
Geillis Duncan – viele kennen sie aus der Serie und Buchreihe „Outlander“, nur wenigen wissen, dass die Autorin, Diana Gabaldon, sich für diese Figur an einer tatsächlich existierenden Figur orientiert hat.
Geillis Duncan lebte im 16. Jahrhundert in Schottland und starb 1591 den Tod durch den Galgen. In einem hochpatriarchalen Gesellschaftssystem, das sich hinter Gottesfurcht und Religiosität versteckte, wurde sie als Hexe angeklagt – weil sie es gewagt hatte, Frauen bei der Entbindung zu helfen, sich mit Kräutern auszukennen und nachts das Haus zu verlassen, um sich die Sterne anzuschauen.
So zumindest die Darstellung in Jenni Fagans Novelle „Hexe“. In dieser reist Iris, die in unser jetzigen Zeit lebt, durch Séancen zu Geillis, besucht sie in ihrer Zelle unter der High Street von Edinburgh, spendet ihr Trost und lässt sie ihre Geschichte erzählen.
Jenni Fagans Prosa ist rau, ungeschönt, wütend und schmerzhaft. In „Hexe“ schreibt sie über die Gewalt, die Frauen seit jeher in patriarchalen Gesellschaften angetan wird, stellt das 16. und 21. Jahrhundert gegenüber, schildert wahre Gewalttaten an Frauen und demonstriert, dass sich nach wie vor einiges ändern muss. Nicht immer konnte ich mich des Eindrucks erwehren, dass sie auch ihre eigenen Erfahrungen einfließen lässt.
„Es gibt genau dann einen Sturm, wenn ein Mädchen begreift, das es niemals frei sein wird. […] Wenn die Hoffnung stirbt, bricht der Himmel auf.“
Eventuell der Kürze des Buches (144 Seiten) geschuldet, war mir allerdings das Kennenlernen zwischen Geillis und Iris zu holprig. Geillis akzeptierte von jetzt auf gleich, dass Iris in ihrer Zelle erscheint und stellte dies kaum in Frage. Auch hätte ich mir mehr Wissensvermittlung über die historische Figur der Geillis Duncan und die Fälle im 21. Jahrhundert gewünscht, dann hätte ich diese nicht zwischendurch googeln müssen.
Großartig fand ich aber die Symbolik der Krähe bzw. Vögeln allgemein und den magischen Realismus im Buch. Allgemein liest es sich wie ein wilder, schräger Fiebertraum – wenn die Geschehnisse nicht so furchtbar real wären.
Logischerweise kommt eine solche Geschichte nicht ohne Contentwarnungen aus, die sich zusammenfassen lassen unter: „Alle furchtbaren und unvorstellbaren Dinge, die Männer Frauen antun können“. Man sollte darauf definitiv vorbereitet sein, denn gerade weil das Buch so dicht geschrieben ist, wirken diese Gräueltaten noch viel mehr nach.
„Ich würde dir gerne versichern, dass der Frauenhass in 500 Jahren nicht mehr von unangenehm bis tödlich reicht, doch das kann ich nicht.“
2026 erscheint eine Autobiografie von Jenni Fagan. Aber auch ihre anderen literarischen Werke sind auf meiner Liste weiter nach oben gerutscht.
- Autor: Jenni Fagan
- Titel: Hexe
- Originaltitel: Hex
- Übersetzer: Werner Löcher-Lawrence
- Verlag: btb
- Erschienen: 2024
- Einband: Taschenbuch
- Seiten: 144
- ISBN: 978-3-44277-2469
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 10/15 dpt