Donal Ryans Roman “Die Sache mit dem Dezember” hat das Zeug zum Bestseller oder zumindest zum, na sagen wir einmal, Geheimtipp. Wie auch immer: dieser Roman ist ein ganz starkes, skurriles Stück Literatur von der grünen Insel Irland. Es ist das zweite Buch, genauer der zweite Roman, den Donal Ryan veröffentlicht hat. Der erste, “The Spinning Heart”, ist zwar noch nicht auf deutsch erschienen, der Diogenes Verlag hat dies jedoch bereits angekündigt. Widmen wir uns aber zunächst einmal dem zweiten Roman.
Das musste man sich mal vorstellen, dass das Leben eines Menschen ein solcher Scheißhaufen sein konnte, dass zu Brei geschlagen und blind zu sein das Beste war, was einem je passiert war. (S. 119)
Würde dieser Satz am Anfang eines Romanes stehen – seien wir ehrlich -, man würde kaum weiter lesen. Aber in der Mitte hat dieser eine ganz andere Wirkung und Bedeutung. Man hat ihn schon kennengelernt, diesen Johnsey Cunliffe, in einer Kleinstadt irgendwo in Irland lebend. Bei seinen Eltern fristet er sein Dasein. Und das ist eine Jugend, die man niemandem wünschen würde. Von den größeren Jungs wird er verprügelt (s. o., in seiner stärksten, späteren Form, zu Glück ohne Folgen). Der erste Discobesuch, mit den neuen Doc Martens an den Füßen, geht glorreich schief. Überhaupt, leicht übergewichtig, Muttersöhnchen und Vaterkind, welche Chance hat hat man da? Richtig, keine! So auch unser Johnsey Cunliffe.
Donal Ryan erzählt diese Geschichte unglaublich intensiv und, man sollte es nicht glauben, witzig! Er teilt dabei die Geschichte in zwölf Kapitel auf und diese entsprechen dann den Monaten eines Jahres. Bis hin zum Dezember. Kurz vorweg immer ein kurzer Rückblick, zumeist auf Mutter und Vater, die er abgöttisch liebt. Und diese auch ihn. Die Eltern: Mutter Hausfrau und Vater Maurer mit Bauernhof, Viehwirtschaft – was sonst in Irland? So ist im wesentlichen die Ausgangssituation in diesem Roman.
Johnsey Cunliffe ist mittlerweile dem Schulalter entwachsen und arbeitet beim coop vor Ort. Als dann seine Eltern kurz hintereinander sterben, verändert sich Johnseys Leben, kaum verwunderlich, von Grund auf. Er steht allein da, dieser Träumer, dieser lebensuntüchtige Kauz. Und als die im Zitat beschriebene Szene geschieht, er anschließend im Krankenhaus liegt und sich erholt, intensiviert sich seine Lebensveränderung. Er lernt Nuschel-Dave kennen, mit dem er im Krankenhaus das Zimmer teilt. Nuschel-Dave ist eigentlich eine Landplage, ein Quasselkopf wie er im Buche steht. Aber irgendwie trotzdem sympathisch. Außerdem lernt er Siobhan, eine Krankenschwester kennen, die ihn auch ein wenig in die erotischen Irrungen und Wirrungen einführt, das allerdings auf recht unkonventionelle Art und Weise.
Mit dieser Konstellation kehrt Johnsey Cunliffe nach Wochen im Krankenhaus in sein nun deutlich anderes Leben zurück. Johnsey ist vermeintlich reich, denn das von seinen Eltern geerbte Land soll bebaut werden und ist nun auf einmal deutlichmehr wert. Nun, dass das jetzt unseren einfachen Helden überfordert, ist nachvollziehbar. Oder (?) … das soll an dieser Stelle einfach einmal offen gelassen werden.
Wunderbar ist dieses Buch, zärtlich geschrieben in seiner Betrachtung dieses liebenswerten Protagonisten Johnsey Cunliffe. Ist er eigentlich nur dieser tumbe Loser? Man könnte auf diese Idee kommen. Ja, wenn da nicht immer wieder diese Passagen wären, die Johnsey in einem anderen Licht erscheinen lassen. Zugegeben, der Rezensent schwankt hier. Ist Johnsey Cunliffe nicht vielleicht doch in seinem Inneren ganz anders? Blickt er letztlich doch durch? Versteht er die komplexen Zusammenhänge in der Welt um sich herum? Man kann das getrost unbeantwortet lassen. Dieser Johnsey Cunliffe ist in seiner Welt ein wunderbarer Antiheld, ein Tagträumer, ein sympathischer Querkopf mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Und, dessen kann man sich sicher sein, damit ein starkes Stück Irland!
Cover © Diogenes Verlag
- Autor: Donal Ryan
- Titel: Die Sache mit dem Dezember
- Originaltitel: The Thing about December
- Übersetzer: Anna-Nina Kroll
- Verlag: Diogenes
- Erschienen: 03/2015
- Einband: Gebunden
- Seiten: 258
- ISBN: 978-3-257-06927-3
- Sonstige Informationen:
www.diogenes.de
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Wertung: 13/15 dpt