Die Leuna-Affäre und andere
Im Leben von Untersuchungsrichter Jacques Ricou geht es weiterhin turbulent zu, nachdem er bereits einen Mordanschlag überlebt hat. Eigentlich möchte er im neuen Bistro von Gaston dessen Eröffnung feiern als er zu einem Todesfall gerufen wird. Auf dem Quai de Grenelle liegt Marc Leroc, der vom 22. Stockwerk in die Tiefe stürzte. Ein Selbstmord? Sicher nicht, denn zum Tatzeitpunkt befand sich Ricous Freundin, die Journalistin Margaux, in dessen Wohnung, um ein Interview mit Leroc zu führen. Als es während des Gesprächs an der Eingangstür klingelt, bittet Leroc Margaux in einen anderen Raum zu gehen, Minuten später wird sie dort niedergeschlagen.
Tage zuvor hatte Leroc in einer Pressekonferenz angekündigt ein Buch zu veröffentlichen, in dem er den Leuna-Skandal aufdecken werde. Es geht um Bestechungsgelder im zweistelligen Millionenbereich, womöglich wollte sogar der französische Staatspräsident den befreundeten deutschen Bundeskanzler im Wahlkampf finanziell unterstützen.
Ricou, der für seine unerschrockenen Ermittlungen berüchtigt ist, gerät in einen Finanzskandal, dessen Ausmaße er kaum überblicken kann. Nur eines ist klar, die Strippenzieher kennen keine Skrupel und gehen notfalls über Leichen.
Dritter Fall für Untersuchungsrichter Jacques Ricou
Ulrich Wickert hat sich für seinen dritten Ricou-Roman der Leuna-Affäre angenommen, die sich 1997 zum Skandal entwickelte. Nach der deutschen Wiedervereinigung sollten die Leuna-Werke sowie die Minol AG privatisiert werden. 1990/1991 gab es mehrere Schmiergeldzahlungen, die jedoch erst sechs Jahre später von einer französischen Untersuchungsrichterin aufgedeckt wurden. Es kam zu einem Prozess, doch dummerweise war einer der möglichen Protagonisten, der französische Staatspräsident Mitterand, da schon verstorben. So blieb vieles im Dunkeln und lässt damit Ulrich Wickert viel Raum für eigene Ausschmückungen. Daher seine Schlussbemerkung:
Die finanziellen Aktivitäten sind selbst für Ricou nur ansatzweise zu durchschauen, werden aber so erklärt, dass man sich ein ungefähres Bild machen kann, ohne ein Wirtschaftsexperte sein zu müssen. Neben den zeithistorischen Aspekten bietet der Fall ausreichend „Action“, denn es bleibt nicht bei einem Todesfall. Zudem werden Ricou und Kommissar Mahon mit allen Mitteln bekämpft. Zwar greift man hier nicht zum Äußersten, dies wäre wohl zu auffällig, aber ein Rufmord kommt ja zumindest einem beruflichen Todesurteil gleich.
„Es gibt eine zweite Welt, von der ein normaler Mensch nie etwas erfährt. Die Verteilung der Macht und ihrer Pfründe findet dort statt.
Wer die Vorgänger kennt, findet das bekannte Personaltableau wieder und natürlich erzählt Wickert erneut viel über Paris, wobei er sich gelegentlich einmal mehr in Alltagsbanalitäten verliert. Zudem, sonst wäre er nicht Ricou, wird ordentlich Wein und Whisky zugesprochen, lecker gegessen sowieso und wo Ricou ist, kann eine schöne Frau nicht weit sein. Ob es dieses Mal für eine längere Beziehung reicht?
Wer einen spannenden Kriminalfall vor realem Hintergrund mag und sich zudem für Politik interessiert, sollte zugreifen. Einmal mehr ist es lesenswert, wie der politische Zustand Frankreichs beschrieben wird. Quo vadis, Bananenrepublik? Nur gut, dass ein Untersuchungsrichter dort über große Machtbefugnisse verfügt und nicht von oben Weisungen unterworfen werden kann. Oder doch?
Jacques Ricou 1: Der Richter aus Paris
Jacques Ricou 2: Die Wüstenkönigin
- Autor: Ulrich Wickert
- Titel: Der nützliche Freund
- Verlag: Piper
- Umfang: 320 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Januar 2010
- ISBN: 978-3-492-25742-8
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Wertung: 10/15 dpt