Nils Mohl – Birth. School. Work. Death. (Buch)


Nils Mohl - Birth. School. Work. Death. (Buch) eBook Cover © rowohltInhaltlich und chronologisch unabhängig voneinander lassen sich die dem 2009er Sammelwerk “Ich wäre tendenziell für ein Happy End” entnommenen Kurzgeschichtensammlungen in Form dreier E-Books genießen. “Birth. School. Work. Death.” ist mit einundvierzig Seiten das umfangreichste davon.

Eröffnet wird der Viergeschichter mit der Story “Stadtrand Kuss Tier“, in welcher der Leser den Familienvater M. zuerst dabei erlebt, wie er – ganz Alltagsroutine – von der Arbeit nach Hause kommt. Er fasst an diesem spätsommerlichen Abend den Entschluss, seinen diesjährigen Geburtstag mal wieder mit einem richtigen, großen Fest zu feiern. Und  damit erst gar nichts aufgeschoben wird, beginnt er umgehend damit, die Haustüren der Nachbarschaft abzuklappern und jeden einzelnen einzuladen. Sehr bald artet die Einladungsreise zu einem sonderbaren Roadmovie zu Fuß, einem Sidewalkmovie, aus.

Bei dieser Geschichte wird man als Leser vor die Frage gestellt: Ist M.s Tag sonderbar? Oder ist er es selbst? Oder nehmen die Dinge einfach nur ihren Lauf?

Ebenso wird man auch bei “Zwischen Fort Knox und G-Punkt, irgendwo” in der Luft hängen gelassen. Ein namenloser Protagonist, der an seinem Notebook nicht mit der Arbeit vorankommt, schweift ab. Er soll ein Online-Gewinnspiel für eine Luxushandtasche erstellen, mit Quiz, und hierfür bekommt er auch Fotos von jungen Frauen geschickt, die er einbinden soll. Fast einem Tagtraum ähnelnd, ereignet sich eine komplizierte, zuweilen prickelnde Ereigniskette mit der nicht unattraktiven Mia-Marie. Hier gelingt es Mohl, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion derart verschwimmen zu lassen, dass auch nach der Lektüre ein schwerelos erscheinendes Fragezeichen über dem Kopf durch die Lüfte wiegt.

Ein Countdown ist der zentrale Punkt in “Entropische Anomie“, und immer wieder redet der Ich-Erzähler von einer Phrase, die er hört: “Ein rotes Kabel, ein blaues Kabel”… Er irrt durch eine Wohnung und begegnet zahlreichen anderen Menschen. Fühlt sich fremd. Wird kaum wahrgenommen. Bewegt sich gemeinsam mit den anderen auf den Punkt zu, der Punkt bewegt sich auf sie alle zu. Und der Namenlose irrt umher. Sucht. Findet? Wird gefunden? Wird gesucht? Wartet… ähnlich wie der Leser, der das auf sich zukommen lässt, was der Autor sich für die 00:00:00 ausgedacht haben mag…

Das finale Mini-Epos “Birth. School. Work. Death.” beschließt diesen Mini-Sammelband mit der wohl stärksten Short Story. Ein Pilot springt eines Abends aus einer Cessna 172 und rast unaufhaltsam auf den Erdboden zu. Am selben Abend liegt der Landwirt Peter M. im Bett und träumt davon , dass schweinsköpfige Aliens seinen Hof überfallen und ihn misshandeln, während im Kopf seiner Frau Lieselotte langsam gewisse Gedanken reifen. Sportartikelvertreter Kurt P. wiederum plagen an diesem Abend einmal mehr Selbstmordgedanken, und endlich will er es wahr machen und den letzten Schritt gehen, während der Polizist Heiner T. und seine Frau Karin ihre eigene Art des horizontalen Beisammenseins ausüben. Die Schülerin Friederike hingegen ist extrem scharf auf ihren Mitschüler Lars und möchte ihn an jenem Abend endlich verführen. Jörg H., Fernfahrer, stellt zu gleichtägiger später Stunde fest, dass er seinen Auftrag verbockt hat. Die Art, wie Nils Mohl hier individuell erscheinende Geschichten aufeinanderprallen lässt, ist fast filmreif, und als Leser darf man gespannt sein auf die heftige Kollision – und all die Scherben aufsammeln, die nun quer über die Straßen des Gehirns verstreut liegen…

Auch vor vielen Jahren wusste der Autor, wie man mit simpler und gehaltvoller Sprache und einer ganz eigenen, individuellen Form des Erzählens, weit weg vom literarischen Mainstream, einen Sogeffekt erzeugen kann. Zwar zeichnet Mohl präzise Konturen, doch letztendlich ist es dem Leser überlassen, mit welchen Farben er die Flächen ausmalt – und diese Aufgabe ist schlichtweg voller Spannung – vor allem aber herausfordernd.

Cover © rowohlt

  • Autor: Nils Mohl
  • Titel: Birth. School. Work. Death.
  • Kurzgeschichten:
    • Stadtrand Kuss Tier
    • Zwischen Fort Knox und G-Punkt, irgendwo
    • Entropische Anomie
    • Birth. School. Work. Death
  • Verlag: rowohlt
  • Erschienen: 01.10.2013
  • Einband: Art des Einbands
  • Seiten: 41
  • ISBN: 978-3-644-51801-8
  • Sonstige Informationen:
    Ausschließlich als E-Book erhältlich
    Produktseite beim Verlag
    Diese Kurzgeschichten stammen ursprünglich

    aus “Ich wäre tendenziell für ein Happy End”
    (Plöttner Verlag), einer Sammlung von
    zwölf Kurzgeschichten.
    Je vier dieser Kurzgeschichten wurden jeweils
    zu einem Paket in E-Book-Form zusammengefasst:

    • “Schön, dass du da warst”
    • “Von den Elefanten sprechen wir später”
    • “Birth. School. Work. Death”

Wertung: 13/15 dpt


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