Wes Anderson und Noah Baumbach als ausführende Produzenten und Peter Bogdanovich als Regisseur einer Komödie – das spricht für ein spannendes Aufeinandertreffen von klassischer Screwball Comedy und modernem Lebensgefühl mit ein bisschen Wahnwitz. Bogdanovich ist bei “Broadway Therapy” eindeutig der federführende Geist, denn der Film ist eine charmante Boulevardkomödie, so künstlich wie zeitlos (beziehungsweise mindestens die fünfzehn Jahre vor denen das Drehbuch entstand hinter der Zeit zurück. Eher mehr).
Die Welt des Theaters, des Seins und Scheins, der Hoffnungen, Illusionen und Wünsche, die manchmal in Erfüllung gehen. Wie es die populäre Schauspielerin Isabella “Izzy” Patterson einer Interviewpartnerin ohne Scheu vor pikanten Details erzählt. Denn bevor sie reich und berühmt wurde, verdiente sie ihr Geld unter dem Namen Glow(stick) bei einem Escort-Service. Bis ihr der Freier “Derek” über den Weg lief und ihr 30 000 Dollar offerierte, um sich damit ihren Lebenstraum zu erfüllen.
Der natürlich darin besteht, Schauspielerin zu werden. Prompt bekommt sie von ihrer Agentin ein Vorsprechen angeboten. Für eine neue Broadway-Produktion. In der Izzy eine Prostituierte spielen soll. Sie meistert das Casting natürlich perfekt, obwohl sich der Regisseur Arnold Albertson als ihr spendabler Gönner vom Vorabend entpuppt, und es sich bei ihrer Bühnenpartnerin um seine Ehefrau Delta handelt. Natürlich bekommt sie die Rolle, obwohl Arnold dagegen steuert.
Was der Beginn einer Reihe von Irrungen und Wirrungen ist, in die nicht nur Isabella, Delta und Arnold verwickelt sind, sondern auch Joshua Fleet, der Autor des Stückes, mit dem sich Izzy bald verabredet, der Hauptdarsteller Seth Gilbert, Izzys Eltern, ihre Therapeutin, die gleichzeitig die Freundin des Autors ist (nicht mehr allzu lange), der stalkende Richter Pendergast (ebenfalls Jennifer Anistons Patient), der Privatdetektiv Fleet (zufällig Joshuas Vater), den Pendergast beauftragt hat, Izzy auf Schritt und Tritt zu observieren. Zwischendurch trifft man immer wieder auf Frauen, die mit Arnold das gleiche Szenario wie Glow erlebt haben. Erkennungsruf: “Eichhörnchen an die Nüsse!”
Das kommt bei der begleitenden Gattin verständlicherweise nicht gut an und so beginnt ein turbulenter Reigen, bei dem nicht nur Beziehungen durcheinandergewirbelt werden.
Eine Komödie, die auch nur ansatzweise sozialen Realismus touchiert, ist “Broadway Therapy” definitiv nicht geworden. Soll es auch nicht sein. Die bezaubernde Isabella stellt gleich zu Beginn im Interview klar, dass sie Märchen und positive Entwicklungen liebt. Somit kann sich der Film unverhohlen und freudestrahlend in eine fiktive Welt begeben, in der ausgetretene Bretter tatsächlich die Welt bedeuten können. Bogdanovich spielt formal wie inhaltlich geschickt mit Doppel- und Spiegelungen. Natürlich lugt das große, viel ältere Geschwisterchen “Is was, Doc?” hervor, in dessen Fußstapfen “Broadway Therapy” ansprechend, wenn auch nicht auf Augenhöhe, wandelt. Was der Komödie mit Barbra Streisand und Ryan O’Neal “Leoparden küsst man nicht” und die “Looney Tunes” waren, ist für “Broadway Therapy” Ernst Lubitschs letzter alleiniger Film “Cluny Brown” (“Cluny Brown auf Freiersfüßen”) aus dem Arnold Albertson unverhohlen seinen “Eichhörnchen”-Kalauer klaut.
Albertsons Macke, seinen Liebesabenteuern 30 000 Dollar zur Erfüllung ihres jeweiligen Traums zu spendieren (Broadway-Regisseure müssen ein Heidengeld verdienen) ist der McGuffin, der das gut geölte Rad der temporeichen, mitunter etwas arg geschwätzigen, Komödie am Laufen hält. Timing und Situationskomik übertreffen den Sprachwitz deutlich, wenn es auch einige herausragende Szenen gibt. Besonders gelungen das Wortgefecht zwischen Owen Wilson und Kathryn Hahn, dass den chauffierenden Taxifahrer zur Flucht aus seinem Cab veranlasst.
