Während auf Sky gerade die vierte Staffel “Freak Show” läuft, die dritte “The Coven” als Verkaufsversion angekündigt ist (26.02.15), erscheint “American Horror Story – Asylum” nach der DVD-Veröffentlichung auch auf Blu-Ray.
Zu Recht, möchte man anmerken, denn die visuelle Gestaltung der Serie hat eine entsprechend verschärfte Präsentation verdient. Low Key-Fotografie von Kinoformat, die geradezu nach einem großen Bildschirm verlangt. Wir schreiben die beginnenden 60er, genauer 1964, wobei sich der gesamte “Asylum”-Handlungsrahmen von 1962 bis 2012 erstreckt beziehungsweise hin und her springt. Aufhänger ist die Ergreifung und Einlieferung des Serienmörders ‘Bloody Face’, dessen (Un)zurechnungsfähigkeit im Briarcliff-Sanatorium untersucht werden soll.
Die finstere Einrichtung steht unter der Willkürherrschaft Schwester Judes, welche die Anstalt gemeinsam mit dem Arzt Dr. Arden mit strenger und vor allem strafender Hand leitet. Arzt und Nonne werden protegiert vom jungen Monsignore Timothy Howard, der sich bereits als zukünftiger Papst sieht.
Die ehrgeizige Reporterin Lana ‘Banana’ Winters möchte weg von der Seite mit den Kochrezepten und sieht in einem Interview mit Kit Walker, ihren Reporterstern aufgehen. Walker ist der mutmaßliche ‘Bloody-Face’-Killer, der zig junge Frauen vergewaltigte und abschlachtete, darunter auch seine dunkelhäutige Gattin Alma. Walker beteuert zwar seine Unschuld, doch bis auf die junge Axtmörderin Grace, selbst Insassin in Briarcliff, glaubt ihm niemand seine Story von der Entführung durch Außerirdische, und dass Alma noch lebt, gefangen gehalten von eben jenen Aliens.
Lana schleicht sich mit Hilfe der naiven, freundlichen Schwester Mary Eunice ins Sanatorium und wird prompt von Schwester Jude entdeckt und in eine Zelle gesteckt. Jude macht sich den Umstand zunutze, dass Lana in einer Liebesbeziehung mit der Biologielehrerin Wendy Peyser steckt. Vor fünfzig Jahren ein Grund, jemand hinter den Mauern einer geschlossenen Anstalt verschwinden zu lassen, um ihn (oder sie) mittels Elektroschock- oder – von aufgeschlosseneren(!) Psychiatern betrieben –Verhaltens”therapie” von der psychischen Störung der Homosexualität zu heilen. Die verängstigte Wendy, die ihr berufliches und soziales Leben bedroht sieht, wird zur erpressten Unterzeichnerin von Lanas Schicksal. Lange muss sie mit ihrer Angst und Schuld nicht leben, denn ‘Bloody Face’ macht sich an sein Tag- und Nachtwerk. Womit für den Zuschauer klar sein dürfte, dass Kit Walker als Killer kaum in Frage kommt.
Dies ist natürlich nicht die einzige Überraschung, die Lana Winters blüht. Nahezu jeder Beteiligte wird mit etwas konfrontiert, dass sein derzeitiges Leben massiv verändert oder gar beendet. Dabei stellt sich an erster Stelle eine Frage: Ist Briarcliff-Manor das Tor zur Hölle oder die Hölle selbst? Kommt darauf an, ob man die Insassen oder die Wärter fragt, wird der aufmerksame Zuschauer folgern. Klug gedacht, doch kann sich der jeweilige Verweilplatz ganz schnell ändern.
“American Horror Story – Asylum” macht vieles richtig, um sich am Ende dann doch wieder selbst ein Bein zu stellen. Eher mehrere. Das war schon in der ersten Staffel so, in der die Geschichte um die tödlichen Ereignisse in einem Horrorhaus, erst spektakulär und spannend, sich dann unkonzentriert verzettelnd, bevor es in einem bitterbösen Finale endete. Der dritte Teil “The Coven” begann als elitärer Zauberschulkurs, um seine Geschichte zwischenzeitlich völlig aus den Augen zu verlieren, pendelte zwischen Voodooquark und fadem Hexengebräu hin und her und wusste bei all dem Sterben und Wiederauferstehen nicht mehr, wer schlussendlich noch lebte oder wieder tot war.
