Yves Ravey – Bruderliebe (Buch)


Yves Ravey – Bruderliebe (Buch)

Kurzer, knackiger Noir

Bruderliebe
© Verlag Antje Kunstmann GmbH

Die Brüder Max und Jerry könnten unterschiedlicher kaum sein. Max, Buchhalter und Prokurist im Pourcelot-Werk; Jerry, ein alter Kämpfer aus Afghanistan. Zwanzig Jahre haben sich die Beiden nicht gesehen, aber jetzt soll Jerry bei der Entführung von Samantha helfen, Pourcelots Tochter. Eine halbe Millionen Euro Lösegeld wollen sich die Brüder teilen, der Plan ist ausgereift und die Entführung klappt ohne Zwischenfälle.

In der vormals elterlichen Wohnung, die jetzt Max sein zuhause nennt, wird Samantha untergebracht, die Lösegeldübergabe mit ihrem Vater noch für den gleichen Tag vereinbart. Salomon Pourcelot bittet seinen Mitarbeiter Max, der ihm seit über zwanzig Jahren die Treue hält, die Hälfte des Lösegeldes von der Bank zu holen, der Rest befindet sich im Firmentresor. Pourcelot gibt Spielschulden vor, die zu begleichen sind.

Alles läuft rund, doch dann will Samantha plötzlich nicht mehr zurück zu ihrem Vater. Mehr noch beschäftigt Max die Frage, warum sich Jerry ihr gegenüber ohne Maske zeigt? Bei einer späteren Befragung durch die Polizei könnte sie ein genaues Bild von ihm abgeben, womit auch klar wäre, dass es sich um den Bruder von Max handelt. Sollte etwas schieflaufen, verweist Jerry zudem auf einen namenlosen Freund, der in diesem Fall seinen Anteil bei Max abholen würde.

Schließlich kommt es zur Geldübergabe und die Probleme beginnen.

Ravey ist ein Meister der Verknappung

Yves Ravey, Professor für bildende Kunst, ist ein Meister der Verknappung. Viele seiner „Romane“ haben hundert Seiten oder gar weniger, bringen gleichwohl in bester Noir-Tradition die Handlung auf den Punkt. Keine unnötige Ablenkung, kein Satz zu viel. Im Gegenteil. Die ungleichen Brüder, von denen Max als Ich-Erzähler den Plot darbietet, werden in ihren unterschiedlichen Charakteren eher grob angerissen. Man ist sich nicht ähnlich, ein wenig entfremdet zudem und das Verhältnis zu den Eltern könnte unterschiedlicher kaum sein. So prägt ein gewisses Misstrauen von Max die Szenerie, welche noch verstärkt werden soll.

Bald stellt sich nämlich die Frage, wer eigentlich die Entführung inszeniert hat? Wer bestimmt die Regeln? Und woher weiß Pourcelot mehr als er eigentlich wissen kann? Und vor allem: Woher kennt Samantha plötzlich Jerrys Vornamen?

Yves Ravey startet in seinem Werk immer wieder ein großes Kopfkino, denn was nicht erzählt oder nur angedeutet wird, muss sich der Leser selber denken. Am Ende kommt es zum furiosen Finale. Ein feiner Noir mit rund hundert Seiten und man freut sich einmal mehr, dass es sie noch gibt, die kleinen Verlage, die noch den Mut aufbringen, selbst solche Romane auf den Markt zu bringen. Rund hundert Seiten für rund zwanzig Euro? Verlage wie in diesem Fall Antje Kunstmann oder ars vivendi und Liebeskind stehen beispielhaft als positive Beispiele für verlegerische Beherztheit. Es gilt die Literatur, nicht primär der Euro oder die Verkaufszahl. Hut ab!

Mehr von Yves Ravey?

Hier gibt es die Rezensionen zu „Ein Freund des Hauses“ und „Die Abfindung“.

  • Autor: Yves Ravey
  • Titel: Bruderliebe
  • Originaltitel: Enlèvwment avec  rancon. Aus dem Französischen von Angela Wicharz-Lindner
  • Verlag: Antje Kunstmann
  • Umfang: 96 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Februar 2012
  • ISBN: 978-3-88897-750-3


Wertung: 11/15 dpt


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