Colin Dexter – Die Töchter von Kain (Buch)


Und dann wird der Hauptverdächtige ermordet

Die Töchter von Kain
© Unionsverlag

August 1994. Am Wolsey College lehrte Dr. Felix McClure einst Alte Geschichte. Nun ist er eremetierter Professor und tot, erstochen in der eigenen Wohnung. Eigentlich ein Fall für Chief Inspector Phillotson, doch dessen Frau ist schwer erkrankt und daher übernehmen Chief Inspector Morse und Detective Sergeant Lewis den Fall. Morse vermutet hingegen, dass man seinem Kollegen schlicht nicht zutraut, den Fall jemals zu lösen.

Juni 1993. Matthew Rodway springt aus unbekannten Gründen aus dem Fenster seines Studentenzimmers im dritten Stock. Waren Drogen im Spiel? War es Selbstmord? Felix McClure war sein Tutor und so besteht möglicherweise ein Zusammenhang zwischen den beiden Vorfällen. Zumal damals Edward Brooks als Hausdiener im College für Rodways Etage zuständig war, sich hauptsächlich aber als Drogendealer sein Gehalt aufbesserte. Nachdem McClure dies aufdeckte verlor Brooks seinen Posten.

„Mord?“

„Mord.“

„Noch einer?“

„Derselbe. McClure.“

„Den bearbeitet Phillotson.“

„Nicht mehr.“

„Aber…“

„Seine Frau ist krank. Sehr krank. Sie übernehmen den Fall.“

„Aber…“

„Sie haben keine schwer kranke Frau. Sie haben nämlich gar keine Frau.“

Schon bald stellen Morse und Lewis fest, dass Brooks ein ziemlich übler Zeitgenosse ist, der seine Ehefrau tyrannisiert und vermutlich seine Stieftochter, die vor Jahren die gemeinsame Wohnung fluchtartig verließ, misshandelte. Morse und Lewis kommen zunächst nur in kleinen Schritten voran, jedoch dann zu dem Schluss, dass Brooks der Mörder von McClure sein muss. Wenig später wird auch dessen Leiche gefunden. Ermordet mit der derselben Tatwaffe wie McClure.

Ein „Klassiker“ in neuer Übersetzung

Colin Dexter (1930-2017) ist Krimifans sicher kein Unbekannter, wenngleich der ganz große Durchbruch in Deutschland erst durch die Verfilmungen („Inspector Morse“, „Der junge Inspector Morse“ und „Lewis – Der Oxford-Krimi“) gelang. In den 1990er Jahren erschienen seine Bücher im Rowohlt Verlag, so auch der vorliegende elfte von insgesamt dreizehn Romanen der Inspector-Morse-Reihe. Derzeit erscheinen sie im Unionsverlag in neuer Übersetzung und – Achtung! – teils mit neuen Titeln. So erschien „The Daugthers of Cain“ erstmals 1994, die deutsche Erstübersetzung zwei Jahre später unter dem Titel „Die Leiche am Fluss“.

„Bisschen zäh, der Fall, Sir.“

„Ein wunderbarer Euphemismus. So nennt man in der Rhetorik eine Beschönigung oder Untertreibung, im Gegensatz zur Hyperbel. Ich vermute, Sie wollen mir sagen: Wir stecken fest…“

Nahezu selbstredend bietet der elfte Band alle Ingredienzien auf, die die Fans von einem Morse-Roman erwarten. Einen oft mürrischen, arrogant-besserwisserischen Ermittler, der nicht selten seinen Mitarbeiter Lewis auf Rechtschreibung und Grammatik aufmerksam macht. Morse ist – auch dies sein Markenzeichen – wieder einmal schnell bei der Lösung des Falles oder zumindest auf der richtigen Spur, bis diese sich recht bald als Sackgasse herausstellt. Der mitentscheidende Hinweis kommt erst gegen Ende des Romans von Lewis, der den oft skurril anmutenden Gedankengängen seines Chefs nur selten folgen kann. Herrlich bissige Dialoge sorgen für beste Unterhaltung, während der Plot selbst zunehmend mehr Verwirrung bei handelnden Personen wie Lesern stiftet.

„Wo fehlts denn, Sir?“

„Die Brust tut mir weh, die Beine tun mir weh, der Kopf dröhnt, mir ist schlecht, und ich schwitze. Fragen Sie lieber, wos nicht fehlt.“

„Haben Sie Ihre Pillen genommen?“

„Klar. Man muss sich ja fit halten.“

Morse, dessen Gehirn erst dann richtig rund läuft, wenn zahlreiche Trankopfer erbracht wurden, so das ein oder andere Pint zur Mittagspause oder Whisky am Abend, hat erneut gesundheitliche Probleme. Neben seinem übertriebenen Alkoholkonsum raucht er reichlich Zigaretten, so dass bei zugleich mangelnder Bewegung eins zum anderen kommt. Da können die Lösung des Kreuzworträtsels der Times oder eine Wagner-Oper auch nichts mehr retten. Zudem immer wieder köstlich, Morses denkwürdiges Verhältnis zu Frauen; schnell verliebt, schnell gescheitert. Es soll einfach nicht sein.

Die Romane Dexters wirken nach über einem viertel Jahrhundert immer noch frisch und bieten beste britische Krimikost. Es ist Zeit für eine Wieder- oder Neuentdeckung!

  • Autor: Colin Dexter
  • Titel: Die Töchter von Kain
  • Originaltitel: The Daugthers of Cain. Aus dem Englischen von Ute Tanner
  • Verlag: Unionsverlag
  • Umfang: 313 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Februar 2021
  • ISBN: 978-3-293-20842-1
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite

Wertung:  12/15 dpt 


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