Mathijs Deen – Der Holländer (Buch)


Der Holländer
© mareverlag

Packende Atmosphäre und viel Lakonie

Aron Reinhard, Peter Lattewitz und Klaus Smyrna sind nicht nur drei Freunde, sondern auch begeisterte Extremwattwanderer und entlang der Nordsee kleine Berühmtheiten. Allein eine Wattwanderung zur Insel Borkum fehlt noch, welche als der Mount Everest der Wattwege gilt. Nur alle paar Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte sind die Bedingungen derart, dass man einen Versuch wagen kann. Extrem gefährlich bleibt es gleichwohl. In einer Nacht im September ist es soweit und ausgerechnet jetzt befindet sich Reinhard mit seiner kränkelnden Frau in England. Lattewitz und Smyrna brechen erstmals ohne ihn auf, dabei sind sie auf die Führung ihres Freundes dringend angewiesen.

Am nächsten Tag erreicht Lattewitz die Insel Borkum, da hat die niederländische Grenzschützerin Geeske Dobbenga auf ihrer vermeintlich letzten Dienstfahrt mit ihrem Team bereits die Leiche von Smyrna entdeckt. Bei der Durchquerung eines Priels hat es Smyrna erwischt, er landete später auf der Sandbank De Hond. Viel Zeit hat Dobbenga nicht, denn die nahende Flut drängt zur Eile und so landet die Leiche zunächst im Krankenhaus von Delfzijl.

Der Tote lag auf niederländischem Gebiet. Auf unserer Seite.“
„So kann man’s natürlich auch sehen, aber dann kriegt man weitere Probleme als kostenlose Zugabe.

Aufgrund des Bekanntheitsgrades wittert Brigadekommandeur Henk van de Wal eine große Chance auf mediales Interesse und weigert sich, den Leichnam des Deutschen an die Kollegen aus Aurich zu übergeben, zumal De Hond zu den Niederlanden gehört. Sagen die Niederländer, die Deutschen sehen es anders, Kompetenzstreitigkeiten sind vorprogrammiert.

Während Lattewitz auf Borkum verhört wird und sich dabei in einem völlig desolaten Geisteszustand befindet, schickt die Bundespolizei See aus Cuxhaven ihren besten Ermittler nach Delfzijl: Liewe Cupido, kurz der Holländer.

Auftakt der Liewe-Cupido-Reihe

Mathijs Deen („Unter den Menschen“) legt mit „Der Holländer“ den Grundstein für die Liewe-Cupido-Reihe, deren zweiter Band „Der Taucher“ im Februar 2023 erschienen ist. Cupido, in Deutschland geboren, aber auf Texel aufgewachsen, ist ein schweigsamer Mensch, was gut zu den Insulanern entlang der Nordsee, aber ebenfalls zur dortigen Landbevölkerung passt. So erzählt Mathijs Deen in einem eigenwilligen, oft lakonischen Tonfall eine Geschichte, die, wenngleich bedächtig vorgetragen, doch einige Geheimnisse enthält.

Er ist Bademeister. Er ist die Beltquerung geschwommen, für die Reederei, zweimal, erst von Puttgarden nach Rodby und einen Tag später zurück. Wie um alles in der Welt kann er ertrunken sein?

Die Grenzfrage rund um die Sandbank De Hond wurde nie abschließend geklärt, wodurch der Streit zu Beginn des Romans einen nicht unerheblichen Umfang ausmacht. Dies ist allerdings dem sturen Verhalten des Brigadekommandeurs van de Wal zu verdanken, der mitunter eher wie die Karikatur eines Beamten wirkt. Seine Kolleginnen sind hingegen realistisch und ahnen, dass man den Leichnam besser direkt den deutschen Kollegen übergeben hätte, denn dann wäre man den Fall gleich wieder losgewesen. Stattdessen bietet sich hiermit die Möglichkeit für Cupido in die Ermittlungen einzusteigen, die durchaus ihre Tücken haben. Es fängt schon beim Fundort der Leiche an.

Sie haben nicht danach gefragt, aber Klaus Smyrna ist auf der Sandbank De Hond gefunden worden, bei Delfzijl. Sie wissen so viel über das Watt, vielleicht können Sie mir oder auch der niederländischen Polizei helfen zu verstehen, wie ihr Freund bei ablaufendem Wasser vom Randzelgat aus etwa zehn Kilometer gegen den Ebbstrom zu einer Sandbank treiben konnte, auf der er dann auch noch auf Höhe der Hochwasserlinie zu liegen kam, bei Niedrigwasser wohlgemerkt.

Im Laufe der Ermittlungen kommt es nicht nur zum Streit zwischen niederländischen und deutschen Ermittlern, sondern es zeigen sich zunehmend Risse in der angeblich so engen Freundschaft der drei Wattwanderer. Der Roman spielt an Land, auf dem Wasser und nicht zuletzt im Watt, einer eigenen, gefährlichen Welt, in der man insbesondere nachts die Orientierung verlieren kann. Vor allem, wenn man wie Lattewitz ohnehin an Wahnvorstellungen leidet. So überrascht es, dass unter diesen Umständen Smyrna die Wanderung mitgemacht hat. Auf Reinhard hätte er sich verlassen können, auf den psychisch angeschlagenen Lattewitz eher nicht. Dessen Aussagen gegenüber der Polizei ergeben so wenig Sinn wie der Fundort der Leiche. Lattewitz will zum Zeitpunkt, an welchem sein Freund dem Wasser zum Opfer fiel, seine Frau Helen gesehen haben. Diese ertrank allerdings vor vielen Jahren, wenngleich ihr Leichnam nie gefunden wurde.

Umschlaginnenseite mit Karte der Küstenregion
Umschlaginnenseite mit Karte der Küstenregion © mareverlag

Man muss sich nicht unbedingt mit Schifffahrt, dem Watt oder den Gezeiten auskennen, aber es erleichtert das Verständnis durchaus, wenn man beispielsweise weiß, was ein Priel ist. Deen beschreibt die Natur und ihre Urgewalt präzise wie eindringlich. „Der Holländer“ ist nicht nur ein feiner Krimi, sondern ideale Lektüre für einen Meer- oder Strandurlaub. Atmosphärisch großartig, wenngleich der Spannungsbogen überschaubar bleibt. Allzu viele Figuren kommen als Mörder nämlich nicht in Betracht. Aber war es überhaupt ein Mord? Auch eine von jenen Fragen, denen Cupido lange nachgehen wird, selbst wenn zwischendurch die Ermittlungen offiziell eingestellt werden, da von einem Unfall ausgegangen wird.

  • Autor: Mathijs Deen
  • Titel: Der Holländer
  • Originaltitel: De Hollander. Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
  • Verlag: mareverlag
  • Umfang: 272 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Februar 2022
  • ISBN: 978-3-86648-674-4
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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