Wiglaf Droste – Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv (Buch)


Wiglaf Droste - Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv (Buch) Cover © EditionTiamatAuch nach fast dreißig Veröffentlichungen papierner Natur ist der gebürtig ostwestfälische, heuer jedoch “unterwegs oder in Berlin” lebende Satiriker, der gerne auch mal singt, des Querulierens unterdrüssig, und die, die ihn als das kennen und lieben beziehungsweise hassen, was er ist oder zumindest darstellt, werden in ihren Erwartungen nicht enttäuscht. Einmal mehr echauffiert sich der 1961 aus dem mütterlichen Uterus katapultierte Vielschreiber über die seltsamen Blüten, die unsere Sprache jahrjährlich treibt: Alles wird in Zonen aufgeteilt, den “coffee to go” trinkt man am “place to be”, bevor man sich wieder seiner “To do”-Liste widmet, denn Arbeiten ohne Koffein ist schließlich ein “No go”. Das Jewel-Case der CD wird von “seiner Wenigkeit” etymologisch auf absurde Weise demontiert, und neben der Anprangerung des Jogiismus werden auch die unsinnigsten Anglizismen kritisch und mit Biss und Wortwitz in den verbalen Schwitzkasten genommen. Hinzu gesellen sich ulkige Wortschöpfungen, bei denen Droste gerne auch mal demonstriert, dass er da noch locker “über kann”.  Gern knöpft er sich auch die verschwurbelten Floskeleien und floskelhaftes Geschwurbel, Marketing-Neusprech und dergleichen vor (“Dialogannahme im Service-Kernprozess”, “Wer Apps appt, muss auch kuratieren” oder die Euphemismusdemaskierung “Teamplayer im Goods Flow Lagerbereich”).

Doch die niedergeschriebenen Giftpfeile richten sich nicht einzig und allein gegen die sprachlichen Abstrusitäten, sondern auch gegen die Lemminghaftigkeit mancher des selbstständigen Denkens nicht mächtigen Dividuen. Ebenso rechnet der Mann mit dem doch sehr seltenen Vornamen mit einigen politischen Kapriolen der letzten Zeit ab oder beobachtet, analysiert, zerhackstückt und zerschreddert das Agieren dummer Menschen. Besonders polemisch-euphorisch lässt er sich schön breit über gesellschaftliche Seltsamkeiten und Ärgernisse aus. Hierbei ist er sich gelegentlich nicht einmal zu schade, sich auch mal als Opfer darzustellen – Ich-Zentriertheit wird dann zur schreiberischen Disziplin. Es wird sich teilweise verklausuliert, dann wieder überzeichnend oder mit Vokabular, welches Verbundenheit zur Geburtsgegend signalisiert, ausgedrückt, sodass selbst beschriebene Banalitäten zu einer kurzweiligen Erzählung oder Ausführung werden, die dem Lesenden mindestens ein Schmunzeln zu entlocken vermögen.

Es werden Hotelgästebücher nach Sinnfreiem durchforstet, Religionen und die Kirche nadelzüngig traktiert, Sechsjährige bewundert, die auf einmal schwul werden wollen, Unzulänglichkeiten der Post und der Bahn belächelnd bekopfschüttelt, die vielen kommerziellen “Pakete” aufgeschnürt und als Mogelpackungen entlarvt, und auch torpedierte Dorfidylle, sommerliche Semistripteases, die man nicht sehen möchte, olfaktorische Kakophonien, Bettelei, Wucher, Uneltern, journalistische Mit-Finger-an-Stirn-Tipper, kleine Anekdötchen, ebensolche Kleinodien an Diverse und Diverses sowie einer Gastgeschichte von Herrenzimmer-Betreiber Archi W. Bechlenberg (sehr amüsant!), Frau Zwiebelbein… ja, ach, Wiglaf Droste scheinen die Ideen offenbar nie auszugehen. Ganz interessant ist, dass manche der meist eineinhalbseitigen Texte vom Vorgängertext inspiriert sind, oftmals fließen die Themen regelrecht ineinander – man kommt vom Stöckchen aufs Steinchen auf die Wiese auf die Decke auf die Stulle auf Dings auf Bums auf Tralala auf Hoppsasa.

Sicherlich mag es stellenweise so erscheinen, als sei Droste ein manierenloser Dauernörgler, der wie ein gelangweilter Rentner nur darauf wartet, wenn auch schreiberisch virtuos, mit teilweise heftigster roher Wortgewalt auf alles einzudreschen, was auch nur die geringste Angriffsfläche bietet, doch letztendlich macht sein bewährter Spagat zwischen Feingeist und Ungehobeltsein genau den droste’schen Charme aus, der vor allem eines tut: Polarisieren. Bevor man allerdings in Schnappatmung verfällt, die Stirnfalten ein “V” bilden und man das Buch erzürnt in die Ecke pfeffern möchte, sollte man bedenken, dass kein Leser dazu gezwungen ist, mit den Meinungen, die der Frühfünfziger vertritt, konform zu gehen. Droste sagt, was er denkt, und selbst beim Rezensenten sorgt dies immer wieder mal für Fingernagelrillen in den Handflächen – der Autor verzichtet zugunsten des verbalen satirischen Holzhammers auf geschwollenen Elitekabarettismus und überlässt das Auflesen der Trümmer anderen.  Ob die daran Spaß haben, ist ihre Entscheidung. Letztendlich wird sich Droste wohl denken: Wer sich auf den Schlips getreten fühlt, der soll eben keinen tragen.

Cover © Edition Tiamat

 

 

Wertung: 11/15 dpt

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