Alexander Meining – Würzburger Dynamit (Buch)


Anarchie in Bayern?

Würzburger Dynamit
© Gmeiner

Seit zwanzig Jahren ist Ludwig I. tot, seit gar vierzig Jahren kein König mehr. Dennoch soll ihm zu Ehren am 31. Juli des Jahres 1888 eine Centenarfeier, eine Hundertjahrfeier, in München stattfinden. Der Umzug nähert sich seinem Ende, finaler Höhepunkt sind eine Gruppe orientalisch gekleideter Männer und ihre acht Elefanten. Danach folgt zum Abschluss die Straßenlokomotive eines Sponsors die gerade, als sich die Elefanten vor der Tribüne der königlichen Familie aufstellen, versehentlich Dampf ablässt, was die Tiere in Unruhe versetzt. Die königliche Familie nebst Gefolge wird in Sicherheit gebracht, da gibt es plötzlich einen lauten Knall, welcher die Elefanten in Panik ausbrechen lässt. Es kommt zu einer Katastrophe, Menschen werden getötet, weit über hundert verletzt. Nach drei Kilometern gelingt es, den Leitbullen der Elefantenherde zu erschießen.

Zunächst zum Wichtigsten: Der Prinzregent sowie die gesamte königliche Familie blieben unversehrt.

Assessor Georg Hiebler arbeitet für den Staatsminister des Innern, Freiherr von Freilitzsch, und verfolgte das Geschehen aus unmittelbarer Nähe, wobei ihm eine Gruppe Arbeiter aufgrund ihrer einfachen Kleidung auffiel. Freilitzsch bittet Hiebler, der vor rund einem halben Jahr einen spektakulären Mordfall in Würzburg aufklärte, gemeinsam mit Hauptmann Iannis Krieger, den Vorfall zu untersuchen. Hiebler erfährt zu seiner großen Überraschung, dass es einen geheimen Nachrichtendienst gibt, dessen Aufgabe in der Bekämpfung staatsfeindlicher Umtriebe besteht. Dieser verfügt über ein Fotolabor und auf einem Foto, welches Krieger vor dem Tumult machen konnte, erkennt Hiebler den Würzburger Polizeifotografen Severin Knoll. Dieser steht neben dem stadtbekannten Münchner Anarchisten Ernst Kramer.

Waren die Anarchisten für den Anschlag verantwortlich, denn der laute Knall war tatsächlich die Explosion einer Dynamitstange. Krieger soll in München die Anarchisten ausheben, während Hiebler nach Würzburg geschickt wird, um mit Knoll zu reden. Dieser erhält jedoch frühzeitig eine Warnung und ist bereits vor Hieblers Ankunft verschwunden. Gemeinsam mit dem Chef der Würzburger Gendarmerie, Friedhelm Deschel, begibt sich Hiebler auf Spurensuche. Dabei kann sich Deschel gar nicht vorstellen, dass ausgerechnet sein Neffe Severin ein Anarchist sein soll. Die Zeit drängt, denn in wenigen Tagen will der Prinzregent die Residenzstadt besuchen.

Zweiter Fall für Georg Hiebler

Im Januar 1888 ermittelte Hiebler in Würzburg im Todesfall des Jöns Lindahl, Erbauer des Würzburger Ringparks, dessen Auflösung hier erzählt wird; dies nur als Vorwarnung für jene, die „Mord im Ringpark“ (erster Band der Hiebler-Reihe) nicht kennen. Allerdings muss man den Vorgänger keineswegs gelesen haben, um dem zweiten Fall folgen zu können; allein es gibt ein Wiedersehen mit einigen bekannten Figuren. Autor Alexander Meining nimmt die Elefantenkatastrophe vom 31. Juli 1888 als Grundlage für seinen neuen Roman und nimmt dabei auch Bezug auf einige Neuerungen. So gibt es im Innenministerium seit geraumer Zeit zwei Fernsprechgeräte, ein Fotolabor und ein Nachrichten-Bureau.

Letzteres erscheint notwendig, denn nach Erlass des Sozialistengesetzes im Jahr 1878, wonach sozialdemokratische Organisationen verboten wurden, griffen einige zu radikaleren Mitteln. So gibt es zehn Jahre später in Bayern rund hundert, in München geschätzte dreißig Anarchisten, die natürlich per se verdächtig sind, da sie die Monarchie rundheraus ablehnen. Die Verhältnisse zwischen arm und reich könnten allerdings kaum weniger spannungsgeladen sein, denn die soziale Schere scheint immer weiter aufzugehen.

Wir leben in einer Welt der Wissenschaft und des Fortschritts, lassen uns aber wie im Mittelalter von Personen regieren, die auf Kosten des Volkes in Saus und Braus leben und nur aufgrund ihres ererbten Namens herrschen. Damit muss Schluss sein.

München wie Würzburg bilden die Kulissen des Romans, der durch seine Atmosphäre glänzt. In dem schlanken Buch geht es ohne größere Umwege zur Sache, wobei die Ermittlungen – der damaligen Zeit geschuldet – recht gediegen ablaufen. Der Spannungsbogen ist moderat, liefert aber dennoch die eine oder andere Überraschung. Protagonist Hiebler, fünfundzwanzig Jahre alt zu Beginn der Handlung, ist überzeugter Assessor, ein pflichtbewusster, mitunter etwas voreiliger Beamter, der es sich im Innenministerium gemütlich gemacht hat. Dass er nun erneut zum Helden wider Willen aufsteigt und dadurch Karriere machen wird, ist nicht die schlechteste Nachricht, denn sie sorgt dafür, dass es zumindest einen dritten Fall geben wird.

Autor: Alexander Meining

Titel: Würzburger Dynamit

Verlag: Gmeiner

Umfang: 224 Seiten

Einband: Taschenbuch

Erschienen: September 2023

ISBN: 978-3-8392-0520-4

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Wertung: 12/15 dpt


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