Stephanie Mehnert – Das Flimmern kleiner Lichter (Roman)

“Das Flimmern kleiner Lichter” ist eine warmherzige Außenseiterstory

Stephanie Mehnert beweist mit ihrem Roman, wie sich krasse soziale Themen in eine warmherzige Wohlfühllektüre verwandeln lassen, ohne dass dem Text dadurch Kitsch oder ein Verlust an Authentizität widerfährt.

Der Plot ist um Ronja konzentriert. Die junge Frau arbeitet als Pflegehilfskraft im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Sie stammt aus schwierigen familären Verhältnissen und hat sich ihren bisherigen Weg mühsam selbst erkämpft. Doch Probleme hat sie trotzdem noch genug. Ihr Vorgesetzter Torben belästigt sie sexuell und als ihre Lieblingspatientin Helen plötzlich in eine Klinik zwangseingewiesen wird, lässt sich Ronja dazu überreden, Helen zu befreien und zu verstecken. Noch komplizierter wird die Situation für Ronja als sie sich in Helens vermeintlichen Enkel Juri verliebt, der seine ganz eigenen Probleme in die Geschichte hineinträgt.

Das Ganze droht Ronja über den Kopf zu wachsen. Mehnert lässt ihre tapfere Protagonistin jedoch nicht allein. Die Krise schweißt Ronjas Freundeskreis fest um sie herum zusammen. Mehnert entwirft das intakte Bild einer Familie, die füreinander einsteht. Nicht Blutsverwandschaft ist entscheidend, sondern Zuneigung und Vertrauen sind es. Das Flimmern dieser zahlreichen kleinen Lichter wird zum Hoffnungslicht in Ronjas Chaos.

Mehnert setzt den „kleinen Leuten“ in ihrer Geschichte ein klares Denkmal. Sie zeichnet lebendige Porträts von ihren Figuren, die einzeln betrachtet alle eher den Rand der Gesellschaft repräsentieren. Ihr Anliegen, die Menschen hinter dem Klischee zu zeigen, geht auf.

Vielleicht sind die einzelnen Charaktere eine Spur zu selbstlos. Vielleicht zeichnet die Autorin die Toleranz untereinander auch einen Tick zu reibungslos. Doch die Intention rechtfertigt die Darstellung. Mehnert verleiht ihren Protagonist:innen nicht nur sehr individuelle Gesichter, sie lässt sie gemeinsam als Solidargemeinschaft handeln. „Das Flimmern kleiner Lichter“ symbolisiert zusammengenommen ein starkes hoffnungsvolles Licht. Im Falle von Ronja bedeutet dieser Zusammenhalt Rettung.

Sprachlich ist Mehnert ganz dicht dran an ihren Charakteren, allen voran an ihrer Hauptfigur Ronja. Die Prosa ist unprätentiös, die Dialoge direkt. Ronjas Gedanken fließen übergangslos dazwischen. So kommt man der Protagonistin und ihrem Gefühlschaos sehr nah.

Für zusätzliche Spannung sorgt die Autorin durch eine kleine Nebenhandlung, deren Verbindung mit dem Hauptgeschehen sehr lose verknüpft ist. Die Katze von Ronjas Patientin Helen geht verloren und wird von einer bis kurz vor Ende unbekannt bleibenden Frau aufgegriffen. Dieser Handlungsstrang wirkte auf mich ein wenig verloren. Dahinter steht ein großes eigenes Thema. Man hätte diesem aus meiner Sicht mehr Raum gewähren sollen oder aber ganz auf ihn verzichten können.

Trotz aller Harmonie, die Mehnert innerhalb der „Familie“ entwirft, verliert sich der Roman nicht in Naivität. Einzelne Krisen lassen sich gemeinsam beheben, die großen Probleme dieser Welt lösen sich dadurch aber noch lange nicht auf. Mehnerts Blick bleibt kritisch. Den Optimismus schenkt sie ihren Leser:innen trotzdem.

Mehnerts Debüt erinnert mich ein wenig an „Nordstadt“ von Anika Büsing, in dem ebenfalls eine junge sozial unterpriveligierte Frau um ihren Platz in der Gesellschaft kämpft, den diese ihr mehr als einmal streitig macht. Wer „Nordstadt“ liebte, wird nicht anders können als auch diesen Roman ins Herz zu schließen.

  • Autorin: Stephanie Mehnert
  • Titel: Das Flimmern kleiner Lichter
  • Verlag: Ulrike Helmer Verlag
  • Erschienen: August 2024
  • Einband: Gebundene Ausgabe
  • Seiten: 144 Seiten
  • ISBN: 978-3897414921
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