Womit wir beim stärksten Pfund wären, das “Broadway Therapy” zu bieten hat: Sein Ensemble. Die bezaubernde Märchenerzählerin Imogen Poots wäre bereits alleine in der Lage, den Film zu tragen, aber sie bekommt hochkarätige Unterstützung, und am Ende ihrer Geschichte den passenden Cameo als Ehemann. Kathryn Hahn, das sensible Mauerblümchen Lily aus “Crossing Jordan”, gibt die Theaterdiva Delta mit Furor, aber ohne sich sämtliche Sympathien durch Hysterie zu verscherzen. Will Forte ist zurückhaltend und freundlich, hat aber eine blasse Rolle. Der ewig sympathische und leichtfertige Owen Wilson wird leider vom Drehbuch – gerade zum Ende hin – schmählich im Stich gelassen, darf aber mit seinen Partnerinnen Poots und vor allem Hahn ein paar aberwitzige Wortgefechte bestreiten. Rhys Ifans ist die übliche Bank als Engländer, der ein Hügel in sich selbst ist, von dem aus er das Treiben um sich herum amüsiert beobachtet – wenn er nicht selbst voller Verve mitmischt.
Jennifer Aniston, mit ungewohnter Kurzhaarfrisur, würde zwar wegen ihres losen Mundwerks auf der Stelle die Approbation als Psychotherapeutin entzogen (so sie denn je eine besaß), stellt aber mit sichtlichem Amüsement den wichtigen Katalysator dar, der alle Beteiligten erst richtig in Wallung versetzt.
Austin Pendleton sorgt in der völlig unglaubwürdigen Rolle des liebestollen Richters für wohltemperierten Slapstick, wird aber knapp getoppt von George Morfogen als ganz ausgekochtem Detektiv Fleet. Ein Fan billiger Verkleidungen (durchaus eine Hommage, aber keine Kopie des unsterblichen Inspector Clouseau) und auffällig unauffälliger Observierungen. Der Traum der letzten Vorstellung und “Taxi Driver”-Muse Cybill Shepherd gibt, neben Richard Lewis als schlagkräftigem Vater, herrlich uneitel die White-Trash-Mutter (in Broadway-Nähe?) Izzys; einen besseren Besetzungscoup kann man kaum landen.
Gut aufpassen muss man, um Tatum O’Neals (eine weitere Bogdanovich-Veteranin) Auftritt als Kellnerin und den des Regisseur selbst in einer Verbeugung vor den Sopranos, nicht zu verpassen.
Spätestens hier wird die Doppelung vervielfacht, wenn der Regisseur im Fernsehen einen Therapeuten spielt, der eine Therapeutin therapiert, während der kaum zu therapierende Richter (weil viel zu sehr in seiner Obsession aufgehend) zuschaut.
So ist “Broadway Therapy” eine amüsante, beschwingte Boulevardkomödie (inklusive mehrfachem verstecken in Badezimmern. Gibt es keine Schränke mehr?), voller visueller Doppelbödigkeiten und Täuschungsmanöver, besonders zu Beginn äußerst redselig, ohne zu besonders ertragreichen Pointen zu kommen, etwas zerfahren – wie Jennifer Anistons Therapeutin – und mitunter motivationslos. Aber immer charmant und schauspielerisch ein Genuss. Hier treffen sich dann doch Noah Baumbach und Peter Bogdanovich: Imogen Poots und Greta Gerwig in einem Film, das hätte was. Wes Anderson mischt sich ein: “Wenn Bill Murray dabei ist.” Gebongt.
Kurzum, ein Film zum permanenten Schmunzeln und gelegentlichen Staunen, aber das große Lachen gehört weiterhin “Is was Doc”.
Wer Imogen Poots nicht fürderhin in sein Nachtgebet einschließt, der braucht keins.
Das Finale gehört Ernst Lubitsch, Cluny Brown und einem Abflussrohr. Ein stimmiges Happy End.
Das eingeleitet wird mit:
“Na, dieser Eichörnchen-Satz ist aus Cluny Brown von Lubitsch. Charles Boyer sagt ihn zu Jennifer Jones, kurz bevor die Beiden sich verlieben.”
“Soll das jetzt etwa heißen, dass der Spruch nicht mal original ist?”
“Was ist schon original?”
“Schatz, wenn wir zu dem Sonny Chiba-Triple-Feature wollen, müssen wir starten – und zwar gleich!”
Cover & Szenenfotos © Eurovideo
- Titel: Broadway Therapy
- Originaltitel: She’s funny that way
- Produktionsland und -jahr: USA/D 2014
- Genre: Komödie, Boulevard
- Erschienen: 22.12.2015
- Label: Eurovideo
- Spielzeit:
ca. 94 Minuten auf Blu-Ray
ca. 91 Minuten auf DVD
- Darsteller:
Imogen Poots
Owen Wilson
Rhys Ifans
Kathryn Hahn
Jennifer Aniston
Will Forte
Cybill Shepherd
uvm.
- Regie:
Peter Bogdanovich - Musik:
Ed Shearmur
- Extras:
Hinter den Kulissen - Technische Details (DVD)
Video: 1,85:1 16:9 anamorph
Sprachen/Ton: D, GB (DD 5.1)
Untertitel: ausblendbar
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1,85:1 HD 1080/24p (16:9)
Sprachen/Ton: D, GB (DTS-HD MA 5.1)
Untertitel: ausblendbar
- FSK: 0
- Sonstige Informationen:
Produktseite mit Trailern und mehr.
Wertung: 11/15 dpt