Drogen, Internet und schöne Frauen

Kenjiro Takeda arbeitet eigentlich für die Mordkommission in Tokio, ist aber im Rahmen eines Austauschprogramms seit zwei Monaten in Hamburg, wo er an der Seite von Hauptkommissarin Claudia Harms ermittelt. Jetzt werden beide nachts zu einem grausamen Verbrechen gerufen. Am Osdorfer Born, einer Großsiedlung, die mehr als ein sozialer Brennpunkt ist, wurde ein Kleinkind tot in einem Gebüsch gefunden. Offenbar wurde es aus einer der oberen Etagen eines Hochhauses geworfen. Die Mutter sowie deren Lebensgefährten finden Harms und Takeda in kaum ansprechbarem Zustand vor. Alkohol und Crystal Meth zeigen ihre Wirkung, die sich auch in der völlig verwahrlosten Wohnung zeigt.
Ein totes Kleinkind, zwei drogensüchtige Eltern, eine Großsiedlung am Rande der Stadt. Menschen, die Steine auf Polizisten warfen. Die ihre Nachbarn nicht kannten. Denen alles egal war.
Takeda hatte eine neue Seite Hamburgs kennengelernt, eine neue Seite Deutschlands.
Der Fall scheint schnell geklärt, zumal der Lebensgefährte ein Geständnis ablegt. Eine Atempause bleibt dennoch nicht, denn es wartet ein kaum weniger spektakulärer Mord. In der Hafencity wurde die unbekleidete Leiche von Internetstar Markus Sassnitz aufgefunden. Offenbar von einem Auto überfahren, allerdings ergibt die Obduktion, dass die Todesursache erdrosseln lautet. Seltsam, aber überhaupt, warum war er nackt?
„Wir haben es mit einem Mord zu tun. Dieser Mann, Markus Sassnitz, wurde gezielt und mit voller Absicht überfahren.“
„Na, Ken. Sehen Sie wieder einmal etwas, das wir anderen nicht sehen?“
„Nein, ich sehe dasselbe wie Sie. Aber ich ziehe möglicherweise andere Schlüsse daraus.“
Bald zeigt sich, dass der einstige Star etliche dunkle, sehr dunkle Seiten hatte. Drogen, sexueller Missbrauch, Gewaltexzesse, um nur drei zu nennen. Verdächtige gibt es viele, allen voran seine von ihm getrenntlebende Frau, an der Takeda mehr als nur berufliches Interesse zeigt.
Fortsetzung der lesenswerten Inspektor-Takeda-Reihe
Nach „Inspektor Takeda und die Toten von Altona“ ist der vorliegende Band der zweite von insgesamt acht Romanen, wobei der letzte Band „Inspektor Takeda und der tödliche Ruhm“ im Juni dieses Jahres erscheint. Wie schon im Vorgänger treffen unterschiedliche Kulturen aufeinander, von denen die Serie natürlich in erster Linie lebt. Autor Henrik Siebold hat einige Jahre in Japan gelebt und dort für eine Tageszeitung gearbeitet, weiß also, worüber er schreibt. Interessant daher, wenn er aus japanischer Sicht über Deutschland und seine Marotten schreibt und uns so den Spiegel vorhält.
Unterhaltsam sind zudem die Dialoge zwischen Harms und Takeda, die sich aus eben jenen kulturellen Unterschieden ergeben. So führt der aktuelle Fall zu einem Startup-Unternehmen, in denen die Mitarbeiter sehr autark arbeiten. Für Takeda stellt dies ein Problem dar, denn als Japaner ist er strenge Hierarchien mit den damit verbundenen Verhaltensweisen gewohnt, sie sind quasi Teil seiner DNA. In der Story geht es um einen selbstherrlichen, zur Gewalt und Cholerik neigenden Blender, der einst viel Geld verdiente und dies später bei spekulativen Einsätzen wieder verlor. Es gibt zahlreiche Sexeskapaden – nicht nur beim Opfer –, zudem Spuren in die Organisierte Kriminalität, hier vor allem in den weltweiten Drogenhandel. Dass Drogen auf dem Seeweg in die Hansestadt kommen, ist nicht neu, dass Hamburg aber mit Crystal Meth geflutet wird und keiner die Vertriebswege vor Ort kennt schon.
„Man hat ihm etwas aufs Gesicht gedrückt, bis er endgültig tot war.“
„Scheiße.“
„Für das Opfer auf jeden Fall.“
Wirtschafts- und Internetkriminalität, Drogenhandel und undurchsichtige Liebesverhältnisse beim Opfer sorgen für reichlich Durcheinander und dann wäre da ja noch der Tod des Einjährigen zu Beginn des Romans. Die Polizeiarbeit wird detailreich beschrieben, ebenso wie das Nachtleben der Protagonisten, bei denen man nicht wirklich von Privatleben sprechen kann. Es ist das Los vieler Polizisten, der Job lässt kaum Platz für echte und dauerhafte Beziehungen. Neben den schon erwähnten kulturellen Unterschieden gibt der Autor viele Einblicke in die Historie, in der es beispielsweise ein Japaner war, der einst nach Deutschland kam, genauer ins damalige Kaiserreich, und das Crystal entdeckte. Später nutzten es im Zweiten Weltkrieg Japaner wie Deutsche, die einen für ihre Selbstmordpiloten, die anderen verteilten es als die bekannte Panzerschokolade.
Ein unterhaltsamer Krimi, der nicht nur viel Wissenswertes vermittelt, sondern dank vieler Verdächtiger für langanhaltende Spannung sorgt. Zwei sympathische Hauptfiguren runden das Lesevergnügen ab und vielleicht folgt man ja mal Takeda bei seinen nächtlichen Touren mit reichlich Whisky und Jazz.
- Autor: Henrik Siebold
- Titel: Inspektor Takeda und der leise Tod
- Verlag: atb
- Umfang: 352 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Mai 2017
- ISBN: 978-3-7466-3300-8
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Wertung: 12/15 dpt