Wie knüpft man an einen Klassiker an? Am besten, indem man gar nicht erst versucht, ihn weiterzuführen. So lautet zumindest die Idee von Tobe Hooper und L. M. Kit Carson, die den zweiten Teil von „Texas Chainsaw Massacre“ willentlich als völlig überzogene Trash-Parodie inszenierten. Wie seinen Vorgänger ereilte auch die Fortsetzung das Schicksal der Indizierung auf deutschem Boden, die sogar erst Ende 2016 aufgehoben wurde. Beide werden nun zeitgleich in normalen Blu-ray-Versionen erhältlich, die einen direkten Vergleich zulassen, der den zweiten Teil in seinem abstrusen Geisterbahnwahnsinn irgendwie tröstend wirken lässt.
Lange hat es gedauert, bis „Texas Chainsaw Massacre“ die Anerkennung fand, die der Film verdient hat. Es war auch für Regisseur Tobe Hooper eine unbeständige Zeit zwischen weiteren Erfolgen wie der Serie „Brennen muss Salem“, seinem merkwürdigen Engagement für „Poltergeist“ und zahlreichen Flops. Mitte der 1980er-Jahre wurde Hooper dann vom Drehbuchautor L. M. Kit Carson angesprochen, der eine Idee für eine Fortsetzung zu „TCM“ aus 1974 hatte. Warum das eigene Erbe nicht auf nicht minder extreme Weise komplett ad absurdum führen? Bevor jemand anderes käme, warum nicht gleich selbst die eigene Parodie produzieren?
1986 entstand so, lange vor „Scary Movie“, ein völlig verwegenes Projekt, das alles radikal auf den Kopf stellen wollte. SchauspielerInnen, die sich nicht für den zweiten Teil verpflichten ließen, wurden einfach ersetzt, jede Subtilität über Bord geworfen und kein Klischee eines schlechten Films ausgelassen. Das subversive Klima wurde durch die Verpflichtung eines gestandenen Stars wie Dennis Hopper abgerundet, der seine Rolle als rachsüchtiger Vater des im ersten Teil verstorbenen Rollstuhlfahrers durchaus ernst nahm.
„TCM 2“ ist unlogisch, völlig überzogen und um keine Peinlichkeit verlegen. War die Handlung im Vorgänger minimalistisch gehalten, ist sie hier schlicht nicht vorhanden. Der Vater sucht Rache, eine Radiomoderatorin nach der Antwort auf einen Telefonanruf in ihrer Show, sie beide finden sich als Vater und uneheliche Tochter und geraten selbstverschuldet in die Fänge der Familie Sawyer, wie Leatherface, Chop Top, der Koch und der Großvater nun übertitelt werden. Die Macher machen aber keinen Hehl daraus, dass das alles nur ein schlecht konstruierter Aufhänger ist, um endlich irgendwie zum großen Finale zu gelangen, das in einem unterirdischen Themenpark spielt.
Hier konnten sich die Bühnenbildner und Ausstatter wie Kinder austoben und schufen eine liebevoll ausgestaltete Geisterbahn, um dessen Erwerbung sich jeder Escape Room-Betreiber unverzüglich bemühen würde. Aus Knochen, Leichen, Gedärmen und Müll haben sich die Sawyer-Freaks ein morbides Königreich errichtet, das die kultischen Anwandlungen im ersten Teil grenzenlos wachsen lässt. Der Film bleibt bei aller Absurdität durchaus eklig und es wird hysterisch geschlagen, gehäutet und natürlich gesägt, bis schließlich auch die Radiomoderatorin der Wahnsinn überkommt. Aber auch hierbei bricht der Film mit den Erwartungen und lässt ausgerechnet Leatherface menscheln und sich in die Gefangene verlieben. Die lächerlich große Kettensäge dient natürlich als Penisersatz und nähert sich der begehrten Vulva auf gefährliche Weise.
