Hugh Howey – Level (Buch)


Hugh Howey - Level (Buch)Tabula Rasa für fortgeschrittene Misanthropen                                                                   [über]   [mit]   [hinaus]

[über]   “Level” ist das zweite Buch der im Piper-Verlag als Trilogie erscheinenden Romanreihe “Silo” von Hugh Howey. Der amerikanische Autor feierte mit diesem dystopischen Zukunfts-Thriller in den USA bereits einen großen kommerziellen Erfolg. Bemerkenswert daran ist, dass Howey das quasi im Alleingang als Selfpublisher auf Amazons Ebook-Plattform erreicht hat. Sogar die Filmrechte wurden schon eingekauft und kein geringerer als Ridley Scott hat Interesse an dem Stoff angemeldet.

“Level” ist das Prequel zu “Silo” [Rezension auf booknerds.de]. Dem empfehlenswerten Vorgänger konnte man bereits positiv anmerken, kein gleichmachendes, nach neuesten neurologischen Erkenntnissen arbeitendes und von Illuminaten begleitetes Verlagslektorat durchlaufen zu haben. Ein klarer Punkt also für das Selfpublishing. Die Frage ist nun, wie sich “Level” so schlägt. Thrillt es? Unterhält es? Belehrt es? Versagt es vor dem Intellekt unterhaltungswilliger Massen?

Ende März gibt Piper mit “Exit” den Schlussstein der Romanreihe heraus. Spätestens nach der Lektüre von “Level” muss man wissen, wie’s weitergeht und holt sich den Schmöker ohnehin nach Hause, egal was die Rezension hier noch zu sagen hat.

[mit]   Inhaltlich setzt “Level” 300 Jahre vor den Ereignissen aus “Silo” an. Um 2050 herum ist die Welt oberflächlich betrachtet noch in Ordnung. Der gelernte Architekt und Kongressabgeordnete Donald Keene wird von seinem politischen Mäzen Senator Thurman gebeten, ein unterirdisches, bewohnbares Silo zu entwerfen, das sich autark mit Energie und Nahrung versorgen kann. Thurman realisiert Donalds Pläne mit unglaublichem Nachdruck und erstaunlichen Ressourcen, sodass am Ende fünfzig Silos bereitstehen, um die Menschen im Fall einer Nuklearkatastrophe zu retten. Und der Fallout folgt stehenden Fußes. Donalds misstrauischer und nachdenklicher Charakter wird dank Kryoschlaf mit mehrmaligen Unterbrechungen einige Jahrhunderte später zu den wahren Motiven Thurmans und seiner Mitstreiter vorstoßen.

Derweil erfährt der Leser über einen weit abgesteckten Zeitraum mehr über die Ereignisse in Silo 17, das bereits gegen Ende des ersten Buchs eine wichtige Rolle spielt. In Silo 17 hat sich nach etlichen Jahren der Isolation und dem Glauben, die einzigen Überlebenden der Menschheit zu sein, jene postapokalyptische Parallelgesellschaft entwickelt, die man aus dem ersten Teil und Silo 18 kennt. Eine eigene Silo-Kultur bildete sich aus. Die Menschen dort sind Meister der Wiederverwertung, es gibt eigene Berufsbilder, Rituale und Sprichwörter, eine eigene Währung und aus der Leserperspektive wirkt alles romantisch improvisiert und schön provisorisch.

Dort kommt es, wie in vielen anderen Silos auch, über Generationen hinweg immer wieder zu blutigen Revolutionen innerhalb der isolierten Gemeinschaft. Die Außenwelt und das Leben der Vergangenheit sind große Tabus in den Silos und dennoch – einige Menschen scheinen den Verlockungen nicht widerstehen zu können, obwohl das durch ein forciertes und mit Medikamenten induziertes Massen-Vergessen eigentlich hätte unterbunden werden sollen. Auch diesem Rätsel muss Donald auf den Grund gehen, der in Silo 1, dem Überwacher-Silo, für solche Krisensituationen zuständig ist.

[hinaus]   Es ist ja die romantische Inflation des Nippes, die diese postapokalyptischen Szenarien so reizvoll macht. Und im Gegensatz zum Vorgänger gelingt es Howey in “Level” noch etwas besser, die Lebenswelt der Silos einzufangen. Man merkt den Teilen jedoch kaum mehr den Selfpublisher-Charakter an, der in “Silo” noch deutlich vorhanden war. Howeys Sound ist clean, fast schon steril. Das war in “Silo” nicht anders, aber dort hat der Autor noch spürbar mit seinem Stoff experimentiert. In “Level” möchte man gelegentlich wuchernde, schmutzige, halbgare Metaphern in die Sätze stopfen, weil seitenweise nur Handlungen beschrieben werden und zwar so mager und präzise, dass den an sich sehr glaubwürdig gestalteten Charakteren das Fleisch von den Knochen fällt.

Zweite Teile schreiben ist zudem eine poetologische Tätigkeit ähnlich dem Bratwurstbraten auf dem Regionalsportplatz oder der Komposition einer fünfstimmigen Fuge. Das kann bei falscher Themenwahl auch mal nach hinten losgehen. Das Prequel “Level” erschafft aber ein gelungenes Spiel aus Relevanz und Redundanz, vor allem weil das Thema Wiederholung selbst einen interessanten Platz in der Geschichte bekommt. Dadurch gewinnt die gegen Ende richtig derbe, fast schon ins Horror-Genre abgleitende Spannung ausreichend Tiefenschärfe für denkwillige Leser und schreibfreudige, humanistisch gebildete Rezensenten: Traumatische Kollektiv-Erinnerung und gesellschaftliche Prägungen erscheinen in Hugh Howeys Dystopie als Motoren der ewigen, blutigen Wiederholung von Konflikten in der Menschheitsgeschichte. Deren Ziel ist lediglich das Hochrüsten bis zur Selbstauslöschung. Ein Misanthrop, wer so weit denkt. Ein fortgeschrittener Misanthrop, wer diesen Prozess dann auch noch mit weltweitem Tabula Rasa und Massenmord verhindern will. Aber vermutlich haben alle tödlich endenden Differenzen zunächst nur Gutes im Sinn gehabt. Wer sagt schon von sich, dass er Böses will, außer vielleicht ein  aufrichtiger Comic-Schurke.

Cover © Piper

  • Autor: Hugh Howey
  • Titel: Level
  • Teil/Band der Reihe: 2 von 3
  • Übersetzer: Gaby Wurster
  • Verlag: Piper
  • Erschienen: 08/2014
  • Einband: Hardcover mit Schutzumschlag
  • Seiten: 432
  • ISBN: 978-3-492-05647-2
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

    Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 12/15 dpt


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