Zoë Beck – Paradise City (Buch)

Von „Paradise City“ kann keine Rede sein

Deutschland in der Zukunft. In den zurückliegenden 2030er-Jahren gab es Seuchen und andere Katastrophen, die das Land verändert haben. Weite Landstriche an der Ostseeküste sind im Wasser verschwunden, Berlin ist nur noch eine Touristenattraktion, während die Regierung ihren Sitz längst in die Megacity Frankfurt am Main verlegt hat. Zehn Millionen Menschen leben hier, die Universität ist die größte Europas und das staatliche Überwachungssystem womöglich auch.

Liina arbeitet für eines der wenigen unabhängigen Nachrichtenportale Gallus als Rechercheurin, die den Faktencheck staatlichen Medien gegenüberstellen. Ihr Chef Yassin schickt sie in die Uckermark, wo ein Schakal eine Frau totgebissen haben soll. Besagter Schakal entpuppt sich schnell als Fuchs, die Leiche der Frau kam umgehend in die Rechtsmedizin und die Leiterin des örtlichen Gesundheitszentrums raunt Liina beim Abschied zu, dass es die tote Frau nie gegeben habe. Zurück in Frankfurt erfährt Liina, dass Yassin im Koma liegt. Er sprang vor einen Zug oder wurde vor diesen gestoßen, die Überwachungskameras liefern keine eindeutigen Bilder. Fast gleichzeitig wurde eine kritische Journalistin ermordet, die mit Yassin an einer großen Story arbeitete.

„Wir haben ein Herz für Sie. Deshalb haben wir auf die Verlegung zu uns gedrängt.“

„Sie haben ein Spenderherz? Aber gerade haben Sie doch noch gesagt … Worauf warten wir noch?“

„Kein Spenderherz. Ihr eigenes Herz. Aus ihren Stammzellen.“

Eine heiße Spur führt direkt in das Gesundheitsministerium, welches Liinas alte Schulfreundin Simona Arendt leitet. Weitere Todesfälle tauchen auf und Liina muss zu ihrem Entsetzen erkennen, dass sie selbst im Mittelpunkt der Ereignisse steht. Wenn sie doch nur wüsste wie? Ob es an ihrem Spenderherz liegt?

Preisgekrönter SciFi-Thriller

Zoë Beck, mit zahlreichen Auszeichnungen hochdekorierte Autorin, legt mit „Paradise City“ (u. a. Deutscher Krimipreis 2020) einen Science-Fiction-Thriller vor, der in einer womöglich nicht allzu fernen Zukunft spielt. Es gibt jene Menschen, die „im System“ leben, wo eine Gesundheits-App namens KOS dafür sorgt, dass es ihnen gut geht. Es prüft Vitalfunktionen, weist einen auf die Einnahme von Medikamenten hin und löst gegebenenfalls Alarm aus; was will man mehr? Allerdings gibt es dieses System nur für die Menschen in der Stadt, die, sobald sie auf die Straße treten, überwacht werden. Es sei denn, sie aktivieren einen Videoblocker, womit sie sich jedoch erst recht verdächtig machen. Denn wer nichts zu verbergen hat … ist klar. Bahnen verkehren rund um die Uhr, individuelle Fortbewegung mit eMobilen, vor langer Zeit als Autos bekannt, sind in Innenstädten nicht erlaubt.

Sie sagt Gefängnis, und wahrscheinlich sagen das alle älteren Menschen. Die Regierung nennt es Integrationsunterbringung.

Liina war zu Unizeiten einst mit Yassin zusammen, es kam zur Trennung und einem längeren Aufenthalt in Finnland. Zurück in Frankfurt und bei Gallus kam man sich wieder näher und so fürchtet Liina nicht nur um das Leben ihres Geliebten, sondern auch um den Vater ihres ungeborenen Kindes, wovon dieser allerdings nichts ahnt. Seine Frau hingegen ahnt nicht nur, sondern weiß von der Beziehung, doch für die tödlichen Ereignisse sind ganz andere Leute verantwortlich.

„Paradise City“ ist der maximal mögliche Widerspruch, denn es geht – nicht nur – um staatliche Euthanasie. Wer darf weiterleben? Nur die Gesunden werden von KOS unterstützt, was zunehmend für Liina ein Problem wird. „Survival of the Fittest“, Darwin lässt grüßen. Insgesamt ist der Ausblick in die – hoffentlich sehr ferne – Zukunft mehr als düster, wobei die totale Überwachung nicht einmal das Schlimmste ist. Spannende Science-Fiction, die erschreckende Parallelen zur Gegenwart erkennen lässt, und ein ebensolcher Thriller treffen aufeinander. Am Ende, das sei verraten, siegen oder verlieren – spoilern wollen wir dann doch nicht – die Algorithmen. Wer sind schon wir Menschen?

  • Autorin: Zoë Beck
  • Titel: Paradise City
  • Verlag: Suhrkamp
  • Umfang: 280 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: August 2021
  • ISBN: 978-3-518-47157-9
  • Produktseite

Wertung: 13/15 dpt

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