Dazed and Confused (Mediabook) (Spielfilm, Blu-ray + DVD)


Eine echte Premiere, 26 Jahre später: Zum ersten Mal wird „Dazed and Confused“ in Deutschland im Blu-ray-Format erscheinen und das gleich in einer liebevoll gestalteten Aufmachung inklusive Bonus-DVD. Ob der Film durch die verbesserte Bildqualität etwas hinzugewinnt (dem namhaften Soundtrack kommt die Blu-ray natürlich entgegen) oder ob der legendäre 70er-Jahre-Coming-of-Age-High-School-Streifen seine Magie nicht aus der rohen VHS- oder DVD-Fassung zieht, darüber lässt sich trefflich streiten. Das vorliegende Paket wird dem Meisterwerk jedenfalls gerecht und dürfte – trotz des wahrscheinlich lückenlosen Bonus Materials – weiterhin zum Rätseln einladen, wie verdammt noch mal Richard Linklater es gelungen ist, das Gefühl einer Generation einzufangen – und das nicht zum letzten Mal.

Zumindest war er dabei, der mittlerweile hochgeschätzte Regisseur. 1976 war Linklater 16 und selbst zwischen der neunten und der zwölften Klasse an einer High School in Texas, also ein Beobachter zwischen den Freshmen und den Seniors. In „Dazed and Confused“ läutet die Glocke zur langen Ferienpause und symbolisiert den Startpunkt einer Umbruchszeit. Die Junior High Schooler-Schüler*innen werden zu High Schoolern und die Juniors werden zu Seniors. Der Tradition nach ist es an den neuen Ältesten, die Freshmen in die Welt der Jungerwachsenen einzuführen und ihnen genussvoll die Hölle heiß zu machen. Die Jungs werden für das beliebte Hintern-mit-dem-Paddel-Versohlen gejagt, die Mädels müssen einen etwas ausgeklügelten Initiationsritus über sich ergehen lassen.

Ist das erst mal abgehakt, geht es (fast) nur noch darum, ein große, fette Party zu schmeißen, die Sau rauszulassen, um die – zumindest subjektiv – wohlverdiente Pause gebührend zu begehen. Die Party beim weedhead Kev platzt auf amüsante Weise, aber es ist ja genauso cool zu cruisen, Fast Food zu essen, in Clubs zu gehen oder ein Waldstück temporär in Beschlag zu nehmen. Alles, was den verklemmten, von der Elterngeneration kontrollierten USA Mitte der 1970er-Jahre übrigbleibt, wenn keine öffentlichen Plätze für Jugendliche zur Verfügung stehen. „Dazed and Confused“ überspitzt komödiantisch und romantisiert das sicherlich, die Polizisten, Verkäufer, Türsteher und Eltern nehmen alles entweder etwas zu ernst oder erstaunlich locker, aber – ohne dass es explizit ausgesprochen wird oder zu sehen ist – liegt hinter der Fassade etwas Tiefergehendes, etwas Bedrückendes. Der Exzess, der Hedonismus, so unterhaltsam er auch wirken mag, er schiebt etwas weg.

Am erstaunlichsten gelingt das bei den zwei ältesten Figuren unter den jungen. O’Bannion, gespielt vom jungen Ben Affleck, ist ein Ekelpaket, das das Ärscheversohlen etwas zu eifrig verfolgt. Später wird fast beiläufig der Grund enthüllt: Der energiegeladene Jungspund hat seinen Abschluss verdaddelt und muss eine Extrarunde drehen, inklusive der alljährlichen Freshmen-Jagd. Ähnliches gilt für Wooderson, die Durchbruch-Rolle von Matthew McConaughey: Der Coole mit dem heißen Schlitten und dem (legendär gewordenen) „Alright, Alright, Alright“ auf den Lippen wickelt selbst das Nerd-Girl um den Finger, aber hinter seinem Macho-Spruch „Weißt du, was ich an High School-Girls mag? Ich werde immer älter, aber sie bleiben immer gleich alt!“ verbirgt sich die Frage, was er eigentlich mit seinem Leben macht. Die Angst vor der Ungewissheit lässt die Seniors ausflippen, vor allem weil ihnen durch Werbekampagnen (siehe Bonus Material) eingeredet wird, wie sehr sie aufpassen sollen, um ja nichts zu gefährden.

Das umfangreiche Ensemble, unter anderem mit weiteren künftigen Stars wie Milla Jovovich, Adam Goldberg oder (ganz am Rand) Renee Zellweger gespickt, bietet die Cliquen von Tussis, Dummis, Geeks, Bullies und Sportassen genügend Konstellationen, um auch deutlicher Konflikte zu beleuchten. Der Quarterback der Football-Mannschaft, der die Enthaltsamkeitserklärung für die Ferien nicht unterschreiben will, der Nerd in der Identitätskrise und einige Liebeleien, die mal mehr, mal weniger Aussicht auf Wiederholung haben. Das alles, und das ist keine zu unterschätzende Erkenntnis, kann nur zur Schulzeit passieren. Auch wenn sich Manches scheiße anfühlt (und zum Teil auch wirklich ist) und die Grenze durch die Erwachsenen zu streng gesetzt wirken, letztendlich ist die Schulzeit und der Übergang zwischen den Schulformen der Teilabschnitt des Lebens, in dem die meiste Freiheit zum Ausprobieren und Verändern gegeben ist. Das merken die Seniors, deren Initiationsriten auch ein Ausdruck des Neids ist: Ihr steht gerade erst am Anfang, für uns ging die Schonzeit viel zu schnell vorbei.

