Ägyptische Mythologie trifft auf Crime-Noir im modernen New York
Im Metropolitan Museum of Art wurde der Wachmann Nick Mourne ermordet. Man fand ihn mit gebrochenem Genick über einen ägyptischen Sarkophag gebeugt. War es ein Raubmord?
Der Gerichtmediziner Jahi Mafed untersucht den Leichnam und zeigt ein auffälliges Interesse an dem Fall. Nur ein Kollege beim NYPD weiß, dass Mafed bereits über 3000 Jahre auf Erden wandelt und in Wirklichkeit der altägyptische Totengott Mafed ist. Auch im modernen New York geleitet dieser weiterhin die Seelen der Verstorbenen in die Nachwelt, die Duat. Aufgrund dieser speziellen Vergangenheit möchte Detective Ian Barnell ihn als Partner bei der Ermittlung haben. Also lässt er seine verwandtschaftlichen Beziehungen zur Chefin spielen.
Gemeinsam machen sich der Totendoc und der Detective auf die Jagd nach dem Mörder. Mafeds Ahnung, dass seine Vergangenheit irgendwie in Verbindung mit diesem Verbrechen steht, verstärkt sich, als er der Restauratorin des Met-Museums begegnet, Khamsa Al Mousa. Mafed lernte diese Frau vor 3000 Jahren als Prinzessin Hatschepsut kennen. Sie verbrachten leidenschaftliche Nächte miteinander, bevor sie als eine von wenigen Frauen zur Gott-Königin, zur Pharaonin der 18. Dynastie im Ägyptischen Reich gekrönt wurde.
Ausflüge ins Alte Ägypten
»Alle«, antwortete Mafed ungerührt [..] »Ein Gott muss schließlich verstehen, wenn die Menschen nach ihm rufen«, erklärte der Unsterbliche.
S. 162
Urban-Fantasy (auch Contemporary-Fantasy genannt) erzählt Crime-Storys zumeist an urbanen Schauplätzen der Gegenwart mit Protagonist:innen aus der Phantastik. Vampire, Werwölfe und Feen spielen neben menschlichen Charakteren oft die entscheidenden Rollen. Zusätzliche Handlungsstränge finden oft an historischen Schauplätzen statt, zum Beispiel im Viktorianischen England. Seltener, aber durchaus im Buchmarkt vertreten, sind Serien, die Götter in den Mittelpunkt stellen und faszinierende Einblicke in die griechische oder nordische Mythologie bieten. In ganz wenigen Buchreihen bildet das Alte Ägypten den Hintergrund einer Urban-Fantasy Story. Was eigentlich verwundert. Denn Ägypten im Altertum, in der Landessprache „Kemet“ genannt, bietet so viel Potenzial: ein vielschichtiges Pantheon, faszinierende gottgleiche Könige, die Pharaonen, Intrigen, Kriege und eine Menge möglicher Love-Interests.
Der Art Skript Phantastik Verlag erkannte dieses Potenzial und brachte die „Kemet“ Reihe heraus. Zuerst erschienen die Kurzgeschichten „Totensand“, „Totenpfade“ und „Totengeister“ von Jenny Wood und schließlich die Romane „Totenfluch“, „Path into Duat“, „Totennacht“, „Trail into Heka“ und „Deadend at Heliopolis“. Die Romane schrieben Jenny Wood und Melanie Vogltanz teilweise allein oder gemeinsam. Der hier besprochene Auftakt der Roman-Reihe „Totenfluch“ stammt aus der Feder von Jenny Wood und knüpft an die Kurzgeschichten „Totenpfade“ und „Totengeister“ an, Der Roman gilt als dritter Fall für Barnell und Mafed, den Totengott und Rechtsmediziner und den NYPD Detective. Er kann problemlos ohne die Kenntnis der Kurzgeschichten gelesen werden.
