Über den mehrfach verfilmten Literaturklassiker von Victor Hugo muss man eigentlich nicht mehr viel sagen, doch ein kurzer Abriss der Filmhandlung sollte deswegen nicht ausgelassen werden: Im Paris des fünfzehnten Jahrhunderts verzaubert die schöne Zigeunerin Esmeralda (Gina Lollobrigida) zahlreiche Männer auf dem “Fest der Narren” mit ihren Gesängen und Tänzen, und auch Quasimodo (Anthony Quinn), der schwer entstellte Glöckner der imposanten Kathedrale Notre-Dame de Paris, ist völlig hingerissen von der feurigen, dunkel gelockten Dame. Doch auch Erzdiakon Claude Frollo (Alain Cuny) verliebt sich in Esmeralda und verlangt vom allseits verspotteten Quasimodo, sie zu ihm zu bringen. Esmeralda ist im Glauben, man wolle sie entführen, und auch die Wachen verstehen das so und nehmen den Glöckner vorerst gefangen, während sich der Geistliche Frollo aus dem Staub macht. Esmeralda hingegen fühlt sich eher zu einem ihrer Beschützer, Phoebus de Chateaupers (Jean Danet), hingezogen. Claude Frollo versucht durch einen perfiden Plan, Esmeralda einen Mord anzuhängen. Sie soll daraufhin den Tod am Strick sterben, doch Quasimodo erkennt die Ungerechtigkeit und versucht ihr zu helfen.
Im Gegensatz zu manch anderer audiovisueller Version befindet sich diese aus dem Jahr 1956 stammende Verfilmung, die erst jetzt auch auf DVD das Licht der Welt erblickt, sehr nahe an der Romanvorlage, und vor allem die offene Kritik an der Kirche und deren Dekadenz, Zügellosigkeit und Demonstration von Macht, gerne auch durch Missbrauch selbiger, wird hier – gar unüblich für die Entstehungszeit des Films – ungeschönt angebracht, was seinerzeit ein schwieriges Unterfangen war, weil man hier enormes Durchsetzungsvermögen beweisen musste, da von einigen Seiten verlangt wurde, die kirchenkritischen Elemente abzumildern oder gar außen vor zu lassen.
Was zuerst bei diesem nachträglich aufwändig kolorierten Schwarz-Weiß-Film auffällt, ist die detailreiche Kulisse und die imposante Kostümierung der Darsteller, welche allesamt eine tolle Leistung darboten, wenngleich ein deutlicher Theaterfaktor unleugbar ist. Gerade an letzteren muss man sich doch eine ganze Weile gewöhnen, wobei bei der deutschen Synchronisation, die wie der Film selbst fast sechzig Jahre zurückliegt, hinzukommt, dass diese recht blechern tönt und die Synchronsprecher überwiegend sehr lautstark in ihre Mikrofone sprachen, ja beinahe schrien, wodurch der Theatereindruck in dieser Fassung noch etwas verstärkt wird – dieses Angeschrienwerden bedarf doch sehr einer kurzen akustischen Akklimatisierung, bis man es nicht mehr als störend empfindet.
Leider wird Esmeralda vom damaligen Herzstolperstein Gina Lollobrigida ein wenig eindimensional verkörpert, und bei der Darstellung Quasimodos wurde der Fokus, wenngleich Anthony Quinn seine Rolle mehr als nur beeindruckend mimte, ein wenig zu sehr auf ihn als “Freak” gerichtet – und beides geht durchaus auf Kosten der Emotionen, die man hier deutlich besser hätte nach außen kehren können – doch da kann man den Darstellern kaum einen Strick (sic!) daraus drehen, denn hinter einer Produktion stehen letztendlich auch noch ein Regisseur sowie Drehbuchautoren, die diejenigen vor der Kamera in ihrem Agieren leiten.
Dennoch sind diese Kritikpunkte nicht derart gravierend, dass der Film womöglich in die Belanglosigkeit hinabstürzt, denn zahlreiche andere Details sowie das hohe Gesamtniveau lassen das 1956er Werk, wenn man sich obendrein die technischen Möglichkeiten jener Zeit mal vor Augen führt, klar überdurchschnittlich in der Geschichte der Literaturverfilmungen dastehen – speziell auch deswegen, weil sämtliche Coprotagonisten und Nebendarsteller von Schauspielern dargestellt wurden, die vor allem mit einem glänzten: Mit Glaubwürdigkeit.
Es mag vielleicht gerade nicht so ganz zum Film passen, doch den Verfasser dieser Zeilen bedrückte beim Genuss des Films ein quälender Gedanke, denn eigentlich ist es doch erschreckend: Seinerzeit wurden Figuren wie Quasimodo geächtet, verspottet und nach allen Regeln der Kunst gepiesackt, heute sitzen sie bei Günter Jauch im Studio und werden in bester “positiv-diskriminierender” Manier vorgeführt. Auch nach rund siebenhundert Jahren hat die Menschheit nicht viel gelernt, denn: Man kann die Würde eines Menschen auch mit Plüschpantoffeln treten…
Cover und Szenenbilder © Arthaus
- Titel: Der Glöckner von Notre-Dame
- Originaltitel: Notre Dame de Paris
- Produktionsland und -jahr: Frankreich, Italien 1956
- Genre:
Historienfilm, Literaturverfilmung, Drama
- Erschienen: 23.11.2013
- Label: Arthaus
- Spielzeit:
115 Minuten auf DVD - Darsteller:
Gina Lollobrigida
Anthony Quinn
Jean Danet
Alain Cuny
Robert Hirsch
Danielle Dumont
Philippe Clay
Maurice Sarfati
Jean Tissier
Valentine Tessier
Jacques Hilling
Jacques Dufilho
Roger Blin
Marianne Oswald
Roland Bailly - Regie: Jean Delannoy
- Drehbuch:
Jean Aurenche
Jacques Prévert - Produktion:
Raymond Hakim
Robert Hakim - Musik:
Georges Auric
Angelo Francesco Lavagnino - Kamera: Michel Kelber
- Schnitt: Henri Taverna
- Extras:
Trailer
Wendecover
- Technische Details (DVD)
Bild: 2,35:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (Stereo DD), Französisch (Mono DD)
Untertitel: Deutsch - FSK: 12
- Sonstige Informationen:
Produktseite
Wertung: 10/15 dpt