Gillian Flynn – Gone Girl – Das perfekte Opfer (Hörbuch, gelesen von Christiane Paul und Matthias Koeberlin)


Gillian Flynn - Gone Girl Hörbuch Cover © argon Verlag Die Ehe des arbeitslos gewordenen Journalisten-Ehepaars Nick Dunne und Amy Elliott Dunne, welches Nicks sehr kranker Mutter zuliebe nach North Carthage in Missouri gezogen war, schien anfangs noch eine gute gewesen zu sein, doch während der letzten fünf Jahre wurde das Band zwischen den beiden immer spröder. Um wenigstens ein paar Dollar auf dem Konto zu haben, ackert Nick mit seiner Zwillingsschwester Margo in deren gemeinsamer Bar. Finanziert wurde die Bar ursprünglich durch einen Trustfonds von Amys Eltern, die die früher einmal sehr erfolgreiche Kinderbuchserie “Amazing Amy” starteten, doch mittlerweile bewegt sich die Erfolgskurve in Richtung eines hoffnungslosen Sturzflugs – und die Reserven, von denen das Ehepaar zehrt, drohen sich in ein großes Nichts aufzulösen.

Am Morgen ihres fünften Hochzeitstags ist die neununddreißigjährige Amy plötzlich verschwunden. Spurlos. Einfach weg. Erwartungsgemäß schnell gerät der fünf Jahre jüngere Ehemann ins Visier der Ermittlungen und muss als Hauptverdächtiger den Kopf aus der immer enger werdenden investigativen Schlinge ziehen. Da einige von Amys Freunden behaupten, sie habe Angst vor ihm gehabt und sich auch belastende Beweise gegen Nick häufen, wird er Schritt für Schritt von den Medien sowie den Ermittlern Gilpin und Boney zermürbt. Letztendlich gilt er, Nick Dunne, als das Schwein, das seine Frau umgebracht hat. Nick selbst steht vor einem unlösbar erscheinenden Rätsel und versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Wie ist sie verschwunden? Hat sie einfach nur die Flucht ergriffen und ist untergetaucht? Oder wurde sie vielleicht entführt? Es wird nicht einfach für Nick, seine Unschuld zu beweisen – wenn er denn wirklich unschuldig ist. Und so fragt man sich bald: Wem kann man nun vertrauen?

Dass dieserPsychothriller laut Bookletinformationen über zweieinhalb Millionen mal allein als Hardcoverausgabe verkauft wurde, spricht einerseits für einen großen Hype, andererseits allerdings ausnahmsweise auch mal für die gebotene Qualität, die einen solchen Hype auch rechtfertigt. Die US-Autorin Gillian Flynn lässt die beiden Protagonisten Nick und Amy jeweils abwechselnd aus der Egoperspektive erzählen, und so lernt der Leser – oder in diesem Fall Hörer – beide Figuren Stück für Stück besser kennen.

Oder meint, sie besser kennen zu lernen, denn Flynn gelingt es virtuos, ständig falsche Fährten zu legen. Kaum meint man, verstanden zu haben, gibt es wieder einen Punkt, an dem sich die Meinung über die jeweilige Figur dramatisch dreht, sodass man sich nie sicher sein kann, wer denn nun Täter und wer Opfer ist. Das Spannende an alledem ist, dass sich weder zu Amy noch zu Nick wirkliche Sympathien entwickeln wollen, denn wenngleich sich die Situation beider nachvollziehen lässt, ist es immer wieder erstaunlich und beinahe abstoßend, wie diese beiden Charaktere damit umgehen. Wie die Autorin hier mit dem Verfolger der Story spielt, ist schlichtweg faszinierend: Wer ist denn nun der Psycho? Amy? Nick? Nick? Amy? Amynickamynicknickamy? Es ist schwindelerregend.

Beeindruckend bei diesem vierzehnstündigen Hörerlebnis ist zudem die emotionale Tiefe des Erzählten und die intensive und beklemmende Atmosphäre, die es ausstrahlt. Innerhalb weniger Minuten wird man von den Stimmen umhüllt und wähnt sich in einem Kopffilm, der sich irgendwo zwischen den eher psychologisch fundamentierten Folgen der TV-Serie “Criminal Minds” und dem Sophie McKenzie-Thriller “Seit du tot bist” befindet. Hat man einmal begonnen, “Gone Girl” zu hören, wirkt das Hörbuch gleich von Beginn an wie ein Strudel, ein Sog, beinahe wie ein Suchtmittel, denn kaum hat man es sich versehen, ist man bereits mittendrin im Geschehen und wird unruhig und unleidlich, wenn man nicht weiß, wie der weitere Verlauf der Story sein mag. Unbedingt möchte man Gewissheit, was nun tatsächlich geschehen ist und wer sich denn nun als die wahrhaftig Niederträchtige Person entpuppt.

Den beiden Charakteren hat man mit Schauspieler Matthias Koeberlin (beispielsweise auch Sprecher von Andreas Eschbachs “Herr aller Dinge”-Hörbuch) mit seiner rau-weichen, manchmal Ruhe ausstrahlenden und dann doch wieder Schwärze in sich tragenden Stimme sowie mit der filmisch sehr aktiven und auch als Hörbuchsprecherin nicht weniger engagierten Christiane Paul mit ihrer sehr individuell geprägten Klangfarbe äußerst passende Vorleser gefunden, die das Ganze authentisch und realistisch wirken lassen.

Sucht man nach einem Haar in der Suppe, so findet man dies im Grunde schlimmstenfalls in Form der Englischaussprache von Christiane Paul, die das “th” überwiegend wie ein deutsches “s” ausspricht, was gerade denen, die unter starker Denglischallergie leiden, durchaus ein genervtes Schnauben entlocken könnte. Doch in der Summe ist dies lediglich als kleiner Schönheitsfehler zu verbuchen, der zu irrelevant ist, als dass er das Gesamtbild verzerren würde.

Eines der bislang besten Hörbücher des Jahres 2013.

Cover © argon Verlag

  • Autor: Gillian Flynn
  • Titel: Gone Girl – Das perfekte Opfer
  • Originaltitel: Gone Girl
  • Übersetzerin: Christine Strüh
  • Label: argon Verlag
  • Erschienen: 22.08.2013
  • Sprecher: Christiane Paul, Matthias Koeberlin
  • Spielzeit: 14 Stunden, 2 Minuten auf 2 mp3-CDs
  • ISBN: 978-3-83981-251-8
  • Sonstige Informationen:
    Buch erschien bei S. Fischer Verlage
    Autorisierte Lesefassung
    Produktseite mit Hörproben und Kaufmöglichkeiten

Wertung: 13/15 dpt


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