La Maison – Das Haus der Lust (Film)


© Capelight Pictures

Vorab: Mir ist wichtig Sexarbeit von Zwangsprostitution zu trennen. Es sollte immer hinterfragt werden, wie freiwillig es sein kann, sexuelle Dienstleistungen anzubieten, da Frauen noch immer strukturell benachteiligt werden, während sie trotzdem einen Lebensunterhalt verdienen müssen. Sexarbeit ist aus meiner Perspektive dennoch die selbstbestimmte Entscheidung, Sex und Erotik als Dienstleistung anzubieten, während Frauen noch immer durch Menschenhandel, Lover Boys und Drogenabhängigkeit in die Prostitution gezwungen werden. Beides ist durch den unmittelbar ausgeübten Zwang nicht das Gleiche und sollte nicht als gleichwertig diskutiert werden.

In “La Maison – Das Haus der Lust” wird hauptsächlich Sexarbeit thematisiert.

“La Maison – Das Haus der Lust” handelt von einer Buchautorin mit Artblock die Sex liebt und nach dem nächsten neuen Thema für ihren Roman sucht. Emma – unsere Protagonistin – entscheidet sich deswegen in einem Berliner Bordell anzufangen, um dort mehr über das Leben Prostituierter zu erfahren und ihre Erfahrungen in einem Buch zu verarbeiten.

Dort lernt Emma – die auf der Arbeit den Namen Justin verwendet -, dass nicht alle Freier gleich sind, ihre Kolleginnen ihr eigenes Päckchen mit sich tragen und keiner die Frauen beschützt, wenn die Freier gewalttätig werden.

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Trailer: La Maison – Haus der Lust

“La Maison – Das Haus der Lust” ist ein Film von Capelight Pictures und erschien 2023 in Deutschland.

Wir begleiten Emma dabei, wie sie nach einem neuen Thema für ein weiteres Buch sucht, während ihr langsam das Geld knapp wird. Sie lebt zusammen mit ihrer Schwester in Berlin und kriegt hin und wieder Besuch von ihrem besten Freund, mit dem, obwohl er verheiratet ist, sie Sex hat. Beinahe spontan entscheidet Emma sich in einem Luxus-Bordell zu arbeiten, in dem schnell darauf hingewiesen wird, dass ihre Arbeitgeberin durch ihre Videoüberwachung alles beobachtet und sie mehr Freiheiten und Privilegien genießen darf als andere Frauen in anderen Betrieben.

Was das bedeutet, lernt Justin – Emmas Arbeitsname – schnell: Zwar kann sie Kunden nicht abweisen und muss für ihre Arbeit eine Rolle spielen, aber die Kund*innen, die kommen, sind meistens Menschen, die höhere Qualitätsstandards haben und eine Fantasie erleben möchten. Es kommen Doktoren, die die Frauen auch in ihrer Freizeit kostenfrei behandeln, Menschen, die einsam sind, Menschen, die sich nach Nähe sehnen, aber auch Menschen, die lernen wollen, wie Sex funktioniert. 

Ihre Kolleginnen sind ein ebenso vielfältiger Haufen – mit unterschiedlichen Hintergründen, vielfältigen Sprachkenntnissen und Lebensgeschichten zeigen sie, wie vielfältig die Gründe sein können, um in der Prostitution zu arbeiten. Zu diesen Gründen gehören unter anderem Geldmangel, weil man als Krankenschwester nicht genug verdient, oder auch der Wunsch, für die eigenen Kinder da zu sein, weil man sich mit “normalen” Berufen als alleinerziehende Mutter nicht über Wasser halten kann. Emma hat lange gebraucht, das zu erfahren, denn alle ihre Kolleginnen versuchen ihr Privat- und Berufsleben so gut wie möglich zu trennen – für manche könnte das Bekanntwerden ihrer Nebentätigkeiten das berufliche aus bedeuten.

Bisher klingt der Film aber so, als wäre es eine Beschönigung von Prostitution – als wäre alles toll und als wäre Prostitution eine Arbeit wie jede andere auch. Aber das trügt, denn das friedliche Bild zeigt seine hässliche Fratze, als eine von Emmas Kolleginnen von einem Freier vergewaltigt wird. Keiner schützte sie, keiner verhinderte die Tat, dem Freier drohten keine Konsequenzen und die Frauen mussten sich mit diesem Schock schnell abfinden, weil schon die nächsten Freier warteten. Zurück blieb nur der vorerst leere Spind der Frau.

Ich fand es spannend, wie im Film mit Licht und Kameraeinstellungen gespielt worden sind. Der Film gab sich Mühe verspielt zu wirken – sei es künstlerische Szenen oder bunteres Licht, wenn Emma intimen  Sex mit Menschen hatte, dokumentarfilmähnliche Aufnahmen, wenn wir Emma in ihrem Alltag verfolgen oder erotische Inszenierungen, wenn Emma einen Klienten bedient. Durch diese Inszenierung hatte ich beim Schauen oft das Gefühl, Emmas bereits fertiggestellten Roman zu erleben, statt Emma bei ihrem Prozess zu begleiten. Stellenweise wirkte das aber auch kitschig – gerade die zusätzliche Erotisierung von Emma auf der Arbeit – da es durch die Handlung des Films wie ein Porno von vor 20 Jahren wirkte.

