Sameena Jehanzeb – Siebensteinthal (Buch)

Ein Ort zum Staunen, Leben, Lieben, Sterben und Gruseln

Siebensteinthal © Sameena Jehanzeb

Der Episodenroman „Siebensteinthal“ (Ruf der Märchenlande, Band 2) von Sameena Jehanzeb schließt an ihre 2018 veröffentlichte Novelle „Winterhof“ an, ist aber problemlos ohne Vorkenntnisse verständlich. Der Episodenroman erzählt sieben eigenständige Geschichten, die durch ein Buch miteinander verknüpft werden. Der grün eingebundene Lyrik-Band „Gesammelte Legenden aus dem Siebensteinthal“ taucht immer wieder in den Episoden auf. Er erzählt von Geistern, Dämonen, Hexen und Formwandlern, die einst im Siebensteinthal ihr Unwesen trieben. Sind die Gedichte ausgedacht? Oder verweisen sie auf reale, noch existierende Schrecken in der Erzählzeit der Episoden?

Im Vorwort werfen wir einen ersten Blick in die Legenden und auf magische Orte im Siebensteinthal. Auf der vorderen Innenseite der hochwertigen Klappenbroschur befindet sich eine detaillierte Karte mit den wichtigen Schauplätzen. Auf der rückwärtigen Innenseite finden wir ein Rezept des Lotuswassers, das in einer der Geschichten eine wesentliche Rolle spielt. Den einzelnen Episoden vorangestellt ist jeweils eine Seite aus den Legenden mit einem Auszug in Versform.

7 Episoden voller mysteriöser Begegnungen

  • Ein Buch verschwindet und niemand merkt es

Erna Kafka ist verstorben. Genickbruch durch fehlende Klebeenten in der Badewanne schlussfolgert Neffe Ayan. Seit der Eröffnung seines Kunst-Cafés hatte er wenig Kontakt zu Erna und bekam nur am Rand mit, dass sie ihr Leben und ihr Haus umgestaltet hatte. Als Ernas Leichnam aus der Wohnung getragen wird und Ayan noch einmal einen Blick auf sie wirft, ändert sich seine Sicht der Dinge radikal.

  • Rotröckchen

Scarlet tanzt im attraktiven roten Paillettenkleid durch die Nacht. Auf einmal wird ihr unwohl und eine junge Frau gibt vor, ihr zu helfen. Tatsächlich landet sie in einem perfiden, tödlichen Spiel von Möchtegern-Werwölfen. Doch Scarlet weiß sich mit Mitteln zu wehren, mit denen ihre Peiniger nicht rechnen konnten.

  • Das Ding

Viola kauft mit Mariam ein Kostüm für eine Halloween-Party. Ausgerechnet im Second Hand Shop überfällt sie ihre altbekannte Plage: Das Ding. Eine aus Schleim, verrotteten Pflanzen und Insekten bestehende Gruselgestalt taucht vor ihr auf. Sie manifestiert sich aus einem blinden Fleck in Violas Auge, den keine Augenspezialist:in diagnostizieren kann. Der Fleck katapultiert Viola schließlich in ihre Kindheit und zu blutigen Ereignissen.

  • Der Tränenhügel

Reporterin Lieke erhält von ihrem Chef den Auftrag, einen Sensationsartikel über den Tränenhügel in der Nähe eines modernen Wellness-Ressorts zu schreiben. Für die Recherche legt er ihr „Gesammelte Legenden aus dem Siebensteinthal“ auf den Schreibtisch. Angeblich treiben Hexen am Tränenhügel ihr Unwesen und lassen arglose Besucher:innen verschwinden. Sie fährt zu dem Wellness-Hotel und interviewt dessen Besitzerin. Lieke erliegt nicht nur dem Lotuswasser, sondern auch der attraktiven Ressort-Leiterin Maeve.

  • Die Geisterharfe

Emma kann den Tod ihrer Partnerin nicht verwinden, denn Mia will einfach nicht aus ihrem Leben verschwinden. Als Geist begleitet sie Emma, auch in das Wellness-Ressort, in dem sie sich erholen möchte. Auf dem Heimweg verfahren sie sich und landen in einem bizarren Geisternebel, aus dem sie sich nur mit Mühe befreien können. In Burg Rabenstein richtet eine mysteriöse Begegnung ihre Leben-Tod-Beziehung neu aus.

  • Dämonenwerk

Die vorletzte Episode führt zurück zu Runa, die einige Leser:innen vielleicht aus der Novelle „Winterhof“ kennen. In dieser Geschichte lauern Spoiler. Wer also die Novelle noch lesen möchte, sollte dies vorab tun. Runa lernt im Kunst-Café Emma kennen, die ihr den Band „Gesammelte Legenden aus dem Siebensteinthal“ schenkt. Runa hofft, dass das Buch und Café -Besitzer Ayan ihr helfen, sie von ihrem Herzenzleid zu befreien. Der Halbdämon verfolgt jedoch eigene Ziele.

