Susanne Tägder – Das Schweigen des Wassers (Buch)

Mordermittlung in den Wendejahren

Herbst 1991. Hauptkommissar Arno Groth wäre bei der Polizei in Hamburg fast rausgeflogen und soll nun als Aufbauhelfer Ost in dem kleinen Städtchen Wechtershagen, wo er einst zur Schule ging, ermitteln und in der Polizeischule Pasewalk in westdeutscher Polizeiarbeit unterrichten. Sein neues Büro liegt im Erdgeschoss, an dessen Fenster er kurz vor Wochenende von einem scheinbar alkoholisierten Obdachlosen angesprochen wird. Dieser fühlt sich bedroht, kann jedoch keine konkreten Hinweise geben. Am darauffolgenden Montagmorgen gibt es einen Leichenfund am Wechtseeufer und Groth erkennt den Mann wieder. Es ist der Bootsverleiher Siegmar Eck, der nicht nur als Alkoholiker, sondern auch als guter Schwimmer bekannt war. Jetzt soll er ertrunken sein und die Obduktion ergibt keine Hinweise auf Fremdeinwirkung.

Groth und sein neuer Kollege Gerstacker nehmen die Ermittlungen auf, müssen sich dabei aber erst aneinander gewöhnen. Hier der Westler, der irgendetwas verbockt haben muss, dort der Ostler, der auf einer Abschussliste steht, da er früher Kontakte zur Stasi hatte. Gerstacker weist Groth darauf hin, dass Eck kein Unbekannter ist, denn er war in dem Mordfall Jutta Timm aus dem Mai 1980 der Hauptverdächtige. Es gab ein Geständnis, allerdings auch zahlreiche Zeugen, die ihm ein Alibi gaben. Nach seinem Freispruch verschwanden zunächst die Akten, dann wurde der Fall eingestellt.

„Drei Ermittler, die Eck damals befragt haben, und alle sind nicht mehr im Dienst?“

„Wenn Lorenz recht hat, sind sie freiwillig ausgeschieden.“

„Damals war nichts freiwillig.“

Im Rahmen der Ermittlungen treffen Groth und Gerstacker wiederholt auf eine junge Frau namens Regine Schadow, die seit einem halben Jahr in dem am Seeufer gelegenen Ausflugslokal arbeitet. Sie hatte ein auffälliges Interesse an Eck, verweigert aber die Mitarbeit, was sie mit anderen Personen gemein hat. Schlechte Erfahrungen mit der Polizei aus der jüngeren Vergangenheit haben ihre Spuren deutlich hinterlassen. Dies und die Trauer um die verstorbene Tochter führen dazu, dass Groth zunächst einige Fehler respektive Versäumnisse unterlaufen.  

Ruhiger, aber packender Gesellschafts- und Kriminalroman

„Das Schweigen des Wassers“ ist, es sei hervorgehoben, ein Debütroman, der in eben jener Kategorie auf der Nominierungsliste für den Glauser 2025 stand. Der Nachfolger „Die Farbe des Schattens“ ist im September 2025 erschienen und setzt die Serie um Arno Groth fort, was, um es vorwegzunehmen, eine gute Nachricht ist. Susanne Tägder erzählt einen spannenden Kriminalfall, der genau genommen aus zwei Fällen besteht, und in dem fiktiven Wechtershagen spielt. Es ist nicht nur ein Kriminal-, sondern auch ein Gesellschaftsroman, der die Atmosphäre der Wendejahre gekonnt wiedergibt. Wie zu DDR-Zeiten hält man sich bei polizeilichen Ermittlungen zurück, bleibt lieber hinter dem inzwischen nicht mehr eisernen Vorhang und damit in vermeintlicher Sicherheit.

Groth und Gerstacker, die beiden Protagonisten, haben ihre dunklen Flecken, die es womöglich im zweiten Band näher zu beleuchten gilt. Fest steht, beide gewöhnen sich nur langsam aneinander, da zunächst das auf Gegenseitigkeit beruhende Misstrauen überwiegt. Der Tod von Groths Tochter wirkt durchgehend im Hintergrund mit, was es damit auf sich hat, wird aber erst auf den letzten Seiten erläutert. Von einem Unfall wird die Rede sein. Ihre Geheimnisse haben zudem das Opfer Eck, der damals von der Stasi brutal verhört und erst ein Jahr nach dem Mord angeklagt wurde, und besagte Regine, bei der sich gleich mehrere Fragen stellen. Zum Beispiel, warum sie aus dem berühmten Berliner Hotel Kempinski in das Ausfluglokal in Wechtershagen wechselte? Angeblich, um die Wohnung der Großmutter aufzulösen. Schnell steht fest, dass sie wiederholt Kontakt zu Eck hatte, was sie natürlich verdächtig macht.

Susanne Tägder erzählt ihre Geschichte ruhig, verzichtet auf allzu stereotype West-Ost-Vorurteile, die schon Gegenstand zahlreicher Romane waren. Die Erzählweise ist meist lakonisch und bietet ein literarisch ansprechendes Lesevergnügen. Der Krimiplot liefert Spannung bis zum Schluss, wobei das Ende ebenso konsequent wie ungewöhnlich ist. Schweigen sollte man, anders als einige Figuren in diesem vorzüglichen Roman, über „Das Schweigen des Wassers“ indes nicht: Klarer Tipp!

  • Autorin: Susanne Tägder
  • Titel: Das Schweigen des Wassers
  • Verlag: Tropen
  • Umfang: 336 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: März 2024
  • ISBN: 978-3-608-50194-0
  • Produktseite

Wertung: 12/15 dpt

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