Unter dem Label “Weltmusik” verbindet sich heutzutage sehr viel – seine Geschichte reicht in die 1960er Jahre zurück, als amerikanische Jazzmusiker auf musikalischem Wege ihre afrikanischen Wurzeln zu ergründen versuchten. Bis in die 1990er Jahre fristete die Weltmusik ein Nischendasein – gefeiert von Feuilletonisten und kritisch-intellektuellem Fachpublikum. Inzwischen findet man in der Weltmusik vielfältige musikalische Einflüsse, besonders groovigen Unza-Bläsersound vom Balkan in Verbindung mit Discorhythmen bis hin zu Punk, der Mischung südamerikanischer Einflüsse mit Hiphop oder die in Frankreich beheimate Mixtur aus arabischen Einflüssen mit Chanson und Rock. Heute wird einem sogar eine heuchlerische Pseudofolklore aus der Hitparade à la Waka Waka als Weltmusik serviert.
So unterschiedlich diese Musik in ihrer Qualität auch ist, wirklich Neues und Überraschendes findet sich selten.
Das Lao Xao Trio aus Dresden stellt mit seinem Debüt-Album “Upon tree Đa” eine überraschende Ausnahme dar. Die Mischung aus vietnamesischen Volksliedern und westlichen Musiktraditionen ist eigentlich Weltmusik im klassischen Sinne, und dennoch etwas Neues. Es mag daran liegen, dass besonders asiatische Musik für westliche Hörer noch größtenteils unerschlossen ist, zu gering ist wohl der kulturelle Austausch bisher gewesen. Sowohl die Musik selbst ist ungewöhnlich und ungewohnt, als auch die Interpretation, die in ihrer Instrumentierung, bestehend aus Cello und Gitarre, nicht unbedingt das Rad neu erfindet, aber durch die Spielweise der Musiker Stefan Wehrenpfennig (git) und Diethard Krause (vc) einen neuen Horizont eröffnet. Die Experimentierfreudigkeit der Musiker ist deutlich zu hören. Der Klangteppich, den die beiden ausrollen, bietet einen fruchtbaren Nährboden für den Gesang von Khanh Nguyễn, Tochter vietnamesischer Einwanderer, die sich in westlichen und östlichen Gesangstraditionen bestens auskennt. Interessant ist die Tatsache, dass in der vietnamesischen Sprache die Betonung den Sinn der Sprache ausmacht und dadurch allein der Text bereits eine Melodie vorgibt. Je nachdem wie die Melodie des Namens “Lao Xao” klingt, verbergen sich unterschiedliche Bedeutungen dahinter, es kann ein Knirschen und Rascheln sein oder ein Sausen und Raunen. Die Musik des Lao Xao Trios enthält all diese Klänge und vermischt sie (das Vermischen ist übrigens eine weitere Bedeutung von “Lao Xao”) zu einem weltmusikalischen Ereignis, das manchmal mehr Geräusch als Musik ist, aber nie beliebig klingt.
Die Lieder handeln, wie es Volksweisen meist tun, von der Liebe und ihren verschiedenen Facetten – der Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, der ersten romantischen Liebe bis hin zur geheimen, verbotenen Liebe. Und immer ist da der Bezug zur Natur, denn Liebe ist immer natürlich – irrational, wild und unvorhersehbar.
Wer des Vietnamesischen nicht mächtig ist, bekommt die englische und deutsche Übersetzung im Booklet mitgeliefert.
Das Album ist, um das Booklet zu zitieren, »spannend, verblüffend und manchmal auch verwirrend«. Diese Beschreibung trifft es sehr gut. “Upon tree Đa” ist besondere Musik, auf die man sich einlassen muss. Wenn man dazu bereit ist, trifft man auf eines der besten Alben der letzten Jahre.
2011 wurde das Lao Xao Trio mit dem “Creole-Weltmusikpreis-Mitteldeutschland” belohnt und wer sich “Upon tree Đa” anhört, weiß, dass es ein verdienter Sieg war.
Mehr davon!
Cover © Löwenzahn GmbH
- Interpret: Lao Xao Trio
- Titel: Upon tree Đa
- Label: Löwenzahn GmbH
- Erschienen: 2013
- Spielzeit: 44 Minuten auf 1 CD
- Sonstige Informationen:
Homepage des Trios
Wertung: 15/15 dpt
Lieber Diethard und MItstreiter,
Gratulation zu dieser CD – Kritik; Ihr habt sie wirklich redlich verdient !
Es grüßen Euch alle
die 3 Reineckes aus NB