsicherheit, dessen mentale Unbehaustheit nicht von Ungefähr an Jack Torrance’ (ebenfalls künstlerisch tätig) Disposition während seiner Zeit im Overlook-Hotel erinnert. Ein bisschen “Shining” fällt für fast jedes verwunschene, isoliert liegende Landgut ab.
Die Inszenierung bleibt, bereits budgetmäßig, wesentlich näher bei ambitionierter TV-Arbeit als bei der visuellen Grandezza Stanley Kubricks. In diesem Rahmen schlägt sich “Altar” aber optisch äußerst ansprechend, ebenso wohltuend verzichtet Regisseur Willing auf grelle jump scares und hat für seine Geisterwesen eigene Umsetzungen parat, die zwar ein wenig aseptisch wirken, aber nicht zum x-ten Mal bei den allzu beliebten japanischen Geistermädchen mit ihren bodenlangen schwarzen Haaren und abgehackten Bewegungsmustern abgekupfert werden. Simon Boswell, der immerhin schon für Dario Argento, Richard Stanley und Álex de la Iglesia arbeitete, untermauert das häuslich-gräusliche Geschehen passend mit einem stimmungsvollen, unplakativen Soundtrack.
So bietet “Altar – Das Portal zur Hölle” betuliche, schaurig-romantische und anheimelnde Sonntagabend-Unterhaltung, die ihre Geschichte ohne übertriebene Hysterie und holterdipoltergeistiges “Insidious”-Rumgehampel stilsicher bis zur kleinen, fiesen Schlusspointe entwickelt. Klar ist vieles absehbar, die Einbindung der Rosenkreuzer bleibt bloße Behauptung und wird nicht vertieft, ebenso wenig die Symbolkraft der eindrucksvollen Opferstätte im Haus. Aber das Spiel mit Duplizitäten und Zeitverschiebungen funktioniert und sorgt für einen gemächlich steigenden Spannungspegel.
Gorehounds kommen überhaupt nicht auf ihre Kosten, aber Zuschauer, die kontemplativen, viktorianischen Haunted-House-Horror mit ansehnlichen Interpreten desselben schätzen, dürfen gerne geneigte Blicke riskieren. Ohne Risiko, jemals die Augen auch nur sekundenkurz zukneifen zu müssen.
Zentraler Satz von zeitüberschreitender Bedeutung: “Ich liebe dich, Blümchen!”
Cover & Szenenbilder © Koch Media
- Titel: Altar – Das Portal zur Hölle
- Originaltitel: Altar
- Produktionsland und -jahr: Großbritannien, 2014
- Genre:
Mystery, Grusel, Horror, Haunted House
- Erschienen: 10.09.2015
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
ca. 85 Minuten auf 1 DVD
ca. 89 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller:
Olivia Williams
Matthew Modine
Antonia Clarke
Adam Thomas Wright
- Regie: Nick Willing
- Drehbuch: Nick Willing
- Kamera: Jan Richter-Friis
- Musik: Simon Boswell
- Extras:
Original Kinotrailer - Technische Details (DVD)
Video: 1.78:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, DTS, Dolby Digital 5.1
Untertitel: Deutsch
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1.78:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, DTS HD-Master Audio 5.1
Untertitel: Deutsch
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
Produktseite auf Koch Media
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Wertung: 10/15 Spukschlösschen