Die Figuren waren mehr oder minder fesselnd: Emma selbst ist eine privilegierte Frau, die (im Moment noch broke) aus Interesse oder Faszination entscheidet, in einem Bereich zu arbeiten, der durch die Ausbeutung insgesamt schlechter gestellter Menschen – insbesondere von Frauen – geprägt wird. Zu keiner Zeit hätte sie als Prostituierte arbeiten müssen, entschied sich aber dazu, da sie selbst ein großes Verlangen nach Sex hatte und die Arbeit glamourisierte.

Ihre Schwester spielte dabei die konservative Stimme, die Sexarbeit ablehnte und diese als schmutzig und abwertend empfand. Sie versuchte deswegen immer wieder, Emma von ihrem Vorhaben umzustimmen.

Aber am besten und berührendsten wahren die anderen Prostituierten. Das Bordell-Team war eine Gruppe unterschiedlicher und vielschichtiger Frauen, die durch unterschiedliche Schicksalsschläge zur Prostitution gekommen sind. Es handelte sich dabei um Frauen, die aus den unterschiedlichsten Kulturen kamen, mehrere Sprachen sprechen konnten und durch ihre Arbeit ein Doppelleben führten. Eine von ihnen war eine Mutter, die sich prostituierte, damit sie tagsüber mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen könnte, statt den ganzen Tag auf einem herkömmlichen Job zu verschwenden, ohne ihre Kinder zu sehen.  Eine andere Frau arbeitete als Krankenschwester, verdiente aber nicht genug für ihren Lebensunterhalt. Andere ließen nie hinter ihre Fassade blicken.

Sie alle litten darunter, als Frauen strukturell benachteiligt zu werden – entweder durch Familienbenachteiligenden Arbeitsbedingungen, der mangelnden (finanziellen) Wertschätzung auf der Arbeit oder dem Stigma gegenüber Sexarbeit. Emmas Partner war zu Beginn noch unterstützend, doch zum Schluss schien ihm Emmas Arbeit und was diese mit Emma machte zu viel zu werden. Insgesamt ist “La Maison – Das Haus der Lust” ein fesselnder Film, der ein wichtiges, stigmatisiertes, politisiertes und stereotypisiertes Thema anspricht. Der Film hätte schnell mit dem gehobenen Zeigefinger wackeln und sagen können, dass Sexarbeit absolut verwerflich und schändlich ist. Stattdessen haben wir eine zwar privilegierte, aber trotzdem nuancierte Perspektive erhalten, wie ich es selten erlebt habe.

Gerne wird Sexarbeit und insbesondere sexarbeitende Frauen abgewertet, als schmutzig oder im besten Fall als Opfer betrachtet. Zwar ist Zwangsprostitution allgegenwärtig und macht einen Großteil der Sexarbeit aus, trotzdem gibt es Frauen, die freiwillig und selbstbestimmt diesen Beruf ausüben. Diese Arbeit hat deswegen genauso viel Respekt – wenn nicht sogar mehr – verdient, wie der Bankangestellte von nebenan. Sexarbeit – genauso wie Frauen, die privat gerne viel Sex haben – wird aber abgewertet und muss noch immer unter prekären Verhältnissen stattfinden. Sexarbeit wurde dabei nicht im Film beschönigt: Auch in der Sexarbeit kommt es zu Ausbeutung durch Freier und Puffmütter und zu Vergewaltigung und anderen Gewalttaten durch Klienten, welcher die Sexarbeitenden schutzlos ausgeliefert sind, ohne dass es zu Nachverfolgungen durch die Polizei oder anderen Hilfsangeboten kommt. Trotzdem kann es auch schöne Momente geben – gerade, wenn man sich mit Klienten und anderen Sexarbeitenden anfreundet. Aber auch dann ist das Machtverhältnis – oder besser gesagt der Machtunterschied – zwischen Freier, Klient und Sexarbeiter*in immer allgegenwärtig.

Deswegen: Ich kann den Film empfehlen, aber macht euch gefasst viele Genitalien zu sehen.

  • Titel: La Maison – Haus der Lust
  • Originaltitel: La Maison
  • Produktionsland und -jahr: Frankreich, Belgien 2022
  • Genre: Erotikdrama
  • Erschienen: 2022
  • Label: Capelight Pictures
  • Spielzeit: 88 Minuten
  • Darsteller:
    Ana Girardot

    Rossy de Palma
    Aure Atika
  • Regie: Anissa Bonnefont
  • Drehbuch: Anissa Bonnefont
  • FSK: 16
  • Untertitel: DE
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Wertung: 12/15 dpt



 


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