Fargo – Staffel 3 (Serie, 4DVD)


„Fargo“, die Dritte. Creator Noah Hawley legt ein strammes Tempo vor und hält dabei ein erstaunliches Qualitätsniveau. Dabei verlangt der Erfolg zunehmend nach einem disziplinierten Zeitmanagement, denn durch „Fargo“ avanciert Hawley immer mehr zu einem der gefragtesten Pop-Kunstschaffenden der Gegenwart. Dem Meilenstein Staffel zwei gleich darauffolgend etwas Ebenbürtiges an die Seite zu stellen, hätte den Eindruck von unheimlicher und unmenschlicher Genialität entstehen lassen, aber auch sonst kommt der dritte Zyklus nicht ohne merkliche Schwächen aus. Dennoch bleibt „Fargo“ eine der besten, weil spannendsten und buntesten Serien in der aktuellen Showlandschaft.

Fast genau drei Jahre nach Staffel eins und eineinhalb nach der zweiten debütierte das aktuelle Kapitel des audiovisuellen „Fargo“-Romans im April 2017 beim US-Sender FX. Zuvor veröffentlichte Hawley seinen fünften Roman „Before The Fall“, ersann mit „Legion“ eine weitere Serie für FX und steht im Wort, künftig weitere Comic-Geschichten zu adaptieren. Zudem arbeitet der umtriebige Kunstschaffende zurzeit an seinem Filmregiedebüt „Pale Blue Dot“ mit Natalie Portman und Jon Hamm in den Hauptrollen und wird sich danach dem „Doctor Doom“-Franchise annehmen. Vor diesem Hintergrund muss mindestens Respekt an den Tag gelegt werden, wenn es um die Bewertung der Tatsache geht, dass die nächste „Fargo“-Staffel frühestens 2019 erscheinen wird. Aber auch bei der kritischen Betrachtung der aktuellen zehn Folgen sollte das Pensum im Hinterkopf behalten werden.

Nach der Reise aus dem Jahr 2006 zurück ins Jahr 1979 spielen die neuen Episoden 2010. Ein weiteres Mal konnte Hawley einen beachtlich namhaften Cast zur aktiven Teilnahme bewegen und ihnen interessante Charaktere auf den Leib schneidern. Ewan McGregor spielt die ungleichen Brüder Ray und Emmit Stussy, deren Lebenswege sich an einer Briefmarke getrennt haben. Die verführerisch-taffe Kleinkriminelle Nikki Swango wird von Mary Elizabeth Winstead auf den Bildschirm gebracht, die ihr eine erfrischende Tiefe zu verleihen weiß. David Thewlis verkörpert V.M. Varga, den personifizierten Finanzmarktkapitalismus im Aufzug eines faulzahnigen Briten. Die Polizei findet dieses Mal in Form von Gloria Burgle (Carrie Coon) Eingang in die Geschichte und als wäre das noch nicht genug, finden unter anderem auch noch Michael Stuhlbarg (der momentan ein goldenes Händchen bei der Wahl seiner Projekte zu haben scheint), Scott McNairy und Goran Bogdan einen Platz im Fargo-Universum. Und allesamt wissen in ihren Rollen mindestens zu überzeugen.

Ein weiteres Mal werden alle Figuren in ein Netz aus skurrilen Zufällen beziehungsweise Missverständnissen eingewoben und in absurden Situationen zusammengeführt. Das auch für die Coen-Brüder zentrale Motiv des Geldes bringt hier die Charaktere in unheilvolle Konstellationen, die sie zu Entscheidungen darüber zwingen, wie sie sich zu diesen verhalten sollen. Die Fehde der Stussy-Brüder zieht eine ganze Reihe von Konsequenzen nach sich, die ganz verschiedene Akteure auf den Plan ruft. Manch einer knickt ein, andere beweisen Rückgrat, doch am Ende bleibt die Frage: Können wir die Geister, die wir riefen, wieder einfangen? Kapitalismus, Urbanisierung und Digitalisierung, Bitcoin, Stadt-Land-Gefälle, Fake News und facebook lassen uns auseinanderdriften, bestimmen uns bestimmen und stiften uns zu ungeahnten Taten an.

Hawley kritisiert und bietet wenige Lösungsansätze, die letztendlich alle auf den Kern der Menschlichkeit pochen. So absurd das Leben und seine Wendungen auch sein mögen, so sehr ist Empathie und Feinfühligkeit der Schlüssel zur erfüllten Existenz. Besonders eindrucksvoll wird das deutlich, als Sy Feltz (Michael Stuhlbarg), Emmit Stussys Partner, während des Nachhausekommens tränenreich zusammenbricht und an der Fremdbestimmtheit seines Lebens verzweifelt. Doch Staffel drei bleibt die bislang dunkelste, eben weil sie bis zum Schluss offenlässt, ob die Hoffnung angebracht ist oder ob es nicht schon zu spät sein könnte. Das rausgekürzte Blau in der Farbpalette der Staffel unterstützt diesen Eindruck im verschneiten Minnesota (gefilmt in Calgary), so als wäre nach der Wärme auch die Kälte und damit jede Emotion im Begriff, verloren zu gehen.

