Grenzerfahrung im Knoblauchsland

Ein vermeintlich ruhiger Tag im Juli. Kommissar Friedo Behütuns sitzt nach einem Besuch im Freibad bei Presssack und Bier und genießt die Ruhe, während Peter Abend dem Kollegen Jaczek bei der Umzugsvorbereitung hilft. Eine Mutter hatte ihre siebzehnjährige Tochter Karin vermisst gemeldet, doch in dem Alter übernachten Jugendliche halt schon mal woanders. Allerdings wird das stark beschädigte Fahrrad von Karin am nächsten Tag gefunden. Nachts brennt in Erlangen ein zuvor in Nürnberg gestohlener Pick-up aus, fünfzig Meter hinter der Stadtgrenze. Glück gehabt, nicht zuständig. Am nächsten Tag ist Karin noch immer verschwunden und zwei Mitschülerinnen geben einen Hinweis auf Moshir, der in Steinbach bei Fürth eine Kfz-Werkstatt betreibt.
„Du fährst von Fürth aus in Richtung Erlangen, hast also Nürnberg im Rücken und fährst davon weg – und landest aber nicht auf Erlanger, sondern auf Nürnberger Gebiet. Egal.“
Behütuns sucht Moshir auf, bei dem Karin tatsächlich am Vorabend war. Sie hat ihn gegen zwei Uhr nachts verlassen und zuvor ihren Vater beschuldigt, sich an ihr vergangen zu haben. Dieser ist seit rund zwei Wochen aus dem Ausland zurück, sucht seitdem eine Wohnung und Arbeit. Noch während des Gesprächs mit Moshir weist ein Mann die Beiden auf einen Leichenfund hin. Hinter dem Zaun, der die Werkstatt eingrenzt, liegt auf dem Acker die Leiche Karins. Der Zaun steht auf der Grenze zwischen Fürth und Nürnberg, nun müssen Behütuns und seine Leute ran.
„An was für einen Quatsch man alles denken kann, überlegte Kommissar Behütuns, während er, das Tablett unter dem Arm, mit seinen drei Kollegen in der Warteschlange stand. Beim Schweinebraten rechne ich ja auch das Fett nicht nach. Im Gegenteil: Ich verlange sogar nach einem extra fetten Stück. Sonst schmeckt es ja gar nicht.“
Neben Karins Vater und Moshir gerät Joachim Kollitz in Behütuns Blickfeld. Dem Geschäftsmann wurde besagter Pick-up gestohlen und nicht nur das, ihm gehört jenes Industriegelände, auf dem sich Moshirs Werkstatt befindet. Ein großes Möbelhaus ist dort geplant, einschließlich Autobahnanschluss und riesigem Parkplatz. Ob einer der drei Männer für die Tat in Frage kommt? Anscheinend wurde Karin von dem Pick-up in einem Waldstück angefahren, bevor dieser in Brand gesetzt und Karins Fahrrad entsorgt wurde. Doch warum fand man den Leichnam auf dem Acker und nicht im Wald?
Fortsetzung der Friedo-Behütuns-Reihe
Tommie Goerz („Frenzel“, „Meier“, „Im Tal“ und aktuell „Im Schnee“) ist Krimifans durch seine bislang zehnbändige Friedo-Behütuns-Reihe (2010-2023) schon lange bekannt, deren zweiter Teil „Dunkles“ im Juni dieses Jahres als Sonderausgabe neu aufgelegt wurde. Er führt ins sogenannte Knoblauchsland im Städtedreieck von Nürnberg, Fürth und Erlangen, wo sich der Protagonist zunächst in der örtlichen Geografie zu verlieren droht. Nachdem die Zuständigkeiten geklärt sind, geht es für die Ermittlungen nach Schmalau, Klein- und Großgründlach, die genannten Städte sowie weitere Orte in Franken und darüber hinaus.
Wer den Vorgänger kennt, ahnt, was kommen muss. Die drei Kollegen von Behütuns, die drei Peter (Abend, Jaczek und Dick) und ihr ständig grantelnder Chef nehmen sich des Falles an, wobei die Ermittlungen nicht immer dem entsprechen, was man sich unter Polizeiarbeit vorstellt oder als Krimileser gemeinhin erwartet. Womöglich war der Unfall ein Zufall und der Pick-up wurde für irgendetwas benötigt. So kommt man auf Idee, drei vergleichbare Wagen zu präparieren, in der Hoffnung, einer würde gestohlen. Es folgt eine längere Wartezeit, in der vor allem Jaczek und Behütuns ihren mitunter weit vom Fall abweichenden Überlegungen freien Lauf lassen.
„Gut, dass die Behörden klamm sind, denken sich viele. So können sie keinen Blödsinn machen, und es bleibt noch ein wenig Natur erhalten. Diese nämlich sehen Verkehrsplaner immer nur als zu durchquerendes Gebiet, nie als das, was sie ist.“
So wird über Sinn und Zweck riesiger Baumärkte außerhalb der Städte philosophiert, denn diese zerstören ja große Flächen der Natur. Eine Versiegelung, die unnötigen Verkehr produziert, denn in großen Bereichen der Möbelhäuser gibt es Waren wie beispielsweise Geschirr, die man bislang problemlos im eigenen Wohnort kaufen konnte. Auch das eine oder andere titelgebende Bier will verköstigt werden und löst weitere Gedankengänge bei Behütuns aus. Ein gelegentlicher Seitenhieb auf die Politik darf ebenfalls nicht fehlen, gefolgt von weiteren, teils irrwitzigen Gedankengängen. Am Ende, welch Zufall, ist der gleichnamige Ermittler für die Aufklärung verantwortlich.
„Wo müssen Sie denn genau hin?“
„Hast du die Nummer?“
„Nein, das Signal ist weg.“
„Wissen wir nicht.“
„Dann kann ich auch nicht helfen.“
Der muss ja ein Bild haben von uns beiden, dachte sich Behütuns. Kommen hier an mit Blaulicht und wissen nicht wohin.
Ja, natürlich gehört die Behütuns-Reihe in das Genre Kriminalroman, aber es geht halt alles, dem Buchtitel zum Trotz, nicht ganz bierernst zu. Ähnlich wie bei Kluftinger und Co. darf viel geschmunzelt werden, nicht zuletzt über den Protagonisten selber. Behütuns ist meist mit sich und den Umständen unzufrieden, greift gern zu reichhaltiger Fleischnahrung – auch hierüber gibt es viel zu erzählen – und kühlen Getränken. Im Gegensatz zum ersten Band „Schafkopf“ wird hier nur selten Dialekt gesprochen, dafür die Gegend – wie erwähnt – haarklein seziert. Nicht nur für Franken, sondern für Krimifans, die gern ruhige, ausgefallene Plots mögen, sind die Behütuns-Krimis höchst amüsante Vergnügen und dies auf sprachlich hohem Niveau. Wortwitz und anspruchsvolle Sätze sind nicht selten zu finden, was nicht zuletzt an den verwinkelten Gedankengängen Behütuns liegt.
- Autor: Tommie Goerz
- Titel: Dunkles (Sonderausgabe)
- Verlag: ars vivendi
- Umfang: 268 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Juni 2025
- ISBN: 978-3-7472-0728-4
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Wertung: 11/15 dpt







