Drugs & Music, Music & Drugs in “King Suckerman”
Washington, D.C. Dimitri Karras sind die Drogen ausgegangen und so macht er sich mit seinem Kumpel Marcus Clay auf den Weg zu einem Händler namens Eddie Marchetti, der zusammen mit seiner drogenabhängigen Freundin Vivian und Partner Clarence Tate ein umfangreiches Angebot hat. Vor Ort stören sie jedoch die Verkaufsverhandlungen von Eddie mit Wilton Cooper, der sich dem jungen Bobby Roy „B. R.“ Cooper angenommen hat, nachdem dieser in einem Autokino in North-Carolina ohne erkennbaren Grund den Filmvorführer mit einer Schrotflinte erschossen hat. Cooper, der lange im Gefängnis saß, träumt vom großen Deal und will diesen mit einer Biker-Gang abschließen. Das Geschäft soll Eddie vermitteln, weswegen auf dessen Tisch zwanzig Riesen liegen. Doch die Lage eskaliert, nachdem Eddie aus einer Machtdemonstration heraus Vivian schlägt. Dimitri und Marcus greifen ein und sind wenig später mit Vivian und den 20.000 Dollar wieder weg. Dies kann Cooper nicht auf sich sitzen lassen. Gewaltexzesse folgen.
Zweiter Teil der Washington-Trilogie
George P. Pelecanos schrieb die wohl erste Noir-Trilogie, die auch als Washington-Trilogie bekannt ist. Diese erschien erstmals 2006 in einer Box mit allen drei Bänden in gebundener Form bei Dumont, welche die Grundlage für die vorliegende Rezension bildet. 2011 bis 2013 folgten Neuauflagen im Taschenbuchformat.
Aus dem ersten Teil, der in den 1940er und 1950er Jahren spielt, ist die Figur des Peter Karras bekannt, dessen Sohn Dimitri ist. Aus dem Vorgänger ebenfalls noch zugegen ist der griechische Wirt Nick Stefanos, der einen kleinen Auftritt haben wird. Alle anderen Personen sind neu. Wir schreiben mittlerweile die zweite Hälfte der 1970er Jahre, der Vietnamkrieg ist vorbei und hat seine Spuren hinterlassen.
„Jetzt wissen Sie’s.“
„Aber …“
„So sind die Regeln. Wenn sie mit Männern wie mir spielen, dann auch das ganze Spiel. Ich meine, wer mit den großen Elefanten laufen will, muss auch in die großen Sträucher pissen.
Die Handlung ist recht überschaubar. Der Mord im Autokino, der Zwischenfall bei Eddie, das Treffen zwischen Cooper und den Bikern sowie der finale Countdown zwischen Cooper und Clay. Stark vereinfacht zusammengefasst; versteht sich. Und was passiert sonst noch? Nun ja, die Figuren müssen von irgendwas leben wie beispielsweise Dimitri als Kleindealer oder Marcus als Plattenverkäufer, womit wir bei den Hauptthemen wären: Drogen und Musik. Es wird geraucht, was der Markt hergibt, mit diversen amerikanischen Schlitten kreuz und quer durch Washington gefahren und umfassend über Filme und Musik der 1970er Jahre gefachsimpelt. „Umfassend“ ist hier übrigens die Untertreibung des Jahres, denn auf gefühlt jeder zweiten Seite werden Musikkassetten von mehr oder weniger bekannten Künstlern ins Fach geschoben oder Platten aufgelegt und die Regler hochgedreht. Wer sich für Musikgeschichte und hier eben die 1970er Jahre interessiert, wird das Buch lieben. Filmfreaks – wie B. R. – übrigens auch, wobei viele der erwähnten Filme hierzulande nie zu sehen waren. Vermutlich waren sie qualitativ so bescheiden wie das von Drogen dominierte Leben von Vivian.
„Bist du zu beschäftigt, um ihn zu bedienen?“
„Hab‘ Pause. Hättest du einen Job, wüsstest du, was das ist.
Zu erwähnen wäre noch, dass Cooper neben dem geistig unterbelichteten B. R. noch mit den Brüdern Ronald und Russel ein Quartett bildet. Zwei Hinterwäldler, von denen es Russel problemlos gelingt, die nicht vorhandene Intelligenz von B. R. zu unterbieten. Wie heißt es an einer Stelle so schön: „Und ohne Hirn keine Kopfschmerzen.“
Bei dem titelgebenden King Suckerman handelt es sich übrigens um einen Kinofilm über den größten Zuhälter aller Zeiten. Drogenkonsum, Gespräche über Filme und Musik, viele Autofahrten und ab und an ein Basketballspiel. Zwischendurch ist dann wieder Zeit für einige Gewalteruptionen. Der Roman blickt dabei zielsicher auf Menschen, die aus der Unterschicht stammen und kaum eine Chance haben, ihre Lebensträume zu realisieren; aus mehreren Gründen. Oder wie Cooper über das Leben von King Suckerman, der einsam und krank im Gefängnis stirbt, sagt: „Das war das wahre Leben.“
Ein – sehr amerikanischer – Mix, der zu unterhalten weiß, aber nicht für alle von Interesse sein dürfte. Bezeichnenderweise taucht, trotz aller Gewalt und Morde, die Polizei erstmals auf Seite 195 (von 282) auf, um sich ebenso schnell wieder aus der Handlung zu verabschieden. Die weißen wie schwarzen Jungs nehmen das selbst in die Hand, denn Cooper ist ohnehin alles egal und B. R. macht es einfach Spaß, die Schrotflinte zu nutzen. Harte Kost, wobei womöglich die unzähligen Musikverweise für einige Leser noch die größte Herausforderung darstellen dürften. Trotz allem eine interessante Zeitreise.
- Autor: George P. Pelecanos
- Titel: King Suckerman
- Originaltitel: King Suckerman. Aus dem Englischen von Bernd W. Holzrichter
- Verlag: Dumont
- Umfang: 281 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: März 2006
- ISBN: 978-3-8321-7983-6 (TB-Ausgabe: 978-3-8321-6213-9)
Wertung: 10/15 dpt