Hawley macht dabei wieder eine Menge richtig. Er findet einen eindrucksvollen Rahmen für seine Erzählung zwischen Hommage und eigenem Einfluss, weiß tiefe Charaktere zu schreiben und Emotionalität auf angemessene Weise herauszukitzeln. Die Symbolik fügt sich problemlos in den Coen-Stil ein und vermittelt eine schräge Verbindung von Moderne und antiker Mythologie. Emmit macht beispielsweise in Parkplätzen, einem grauen Geschäftsbereich, der Geld aus dem Besitz und der Nutzung von Land macht. Wieder gibt es massig Querverweise zum Coen-Werk und verstärkt auch zum eigenen Schaffen. Der „Fargo“-Kosmos wächst und erstmals kehrt ein vom gleichen Schauspieler dargestellter Charakter zurück. Und wer genau hinhört, wird zudem auf einen anderen prominenten Rückkehrer stoßen.

Häufiger als gewohnt wirkt „Fargo“ in dieser Staffel jedoch unkonzentriert und dreht unnötige Schleifen. Glorias Reise nach Los Angeles hat zwar ihre Momente, sie will aber nicht so ganz in den Fluss der Geschichte passen. Sicherlich auch aufgrund des namhaften Hauptcasts werden interessante Nebenfiguren vernachlässigt und Potenziale ungenutzt gelassen. Zum ersten Mal wirkt es so, dass nicht unbedingt zehn Folgen vonnöten gewesen wären, um das neue Kapitel zu erzählen. Manch eine Metapher wirkt abgedroschen, manch eine Analogie platt. Vielleicht sind das die ersten Anzeichen eines Trotts, eines schleichenden Prozesses, der zum Ausruhen auf der erfolgreichen Formel verleitet. Aber auch hier der Hinweis: Noch wissen wir nicht, wie Noah Hawley die verschiedenen Teile künftig in Verbindung zu setzen gedenkt. Oder vielleicht haben wir schon wichtige Details übersehen? Und noch einmal: Das hier ist immer noch sehr gutes TV.

FAZIT: Auch die dritte Staffel „Fargo“ führt den Ruf der Serie als einer der besten weiter, auch wenn sie ein gutes Stück hinter dem Vorgängerkapitel zurückbleibt. Der Cast ist namhaft und spielt fantastisch, die Story fügt sich nahtlos in das „Fargo“-Universum ein und ergänzt es auf sinnvolle Weise. Ganz im Sinne des Coen-Stils finden sich weiterhin absurde, abstruse und humorvolle Momente im Krimiplot, nur wirkt das Ganze dieses Mal dunkler und bitterer. Leider finden sich die ersten Anzeichen dafür, dass Creator Noah Hawley zu sehr an seiner Formel festhalten könnte und nicht immer konzentriert genug bei der Sache ist. Trotzdem macht auch Staffel drei wahnsinnig viel Spaß und Lust auf das nächste Kapitel.

P.S.: Leider ist nach der langen Wartezeit bis zur Heimkinoveröffentlichung auf dem deutschen Markt ein weiterer Wermutstropfen zu nennen: Im Gegensatz zu den ersten beiden Staffeln erscheint Staffel drei ausschließlich auf DVD und bietet gar nicht mehr die Option, die eigene Sammlung auf Blu-ray weiterzuführen. Schade!

Cover und Szenebilder © 20th Century Fox

  • Titel: Fargo – Staffel 3
  • Produktionsland und -jahr: (z.B.: USA, 2012)
  • Genre:
    Thriller
    Comedy
    Krimi
    Mystery
  • Erschienen: 15.03.2018
  • Label: 20th Century Fox
  • Spielzeit:
    520 Minuten auf 4 DVDs
  • Darsteller:
    Ewan McGregor
    Carrie Coon
    Mary Elizabeth Winstead
    Goran Bogdan
    David Thewlis
    Michael Stuhlbarg
  • Drehbuch: Noah Hawley
  • Extras: Featurettes: Erster Einblick; Ray und Nikki; Emmit Stussy und SY Feltz; Ein Schauspieler, Zwei Figuren; Gloria Burgle; Varga; Anatomie einer Szene; Das Digitale Zeitalter; Zusammenhänge und Referenzen; Schauplätze; Noah Hawley
  • Technische Details (DVD)
    Video:
    16:9 (2.00:1)
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB, F u.a.
    Untertitel:
    D, GB, F u.a.
  • FSK: 16

Wertung: 12/15 dpt


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