William Goldman – Die Brautprinzessin (Buch)


An einem Freitagvormittag erlebte ich ein Happy End, genoss den Frühling und dachte darüber nach, ob man Tolkiens „Der Herr der Ringe“ wohl umschreiben würde: „Die Brautprinzessin“.

Es gibt zwei Sorten von Menschen: Die einen lieben Spinat, die anderen verabscheuen ihn. Genauso gut könnte man die Leute anhand ihres Urteils zu Tolkiens „Der Herr der Ringe“ einteilen: Die einen lieben ihn, die anderen schlafen darüber ein. Zugegeben, würde das ewig lange erste der sechs Bücher wohl heute kaum bei einer*m Lektor*in durchgehen: Zu viel Text für zu wenig, das passiert – noch dazu Handlungstragendes. Dann schon lieber die Filme als „Ausgabe der ‘spannenden Teile’. Gekürzt und bearbeitet von Peter Jackson.”

1977 veröffentliche William Goldman „Die Brautprinzessin“ – ein Buch, das vorgibt, genau das zu sein: die gekürzte und bearbeitete Ausgabe einer „klassische[n] Erzählung von wahrer Liebe und edlen Abenteuern“ eines gewissen S. Morgenstern. Es beginnt mit einem der schönsten ersten Sätze der Fantasy: »Dieses Buch hier ist mir das liebste auf der Welt, aber gelesen hab’ ich es noch nie.« (S. 19)

Goldman schreibt lange (mäßig spannende) Einleitungen, wie es zu seiner Version der „Brautprinzessin“, der Fortsetzung „Butterblumes Baby“ und der Edition zum 25-jährigen Erscheinungsdatum kam. Das sind Familiengeschichten, vom leseschwachen Vater und dem fetten Sohn des Autors, allerlei editorische Referenzen und ein paar Einsprengsel über den Literaturbetrieb. Man könnte es Rahmenhandlung nennen oder Metabuch. Jedenfalls sind es die unspannenden Teile der Geschichte.

Die eigentliche Erzählung der Abenteuer Butterblumes und Westleys bildet, um einige Anmerkungen des Autors ergänzt, den Kern des Buches und ist eine märchenhafte Humoreske: Die meisten Figuren glänzen nicht durch übermäßige Klugheit, Güte oder Geschicklichkeit und alle drei Eigenschaften bringt keine einzige zu Wege. Dafür erzählt die Goldman’sche Kurzfassung des Märchens tatsächlich nur die spannenden Teile, woraus sich ein hohes Erzähltempo ergibt, wenngleich die Spannung durch die genreimmanenten Stereotypen begrenzt ist.
Vorteilhafterweise teilt der „Autor“ Morgenstern den Witz seines Kollegen Goldman und so zieht sich der Humor der beiden als roter Faden durch alle „Originalteile“ und Anmerkungen, zum Beispiel in Form der erklärenden Klammern, die wohl die Inspiration für Walter Moers’ Mythemetz’sche Abschweifungen gewesen sein könnten: »Eintopf gab es schon, aber den gab es schon immer. Am Tage, als der erste Mensch aus dem Urschleim an Land kroch und sich dort einrichtete, gab es abends Eintopf.« (S. 60) – »Steuern gab es schon, gab es schon immer, schon vor dem Eintopf.« (S. 62)

Interessanterweise – und es darf wohl Absicht unterstellt werden – „krankt“ Goldmans „Die Brautprinzessin“ an demselben Leiden wie die Fassung Morgensterns: Beim zweiten war es die Satire auf die florinesische Hofkultur, beim ersten ist es die Reflexion über das Autorenleben im Besonderen und Allgemeinen. Das ist der Clou des Buches: Goldman „wiederholt“ den Fehler Morgensterns und schreibt einen reichlich lahmen Rahmen (das war keine Absicht, bleibt aber zu Ehren Fezziks stehen) um eine spannende Geschichte herum; ein schallend komischer Einfall, der – warum auch immer – an John Cages „4’33“ denken lässt und gewillten Leser*innen durchaus Freude bereiten dürfte.

Fazit: „Die Brautprinzessin“ ist zu Recht ein Klassiker. Nicht nur wegen des fantastischen Kerns, sondern auch wegen der großartigen Gesamtpersiflage, die Goldman geschaffen hat. Im Zweifelsfall lässt man die unwichtigen Teile beim Vorlesen einfach weg.

Cover  © Deutscher Taschenbuch Verlag

  • Autor: William Goldman
  • Titel: Die Brautprinzessin
  • Originaltitel: The Princess Bride
  • Übersetzer: Wolfgang Krege
  • Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
  • Erschienen: 2006 (2. Auflage)
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 424
  • ISBN: 3-423-20854-6
  • Sonstige Informationen:
      Erwerbsmöglichkeiten

Wertung: 12/15 dpt


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