Frank Goosen – Raketenmänner (Hörbuch, Autorenlesung)


Frank Goosen - Raketenmänner (Hörbuch) Cover © ROOF Music Seit seinem 2000er Romandebüt “Liegen lernen” veröffentlicht der sympathische Bochumer Frank Goosen, einst mit Jochen Malmsheimer das Kabarettduo Tresenlesen bildend, in aller Verlässlichkeit Romane und Erzählungen. Während zahlreiche seiner Werke thematisch lokalromantisch in und um Bochum angesiedelt sind, drehen sich andere um Fußball. Doch auch in einer weiteren Disziplin zeigt sich Goosen als äußerst schreibgewandt: Im Zwischenmenschlichen.

Nachdem “Sommerfest” in genau jener literarischen Ecke eine rührende Story mit viel Heimweh war, erzählt der Autor in “Raketenmänner” sechzehn lose miteinander verbundene, im selben Miniuniversum spielende Geschichten über Männer verschiedenen Alters, die an einem Punkt in ihrem Leben angelangt sind, in welchem sie die Lunte neu zu zünden versuchen, um ihre persönliche Lebensrakete in eine Umlaufbahn zu schicken, in der sie sich wohler fühlen – oder wohlzufühlen glauben.

Während der eigentlich menschenscheue Frohnberg in seiner Firma den Boss markieren muss und sich bei vielen Gelegenheiten lieber in sein Baumhaus verkrümelt, um dort von einem Haus am Meer zu träumen, versucht der Mittfünfziger Journalist Kamerke, seiner Frau eins auszuwischen, indem er sie endlich auch mal betrügt – doch das ist leichter gesagt als getan. Der rockende PianistWolff hingegen, mittlerweile sehr krank, gibt seinen nostalgischen Gefühlen nach und findet wieder zu seinem früheren Ich, bevor er Nägel mit Köpfen macht.

Dann wäre da noch Ritter, der an ein Mädchen gerät, welches ihm ein gefälschtes U-Bahn-Ticket vertickt – der Mann ist wie elektrisiert von dieser jungen Frau und merkt nicht, dass er sich durch sie immer tiefer in Probleme hineinreitet; oder etwa der etwas jüngere Wenzel, der das Geld seines Großpapas nicht etwa sinnvoll anlegt, sondern es für ein völlig unrentables Schallplattengeschäft, das bestenfalls als Knutschbude dient, verpulvert. Kobusch wiederum weiß genau, dass der Arzt, der ihm den Finger zum Abtasten der Prostata in den Hintern steckt, ein Verhältnis mit seiner Frau hat… Weitere Akteure in dieser Geschichtensammlung: Sabbo, der nach vier Dekaden wieder nach Deutschland zurückkehrt und auch so lange seinen Vater nicht mehr gesehen hat, Overbeck, dessen erste Liebe ihm, wie er findet, noch Antworten schuldet sowie Turbo Krupke, der einen merkwürdigen Anruf erhält…

All diese Geschichten, mitten aus dem Leben, bergen eine ureigene Herzenswärme in sich, und wenngleich all diese Männer, die sich in persönlichen Krisen befinden, ihre Eigenarten, Macken, Kanten und Ecken haben, entwickelt man eine gewisse Sympathie zu all den Figuren, da Goosen ihnen nicht nur ein starkes Profil auf den Leib geschrieben hat, sondern dieses Menschelnde auch den schwierigsten Charakteren verleiht – und das ist etwas, was ohnehin sehr typisch für den 1966 den mütterlichen Katakomben entschlüpften Schriftsteller ist.

In “Raketenmänner” geht es zwar auch, aber generell weniger um das Ziel, sondern vielmehr um den Weg oder das Finden des Weges, und hierbei gelingt es Frank Goosen hervorragend, einen bestens austarierten Mix aus Melancholie, Komik, Tragik und einer ganz individuellen Form der Philosophie zusammenzubrauen. Man liest/hört diese Erzählungen nicht einfach nur visuell und verarbeitet sie im Kopf – sie fließen auch durch das Herz, das immer wieder von wohliger Wärme erfüllt wird.

Wie üblich lässt es sich Goosen nicht nehmen, auch dieses Werk einmal mehr persönlich als Hörbuch zu lesen. Die angenehm untheatralische Vortragsweise, die unmittelbare Nähe zu seinem Geschriebenen und ebenjene Herzenswärme sind schlichtweg Gold wert – denn als Hörer fühlt man sich stets willkommen im Universum der Raketenmänner und begleitet sie alle nur zu gern bei ihren so lebensecht wirkenden (Irr-)Flügen quer durch den Kosmos des Lebens.

Cover © ROOF Music/tacheles!

Wertung: 12/15 dpt


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