  • Ein letztes Mal

Kann ein Dämonenzirkel magische Gefängnisse öffnen und Tote ins Leben zurückholen? Eine Dämonin bietet Runa Hilfe an. Und warnt sie davor, dass dämonische Rituale einen hohen Preis fordern und nicht immer das gewünschte Ergebnis erzielen.

Moderne Schauergeschichten schließen einen Kreis

Sameena Jehanzeb hat mit dem Siebensteinthal eine detailverliebt gestaltete Fantasy-Welt erschaffen, die ihre ganz eigene Charakteristik hat; irgendwo zwischen High- und Contemporary-Fantasy. Darin findet ein mittelalterlich anmutendes Geister-Schloss genauso seinen Platz, wie ein modernes Wellness-Ressort mit Lifestyle-Drinks aus der Hexenküche.

Ähnlich ideenreich wie die Schauplätze sind die Figuren angelegt. Zunächst wirken sie wie Menschen wie Du und ich, enthüllen jedoch nach und nach Besonderheiten. Die Protagonist:innen kommen mal mehr mal weniger sympathisch, aber stets glaubwürdig herüber und überraschen mit phantastischen Begabungen.

Der Episodenroman “Siebensteinthal“ erzählt spannende, moderne Schauergeschichten für Erwachsene und spart nicht an Gruselelementen. Blutrünstige Morde, eklige Monster oder Entscheidungen zwischen Leben und Tod prägen die Handlung, ähnlich wie in „Brïn“. Das schaurige Momentum baut die Autorin in jeder Episode geschickt und wirkungsvoll ein und erzeugt wahre Gänsehautmomente. Darüber hinaus erzählen einige Siebensteinthal-Episoden warmherzige sapphische Liebesgeschichten, die die düstere Atmosphäre angenehm auflockern (ähnlich wie in „Frozen, Ghosted, Dead”).

Von Episoden zum Episodenroman

Teilweise nicht so gut gelungen ist der Aufbau der Geschichten. In der längsten Geschichte „Das Ding“ spielt Violas Begleiterin Mariam zunächst eine wichtige Rolle, am Ende jedoch gar keine mehr. Auch die einleitende Beziehungsgeschichte zwischen Emma und Mia in „Geisterharfe“ ist sehr lang geraten, während die Szenen im Schloss etwas mehr Tiefe vertragen hätten. Stimmig aufgebaut sind dagegen „Der Tränenhügel“ und kürzere Geschichten wie „Rotröckchen“ und „Dämonenwerk“.

Der rote Faden der Rahmenhandlung geht zwischendurch verloren. „Gesammelte Legenden aus dem Siebensteinthal“ kommt in „Rotröckchen“ gar nicht vor und wird in „Die Geisterharfe“ nur kurz erwähnt. Eine zentrale Rolle spielt es dagegen in „Der Tränenhügel“. Die Zusammenführung der Episoden am Ende zu einer Geschichte ist hingegen rundum gelungen. Es macht Spaß, in „Dämonenwerk“ und „Ein letztes Mal“ vielen Figuren noch einmal zu begegnen und einen schönen Abschluss der „Siebensteinthal“ Erzählung und der „Winterhof“ Novelle zu lesen.

Parallel gelesen

 „Siebensteinthal“ las ich parallel zu Ursula K. Le Guins fulminanter Saga „Immer nach Hause“, die die Autorin ab den 1980er Jahren bis kurz vor ihrem Tod 2018 schrieb. Überrascht war ich darüber, dass es durchaus Ähnlichkeiten in beiden Büchern gibt, zum Beispiel beim Weltenbau.

Ursula K. Le Guin siedelte das Volk der Kesh im fiktiven Na Tal an, dem das reale Nappa Valley in Kalifornien als Grundlage diente. Mit detailreichen Beschreibungen und informativen Karten stellt „Immer nach Hause“ die Schauplätze vor und lässt die Natur ein essentieller Teil der Erzählungen werden. Zum Ort „Siebensteinthal“ ist kein reales Vorbild bekannt (ich könnte mir dennoch vorstellen, dass es eins gibt). Doch auch die Orte im Tal werden anschaulich beschrieben und dargestellt und ihre Beschaffenheit ist eine wichtige Basis der Geschichten. Die Menschen und Wesen des Siebensteinthals haben zwar nicht allzu viel mit dem Volk der Kesh, das den Native American nachempfunden wurde, gemein. Jedoch wirken auch sie wie eine verschworene Gemeinschaft, die mit ihren Mitteln ihre besonderen Lebensumstände meistern.   

  • Autor: Sameena Jehanzeb
  • Titel: Siebensteinthal
  • Teil/Band der Reihe: Ruf der Märchenlande, Band 2
  • Verlag: Sameena Jehanzeb/Nova MD
  • Erschienen: 10/2024
  • Einband: Klappenbroschur
  • Seiten: 208
  • ISBN: 978-3-989-42741-9
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite

Wertung: 11/15 dpt

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