Jan-Erik Fjell – Nachtjagd (Buch)


Turbulenter Pageturner für Genrefans

Nachtjagd
© Goldmann

Viel passender hätte Hans Gullands Buch über den norwegischen Serienmörder Stig Hellum kaum erscheinen können. Als er im Fernsehen hierzu ein Interview gibt, wird am gleichen Tag die Leiche der einundzwanzigjährigen Hedda Back gefunden, deren Todesumstände die Polizei sehr an Hellum erinnern.

Rückblende: 2002 wurde Hellum für drei Morde sowie vier Vergewaltigungen zu einer langjährigen Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Nach zwölf Jahren im Gefängnis gelang ihm jedoch die Flucht, seitdem fehlt von ihm jede Spur. Ist er zurückgekehrt oder gibt es einen Nachahmungstäter? Kommissar Anton Brekke von der Kripo Oslo soll den Fall mit seinem neuen Partner Magnus Torp übernehmen und dabei von Lars Hox unterstützt werden. Hox widmete die letzten zwei Jahre als Leiter der Hellum-Gruppe der Jagd nach dem Serienmörder, doch Brekke vermutet, man habe etwas Entscheidendes übersehen. Die Zeit drängt, denn wenig später gibt es eine weitere Leiche.

Ich will, dass Sie Reue verspüren, um die Vergebung zu finden, die Sie so dringend brauchen.“
„Alle Nationen haben Ihre Schattenkrieger, Pater. Männer, von denen man nie etwas hört. Männer, die sich permanent an der Front befinden. Und öfter, als man vermuten sollte, verläuft die Front direkt durch unseren eigenen Hinterhof.“
„Es gibt unzählige Arten, auf die Sie Ihrem Land hätten dienen können. Solche, die nicht in erster Linie darauf basieren, andere Menschen umzubringen.“
„Nein. Es ist ein wenig mit Ihrem Glauben, Pater. Sie können nicht das eine wählen und sich gegen das andere entscheiden. Wenn Sie an Gott glauben, dann müssen Sie auch an den Teufel glauben.

Eine weitere Rückblende: In Huntsville, Texas, USA, wartet 2006 wegen vierfachen Mordes der Amerikaner Nathan Sudlow auf seine Hinrichtung. In seinen letzten Stunden berichtet er Pater Sullivan erstmals über zurückliegende Geschehnisse in den 1990er Jahren und seinem größten Fehler, der ihn einst nach Norwegen führte.

In Norwegen ist die Anton-Brekke-Reihe ein großer Erfolg

Die Anton-Brekke-Reihe ist in Norwegen äußerst erfolgreich und mit „Nachtjagd“ wurde erstmals ein Roman ins Deutsche übersetzt. Ein Hinweis an Serienfans ist angebracht: „Gjemsel“, wie der Roman im Original heißt, ist bereits der sechste Band der Reihe und es wäre nicht überraschend, wenn – wie bei zahlreichen anderen Autoren – bei einem erfolgreichen Verkauf, die vorherigen Werke nachgereicht würden. Es ist schade, dass bei Serien eine Veröffentlichung in der richtigen Reihenfolge zunehmend zur Ausnahme wird.

„Nachtjagd“ ist ein typischer Serienmörder-Thriller, der für Fans des Genres eine Empfehlung ist. Hundert Kapitel auf fünfhundert Seiten, mehr Tempo, mehr Pageturner geht kaum. Dass bei derart knackigen Kapitellängen nicht immer hoher, inhaltlicher Tiefgang herrscht versteht sich. Es geht halt um die Action und davon gibt es hier nicht wenig. Ein Serienmörder damals (2002) wie heute (?) und ein Amerikaner, der in den 1990er Jahren mordete. Was will man mehr? Zunächst ist dennoch Aufmerksamkeit gefragt, denn wann spielt eigentlich die Geschichte in der Gegenwart? Parallel zu Sudlows Zeit in der Todeszelle?

Ich hoffe nicht, dass ich jetzt irgendetwas begreifen soll.“
„Dann wäre ich auch überaus beeindruckt.

Es ist kein Spoiler wenn verraten wird, dass Sudlow kein gewöhnlicher Krimineller ist. Früh wird erwähnt, dass sein Auftraggeber in Langley sitzt, Sudlow folglich für die CIA arbeitet. Sein damaliger Auftrag (vor den Rückblenden) galt einem Topscharfschützen des KGB, den es zu eliminieren galt. Weiteres soll hier nicht vorweggenommen werden, aber es ist schon „beeindruckend“, wie Jan-Erik Fjell die beiden Handlungsstränge um Brekke und Sudlow zusammenführt. Interessant ist zudem der Auftritt des Protagonisten, denn Brekke verbringt den kompletten Mittelteil des Plots krankheitsbedingt im Hospital. Es wird ermittelt, gejagt, die Ereignisse überschlagen sich und turbulente Wendungen geben sich die berühmte Klinke in die Hand – und dann wäre da noch der Drachenkopfglanzkäfer, aber lassen wir das. Mag man das Motiv des gegenwärtig gesuchten Mörders nachvollziehen können, seine Taten selbst sind hingegen kaum begreifbar. Aber was ist bei einem Serienmörder schon begreifbar? 

  • Autor: Jan-Erik Fjell
  • Titel: Nachtjagd
  • Originaltitel: Gjemsel. Aus dem Norwegischen von Andreas Brunstermann
  • Verlag: Goldmann
  • Umfang: 509 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: März 2023
  • ISBN: 978-3-442-20648-3
  • Produktseite


Wertung: 11/15 dpt


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