“Asylum” stürzt nicht vollständig ab, aber hängt im letzten Drittel doch arg angeschlagen in den Seilen. Die offensichtlichen Stärken sind bei allen bisherigen vier Staffeln gleich: Die schauspielerischen Leistungen rangieren zwischen ordentlich und grandios. Jessica Lange ist in jedem Part, in jeder der so unterschiedlichen wie ähnlichen Rollen, das magnetische Zentrum des ganzen Geschehens. Sarah Paulson, Evan Peters und Lily Rabe stehen dem kaum nach, Dylan McDermott wirkt in der ersten Staffel etwas steif, hat in der Asylum-Neuzeit aber ein paar furiose Auftritte als ‘Bloody Face’-Junior. Zachary Quinto gestaltet die kleinere (Teil 1) wie größere Rolle (Teil 2) souverän und eindrucksvoll. Einteilig agieren der charismatische James Cromwell, Chloë Sevigny mit und ohne Beine gewohnt raumfüllend, Joseph Fiennes ungewohnt schmierig und explizit als Gaststar Ian McShane, der mit Wonne den Psycho-Weihnachtskiller zum Allerbesten gibt. Fantastisch auch Naomi Grossman als ‘Nadelkopf’ Pepper, schauspielerisch berührend und maskentechnisch exzellent.
Womit wir beim nächsten Pluspunkt sind. Zweien. Dreien. Ausstattung, Setting , Masken und Prosthetics sind hervorragend. Die gesamte Technik hat Kinoqualität. Unter der Prämisse, das geklotzt und nicht gekleckert wird. Briarcliff ist das prototypische Horror-Hospital, eine gotische Spätgeburt, gezeugt in den frühen Jahren des Tonfilms, großgezogen von Roger Corman und den Hammer-Studios. Filmische Anspielungen, Verweise und Zitate gibt es zahlreiche, am offensichtlichsten sind die Alfred Hitchcock, Stanley Kubrick, Todd Browning, Robert Siodmak, Sam Fuller, James Whale und Miloš Forman gewidmeten.
Klischees werden maßlos strapaziert, sodass die Grenze zur Parodie gelegentlich überschritten wird. Das Parodistische als bewusstes Stilmittel eingesetzt führt zu den großartigsten Momenten der Serie. Wie die exzellente Musical-Einlage in der Folge “The Name Game – Das Blatt wendet sich” belegt. Dies zeitigt aber auch den Effekt, dass die “American Horror Story” zwar bizarr, tragikomisch, teils spannend und dramatisch, aber selten wahrhaft gruselig daherkommt – so wie es Standfotos und der beteiligte Stab suggerieren möchten. Das Pittoreske und Abseitige wird derart übertrieben, bis es den Zuschauer kalt lässt.
Dabei hat “American Horror Story – Asylum” mit der Story um Briarcliff-Manor unter dem finsteren Banner eines kirchlichen Strafregiments und später einer desinteressierten staatlichen Verwahranstalt, eine so packende wie kritische und erschreckende Geschichte im Zentrum. Denn bei aller grobmotorischen Plakativität, dürfte der Umgang mit psychisch Erkrankten (worunter nach damaligem Verständnis auch Homosexuelle fielen) von Elektroschocks, körperlicher und geistiger Züchtigung bis hin zu Zwangssterilisation und Folter, ziemlich genau dem Zustand einer menschenverachtenden psychologischen Praxis entsprechen, um vermutlich von der historischen Realität übertroffen zu werden.