„TCM 2“ ist als großer Spaß und Ulk gedacht, der mit einem ordentlichen Budget von fünf Millionen US-Dollar zu einem XXL-Abenteuerspielplatz für alle Beteiligten heranwuchs. Die SchauspielerInnen ließen die Sau raus, die Setdesigner erfüllten sich ihre Visionen und Tom Savini probierte neue Techniken für seine Effekte aus. Im Film übersetzte sich das in eine Anarchie, die jegliche Regeln weit hinter sich ließ und dabei andere, aber vor allem sich selbst rücksichtslos durch den Kakao zog. Statt Hippies werden hier Yuppies massakriert und gleichzeitig die Sawyers als Kollektiv einer höllischen Freakshow persifliert. Das üppige Bonus Material macht deutlicher, dass diese nach den Erfahrungen des ersten Teils bitter nötig war und die Beteiligten sich noch immer gerne an die losgelöste Stimmung am Set erinnern.
In diesem Sinne hat auch „TCM 2“ seinen Fußabdruck in der Filmgeschichte hinterlassen und die Herangehensweise an Parodien und Satiren insofern geprägt, als dass sie nicht mehr nur Außenstehenden überlassen werden. Gerade auch andere Horrorfranchises versuchten ebenfalls ihr totes Pferd weiterzureiten, indem sie sich selbst auf den Arm nahmen, doch so radikal und unerschrocken wie den „Texas Chainsaw Massacre 2“-Machern sollte es niemanden mehr gelingen. Ist „TCM 2“ ein guter Film? Um Himmels Willen, nein! Aber er macht das Erbe des ersten Films erträglicher, ja er wirkt fast tröstend, denn so wichtig die Furchtbarkeit des Vorgängers auch war, so sehr steht Teil zwei für das Glück der Freiheit, in dem ein solcher Film als Form der Verarbeitung des nicht zu Begreifenden entstehen kann.
Fazit: „TCM 2“ nimmt das Erbe seines überstrahlenden Vorgängers und zieht es durch den Kakao. Der Film lässt keinen Stein auf dem anderen, ist eine einzige Persiflage, die sich um Logik, Regeln und eine Handlung einen Dreck schert – und genau das feiert! Das Produkt sollte eine völlig losgelöste, infantile Materialschlacht werden, die aus den ernsten Psychopathen eine bunte Freakshow werden ließ, die nicht minder ekelerregenden Taten zustande brachte, die aber durch die völlig überzogene Darstellung eine erträglichere Form des Wahnsinns fand. „TCM 2“ bleibt ein furchtbarer Film, aber er erinnert uns daran, dass auch das ein Privileg der Freiheit ist: Spaß als Mittel der Verarbeitung.
Cover © Turbine Medien
- Titel: The Texas Chainsaw Massacre 2
- Produktionsland und -jahr: USA, 1986
- Genre:
Horror
Comedy
- Erschienen: 26.10.2018
- Label: Turbine Medien
- Spielzeit:
ca. 100 Minuten + ca. 198 Minuten Bonus auf 1 Blu-Ray
- Darsteller:
u.a.
Dennis Hopper
Caroline Williams
Bill Johnson
- Regie: Tobe Hooper
- Drehbuch: L.M. Kit Carson
- Kamera: Richard Kooris
- Schnitt: Alain Jakubowicz
- Musik:
Tobe Hooper
Jerry Lambert
- Extras:
Audiokommentar mit Regisseur Tobe Hooper und Filmemacher David Gregory
Audiokommentar mit den Darstellern Bill Moseley und Caroline Williams sowie mit Tom Savini
Audiokommentar mit Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke und Pathologe Dr. Matthias Scheffzek
Sechsteilige Dokumentation “Es liegt in der Familie” + erweiterte Interviews
“Hinter den Kulissen” von Tom Savini
Vom Boden des Schneideraums: fünf entfernte Szenen
Kino-Trailer, TV-Spots, Fotogalerien
- Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1,78:1 (1080p24)
Sprachen/Ton: D, GB
Untertitel: D, GB
- FSK: 18
- Sonstige Informationen:
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