Zeitsprünge von 3000 Jahren
Erzählt werden einerseits die aktuellen Geschehnisse um den Mord in dem Met-Museum, in dem Barnell und Mafed gemeinsam ermitteln. Die beiden agieren auf Augenhöhe und liefern sich während der Ermittlungsarbeiten schlagfertige Dialoge, zuweilen mit sehr persönlichen Anspielungen. Barnell erfuhr in der Kurzgeschichte „Totenpfade“ von Mafeds langjähriger Vergangenheit als Totengott. Eigentlich existiert dieser als Kater und kann sich in einen Menschen verwandeln. Andererseits springt die Handlung bisweilen über 3000 Jahre zurück in die Zeit um 1477 vor Christus nach Theben ins Alte Ägypten. Dort erlaubt sich der im Götter-Pantheon recht unwichtige Totengott Mafed eine stürmische Liebesaffäre mit Prinzessin Hatschepsut. Die historische Figur galt als eine ebenso schöne wie clevere junge Frau, die es schaffte, sich selbst zur Pharaonin zu krönen. In der Romanhandlung macht sich der Kater, wie Hatschepsut den Totengott zärtlich nennt, damit allerdings erpressbar.
Es knistert und geht zur Sache
Der Roman „Totenfluch“ lässt sich thematisch in etwa so aufteilen: Zu gleichen Teilen fokussiert sich die Handlung auf den Kriminalfall und auf die Liebe. Ein deutlich kleinerer Anteil beschreibt die Geschehnisse im Alten Ägypten, die sich wiederum um Sex und um Intrigen unter Göttern drehen. Lesende mit einer Vorliebe für spicy Sex-Szenen kommen in der historischen und der Gegenwarthandlung auf ihre Kosten. Mafet hat nicht nur in der Antike mit Hatschepsut Spaß im Bett. Er schläft in der Gegenwart mit dem Wissenschaftler Alex, der ihn regelmäßig in New York besucht. Anschaulich und glaubwürdig werden aber nicht nur Sexualpraktiken beschrieben, sondern auch die emotionalen und existenziellen Hürden einer Beziehung zwischen einem kurzlebigen Menschen und einem langlebigen Gott. Ich hätte zwar lieber etwas mehr über die Intrigen der Götter und Pharaonen im Alten Ägypten und Mafeds Verwicklungen darin gelesen, da hier wesentliche Fragen offenbleiben. Und weniger explizites Liebesspiel. Doch Jenny Wood traut sich an Szenen heran, die viele Autor:innen lieber ausblenden und setzt sie vielfältig und stimmig in Szene.
Ein innovativer und unterhaltsamer Mix
„Totenfluch“ ist der Auftakt der fünfbändigen Kemet-Serie und macht große Lust auf mehr. Zwar lässt die Kriminalhandlung ein knackiges Finale vermissen und präsentiert ein Ende, dass Lesende bereits erwartet hatten. Dennoch hält die Story mit überraschenden Wendungen in der Vergangenheit die Spannung hoch. Da steckt noch einiges Potenzial drin, das in den Folgebänden hoffentlich genutzt wird. Die Story überzeugt nicht nur durch eine faszinierende Mythologie, sondern vor allem durch die Entwicklung der Charaktere Mafed und Barnell. Es macht Spaß den mysteriösen, manchmal überheblichen Totendoc mit undurchsichtiger Vergangenheit und magischen Fähigkeiten immer besser kennenzulernen. Und Barnell mausert sich vom typisch ruppigen Noir-Detective zum empathischen Mann, der über seinen Schatten springt.
- Autorin: Jenny Wood
- Titel: Totenfluch
- Teil/Band der Reihe: Kemet Serie, Ein Fall für Mafed und Barnell, Band 1 von 5
- Verlag: Art Skript Phantastik
- Erschienen: 03/2022
- Einband: Klappenbroschur
- Seiten: 432
- ISBN: 978-3-945045-23-7
- Sonstige Informationen:
- Produktseite beim Verlag
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Wertung: 11/15 dpt