Doch dies, sowie eine gehörige Portion Medienkritik und ein publikumswirksamer Serienmörder, reicht den Machern nicht. Da müssen noch experimentelle Menschenversuche eines ehemaligen Naziarztes (inklusive schauspielerisch gelungenem, aber irgendwie aus dem Seriengefüge fallendem Gastauftritt Franka Potentes) zur Spannungssteigerung herhalten (Dr. Moreau lässt grüßen), Aliens einen unmaßgeblichen Beitrag leisten, der Todesengel seine Flügel bildgewaltig und wiederholt ausbreiten. Zu böser Letzt darf sich der Teufel selbst einnisten.
Das führt dazu, dass die Spannung ein ums andere Mal verschleppt wird, Charaktere sich auf wenig nachvollziehbare Weise verändern oder wenig beachtet verloren gehen. Und obwohl es von fast allem zu viel gibt, bleibt am Ende wenig übrig. Denn nach dem massiven Abgang wichtiger Hauptfiguren, werden vier Jahrzehnte im Zeitraffer heruntererzählt und weitere Enden lieblos zusammengestoppelt. Wobei gelungene Gags und visuelle Highlights bis zum endgültigen Abspann die Aufmerksamkeit des geneigten Publikums aufrechterhalten.
Wie bei den beiden anderen bislang gezeigten Staffeln wäre mehr drin gewesen. An Substanz, Spannung und vor allem Horror.
Die spannendste Frage aber bleibt: Werden sich irgendwann verbindende Elemente bewusst offenbaren, die die inhaltlich unverbundenen Staffeln über das vertraute Schauspielerensemble hinaus einen? Zumindest der Nebenstrang um die blass-blitzenden Außerirdischen würde sich geradezu anbieten. Von kleinen, versteckten sicht- und/oder hörbaren Hinweisen ganz abgesehen. Stand tatsächlich ein Foto von Kathy Bates, die erstmalig in “The Coven” auftritt, auf einer Kommode oder war es nur eine optische Täuschung? Kleine Fragen, große Fragen. Die bleiben und die man von der “American Horror Story” gerne zukünftig beantwortet sehen möchte. Was letztlich zeigt, dass die Serie bei allen vorhandenen (großen) Schwächen etliches richtig macht. Und sie hat Jessica Lange.
Noch.
Sämtliches zu diesem Artikel gehörendes Bildmaterial © Twentieth Century Fox Home Entertainment
- Titel: American Horror Story – Asylum
- Originaltitel: American Horror Story – Asylum
- Produktionsland und -jahr: USA, 2012
- Staffel: 2
- Episoden: 13
- Genre: Horror, Psycho-Thriller, Mystery
- Erschienen: 11/2014
- Label: Twentieth Century Fox Home Entertainment
- Regie: Bradley Buecker
Michael Lehmann
Michael Uppendahl
Alfonso Gomez-Rejon
David Semel
Michael Rymer
Jeremy Podeswa
Craig Zisk
- Idee: Ryan Murphy, Brad Falchuk
- Produktion: Henry J. Lange Jr., Greg García
- Drehbuch: Tim Minear
James Wong
Jennifer Salt
Jessica Sharzer
Brad Falchuk
Ryan Murphy - Musik: James S. Levine
- Spielzeit: über 540 Minuten auf 3 Blu-Rays
- Darsteller:
Jessica Lange
Sarah Paulson
Evan Peters
Zachary Quinto
Lily Rabe
James Cromwell
Lizzie Brocheré
Joseph Fiennes
Dylan McDermott
Chloë Sevigny
Naomi Grossman
Frances Conroy
Jenna Dewan-Tatum
Adam Levine
Franka Potente
Ian MacShane
und mehr…
- Extras:
Entfallene Szenen
Der Wächter
Was ist American Horror Story: Asylum?
Willkommen in Briarcliff Manor
Die Kreaturen
- Technische Details:
DVD-Daten: DVD 9, Region 2 PAL
Bildformat: 16:9, 1.78:1
Audio: Englisch DD 5.1, Deutsch DD 5.1
Untertitel: Englisch, Deutsch und andere - FSK: 18
- Sonstige Informationen:
Produktbeschreibung auf fox.de
(inklusive Trailer und Erwerbsmöglichkeit)
Wertung: 11/15 dpt
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