Lucy Cooke – Bitch. Ein revolutionärer Blick auf Sex, Evolution und die Macht des Weiblichen im Tierreich (Buch)


“Bringt Schwung in öden Gender-Partytalk”, “Humorvoll, packend, manchmal schockierend”, “Ein Wahnsinnspaß” – so werden namhafte Rezensent*innen auf Klappentext und Cover zitiert. In Verbindung mit dem poppigen Cover und dem provokanten Titel weckte das sofort meine Neugier und schürte große Erwartungen, denen das Buch nicht immer gerecht wurde.

Inhaltlich fasst der Untertitel “Ein revolutionärer Blick auf Sex, Evolution und die Macht des Weiblichen im Tierreich” das Buch gut zusammen.

Lucy Cooke beginnt damit Forschungstraditionen in der Biologie seit Anfang des 19. Jahrhunderts als biased, kulturell und patriarchal gefärbt zu entlarven und stellt dar, dass diese kulturellen und häufig sexistischen Einflüsse sich bis heute noch häufig wiederfinden. Angefangen dabei, dass Wissenschaft lange Zeit als reine Männerdomäne galt bis dahin, dass Verhalten weiblicher Tiere und ihre Körper gar nicht erst untersucht wurden, weil sie als uninteressant und sowieso passiv und vom Männchen dominiert galten und sich auf die Studien dieser Zeit bis heute noch andere Forschung stützt.

Um diese These, nämlich dass der Großteil biologischer Forschung biased und zutiefst sexistisch ist, zu stützen, stellt die Autorin auf mehreren hundert Seiten verschiedenste Studien und Forschungsergebnisse zu unterschiedlichsten Tierarten dar, die unser bisheriges Bild über das soziale (gender) und biologische Geschlecht (sex), Rollenbilder und Identitäten gehörig ins Wanken bringen. Ein Rückbezug darauf, was das für uns Menschen bedeutet, findet aber erst ganz am Ende des Buches statt.

Allgemein ist das Buch, anders als Titel und Aufmachung vermuten lassen, kein Sachbuch, dass sich einfach und schnell weglesen lässt. Grundsätzliches Wissen über Evolution, Biologie, Genetik und Geschlechtsidentitäten wird vorausgesetzt. Die Sprache ist, auch wenn versucht wird, sie zwischendurch durch einen “Witz” aufzulockern, hoch wissenschaftlich und biologische Fachbegriffe werden kaum erklärt. Dies führt dazu, dass es sich zwischenzeitlich sehr trocken und zäh ließt und man definitiv über eine gehörige Portion Wissen für die Tierwelt verfügen muss, um überhaupt weiterlesen zu wollen. Die teilweise etwas erzwungene “Witzigkeit” wies für mich häufig einen Mangel an Sensibilität auf. So wird relativ flapsig das “Schlüssel-Schloss-Prinzip” bemüht, dass von einer Vielzahl von Männern genutzt wird, um zu argumentieren, dass bei Männern Promiskuität evolutionär veranlagt sei, während es bei Frauen auf einen Makel schließen lasse (“Ein Schlüssel, der auf jedes Schloss passt, ist ein Masterkey. Ein Schloss, in das jeder Schlüssel passt, ist ein kaputtes Schloss”). Weiterhin wird die Erforschung des unterschiedlichen Aussehens von Tiervaginen mit einem “hoch spezialisierten Sexshop” verglichen und dominante Weibchen werden als “Oberzicken” bezeichnet.

Was das Buch für mich aber letztendlich wieder gerettet hat, waren vor allem die letzten zwei Kapitel, in denen Lucy Cooke die Ergebnisse der aufgeführten Studien zusammenfasst und Forderungen an die heutige Forschung und Wissenschaft stellt. Dank diesem Buch, kann ich Behauptungen à la “Homosexualität und Transsexualität sind unnatürlich”, “Männer sind evolutionär nunmal Jäger und haben den größeren Sexualtrieb, während Frauen passiv sind und sich um die Kinder kümmern” nun auf einer wissenschaftlichen Basis etwas entgegensetzen. In der Tierwelt gibt es nämlich tatsächlich homosexuelle und bisexuelle Arten, es gibt Arten die (je nach Anforderungen ihrer Umwelt) ihr Geschlecht wandeln, es gibt Arten, die gar keine Männchen zur Fortpflanzung benötigen, es gibt Matriarchinnen, es gibt agressive und promiskuitive Weibchen, es gibt Männchen die sich um den Nachwuchs kümmern und “mütterliches Verhalten” nicht vom Geschlecht abhängig machen – und nichts davon ist abnorm. Im Gegenteil hat es für die jeweilige Art sogar immer einen evolutionären Nutzen.

  • Autor: Lucy Cooke
  • Titel: Bitch – Ein revolutionärer Blick auf Sex, Evolution und die Macht des Weiblichen
  • Originaltitel: Bitch
  • Übersetzer: Jorunn Wissmann und Susanne Warmuth
  • Verlag: Malik
  • Erschienen: 2023
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 430
  • ISBN: 978-3-89029-582-4
  • Sonstige Informationen:
  • Erwerbsmöglichkeiten


Wertung: 9/15 dpt


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