
Mit einem Anruf der Polizei verschiebt sich Brittas Leben schlagartig. Ihre Mutter Margit wurde verwirrt aufgegriffen. Als einzige Angehörige muss Britta sich nun um die Demenzkranke kümmern. Also reist sie nach München und zieht vorübergehend wieder ins ungeliebte Elternhaus ein. Die Beziehung zur Mutter war nie gut, seit Jahren haben sich die beiden nicht mehr gesehen.
Kaufmann nimmt die Konstellation der gestörten Mutter-Tochter-Beziehung zum Ausgangspunkt für einen Familienroman, der drei Generationen umfasst.
Mit Margits Mutter Elisabeth nimmt alles seinen Anfang. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend zieht sie, frisch verheiratet, mit ihrem Mann Karl nach München in der Hoffnung um sozialen Aufstieg. Mit der Machtergreifung 1933 verändert sich das Leben des jungen Paares. Während Karl sich der SA anschließt und Karriere macht, distanziert sich Elisabeth immer mehr von der Ideologie der neuen Machthaber. Sie geht eine Beziehung ein mit David Goldmann, einem jungen jüdischen Arzt, und wird schwanger.
Kaufmann wechselt zwischen der Geschichte von Britta, die sich plötzlich mit einem Strudel von Problemen konfrontiert sieht, die die Pflege ihrer demenzkranken Mutter aufwerfen, und der Geschichte von Elisabeth und ihrer Tochter Margit vor dem historischen Hintergrund des Dritten Reiches und der Nachkriegsjahre.
Jeder dieser beiden Handlungsfäden böte für sich allein genug Inhalt für einen eigenen Roman, doch Kaufmann verwendet sie, um ihre beiden Zeitebenen miteinander zu verbinden. Dabei wird das titelgebende Haus der Goldmanns zum zentralen Ort der Erinnerung.
Kaufmann gelingt es absolut souverän ihre verschiedenen Themen in einen Roman zu packen, ohne dabei den Faden zu verlieren.
Übersichtlich und ruhig – an manchen Stellen vielleicht einen Tick zu ruhig – führt sie durch die Handlung. Die Wechsel von einer zu anderen Zeitebene erzeugen kleine Cliffhanger, um die Spannung zu schüren. Auf große Effekte verzichtet die Autorin allerdings. Sie setzt auf das Alltagsleben ihrer Protagonistinnen vor dem Spiegel der jeweiligen Zeit.
Familiengeschichte wird zum Echo-Raum der „großen“ Geschichte. In der Vorhersehbarkeit der Ereignisse bildet sich das Verständnis ab, welches vor allem die Nachkriegsjahre dominierte. Die erlittenen Traumata waren quasi Allgemeingut, ihre Verdrängung ein kollektiver gesellschaftlicher Akt.
Kaufmann schildert nachvollziehbar, wie sich Verhaltensmuster aus der Zeit des Dritten Reiches bis in die Neuzeit vererbten und bis heute wirken. Kaufmanns gefälliger Stil öffnet einem breiten Publikum die Tür. Trotz der Schwere der Themen lesen sich die knapp 350 Seiten mühelos, ohne das Gewicht vergessen zu lassen, welches die Protagonistinnen trugen und tragen.
Fazit: Gelungene Erinnerungskultur zwischen zwei Buchdeckeln.
- Autorin: Claudia Kaufmann
- Titel: Das Haus der Goldmanns
- Verlag: Ultraviolett Verlag
- Erschienen: März 2025
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 348 Seiten
- ISBN: 978-3968870328

Wertung: 12/15 dpt