Bekanntermaßen kann Linklater nicht von dem Sujet des Erwachsenwerdens lassen. Mal offensichtlich wie in „School of Rock“ oder der inoffiziellen „Dazed and Confused“-Fortsetzung „Everybody Wants Some!!!“, mal subtiler und ausschweifender wie in der „Before“-Trilogie oder dem Familien-Coming-of-Age-Meisterwerk „Boyhood“, doch im besten Fall versteht sich der Filmemacher darauf, etwas einzufangen, was technisch eigentlich nicht einzufangen ist. Linklater ist ein Spezialist für Stimmungen und Gefühle ganzer Generationen. Wie sehr sich Filmschaffende und -studierende weltweit auch mit dieser Spezialität beschäftigen, den Texaner haben sie noch nicht kopiert bekommen.

Die Antwort auf sein Erfolgsrezept ist nicht einfach in der Auswahl der Equipments zu finden, in der Musik, in den Dialogen. Es ist all das zusammen und etwas, dass in den Zwischenräumen dieser Konstellation entsteht. Linklater ist da ganz unverblümt und beschreibt seinen Arbeitsprozess in einem Interview auf der Bonus-DVD als ein Zurückkehren in das Mindset seines 16-jährigen Ichs. Filmschulwissen ist zwar nicht verkehrt, aber es ist auch nicht schlimm, es mal beiseite zu lassen, wenn sich eine andere Herangehensweise besser anfühlt. In diesem Fall ist es das Gefühl, das zu Linklaters Markenzeichen geworden ist und dann fügt sich alles andere von selbst: Kultfilme mit Tiefe.

Ohnehin dürfte mit dieser Version die letzte Lücke gestopft sein, was die Qualität des Films und das verfügbare Bonus Material angeht. Zum Letzteren gehören auf der Blu-ray und der zusätzlichen DVD neben Interviews zudem Aufnahmen aus Casting, Vorbereitung und hinter den Kulissen sowie fast 25 Minuten an entfallenen Szenen. Diese geben eine Idee davon, dass im Nachgang auf allzu erklärende Dialoge verzichtet wurde, um nur die Szenen im Film zu haben, die auf meisterhafte Weise Charaktere zeichnen und eine Ahnung von ihrer Tiefgründigkeit vermitteln. Es lag also durchaus Arbeit rund um den für seine Lockerheit gepriesenen Film, in dem ebenfalls einige Rollen zurechtgekürzt wurden und sich Matthew McConaughey so sehr aufdrängte, dass Linklater ihm deutlich mehr Platz einräumte. Ein Beispiel für die Kraft eines konsistenten Werks aus dem Gefühl heraus.

Es fehlt nun wirklich nur noch der Soundtrack auf CD, um alle Elemente des Films vor sich zu haben, was heute jedoch angesichts der Tantiemen der verwendeten Songs wie „Paranoid“, „Slow Ride“, „School’s Out“ und „Rock ‘n‘ Roll all Nite“ aber schlichtweg utopisch zu bewerten ist. Aber sie sind ja im Film und werden als Teil eines Meisterwerks in das Licht von Klassikern gerückt, die zum Soundtrack einer Generation gehören. Danach suchen Bands wie auch all die Schul-Film-und-Fernseh-Produktionen, die auf „Dazed and Confused“ folgten, bis heute zu einem weit überwiegenden Teil erfolglos: Kultig durch und durch.

Fazit: Der ultimative Coming-of-Age-High-School-Film bekommt eine Generalüberholung und wird inklusive massig Bonus Material zum ersten Mal in Blu-ray-Qualität erhältlich. Richard Linklaters Meisterwerk mit seinem unglaublich namhaften Soundtrack ist der Inbegriff des Kultfilms, dem bis heute viele erfolglos nacheifern. „Dazed and Confused“ gelingt es, das Gefühl von High School-Schüler*innen Mitte der 1970er-Jahre einzufangen, ohne bedeutungsschwangere Symbolik oder erklärende Dialoge bemühen zu müssen. Der Film schafft etwas Magisches, indem er hinter der komödiantischen und teilweise romantisierenden Fassade am ersten Ferientag 1976 die subtile Ahnung der bedrückenden Verhältnisse der Zeit und der individuellen Lebensläufe platziert, was auch auf die Charaktere zu übertragen ist, hinter deren Handlungen immer eine weitere Dimension zu finden ist. Und so wird „Dazed and Confused“ zu einer leisen Hommage der High School als ein soziales Konstrukt, das Sicherheit bietet in Zeiten der Verwirrung, ohne dass es die Schüler*innen bewusst merken.

Cover und Szenebilder © Koch Films

  • Titel: Dazed and Confused
  • Produktionsland und -jahr: USA 1993
  • Genre:
    Comedy
  • Erschienen: 22.08.2019
  • Label: das Filmlabel
  • Spielzeit:
    ca. 102 Minuten auf 1 Blu-Ray + Bonus-DVD
  • Darsteller:
    u.a.
    Matthew McConaughey
    Milla Jovovich
    Jason London
    Adam Goldberg
    Ben Affleck
  • Regie: Richard Linklater
  • Drehbuch: Richard Linklater
  • Kamera: Lee Daniel
  • Schnitt: Sandra Adair
  • Extras:
    Trailer, Geschnittene Szenen, Originalvideos zur öffentlichen Bekanntmachung, Making Of, Hinter den Kulissen, Interviews mit den Charakteren, Castingvideos, Bildergalerien
  • Technische Details (Blu-Ray)
    Video:
    1,85:1 (16:9)
    Sprachen/Ton
    :
    D, GB
    Untertitel:
    D
  • FSK: 16
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite

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