
Veni, vedi, solvi. Ich kam, sah und löste. Welches Motto könnte für eine Gemeinschaft der Rätselmacher zutreffender sein als dieses? 1979 lädt Pippa Allsbrook – ihres Zeichens sehr erfolgreiche Autorin von tausenden von Kreuzworträtseln in Zeitungen wie der „Times“ – die kreativsten Rätsel-Schöpfer des Landes ein und überzeugt sie davon, eine Gemeinschaft zu gründen. Und was für eine Gemeinschaft da entsteht! Ein Puzzle-Illustrator, eine Trivia-Königin, ein Meister der Labyrinthe, ein Code-Brecher, ein Meister der mechanischen Rätsel – diese Runde ist an Exzentrik und Verschrobenheit kaum zu übertreffen. Einzelgänger sind sie fast alle, und so wird die Gemeinschaft mit dem charmanten Motto zu einer Art selbstgewählten Familie für alle. Zusammen zieht man in ein altes Anwesen, die Einkünfte werden zum Teil in einen gemeinsamen Topf geworfen, auch wenn vor allem Pippa die ungewöhnliche WG aus ihrem Erbe finanziert. Eines Tages dann liegt ein Säugling, eingepackt in einer großen Hutschachtel, vor der Tür. Die mittlerweile über 60-jährige Pip, die in ihrem Leben immer vermisst hat, Mutter zu sein, nimmt sich des kleinen Claytons an und fortan hat dieser nicht nur eine liebevolle Mutter, sondern auch sehr viele ältere und hochintelligente Rätselfreaks als Familie.
Als Pippa mit über 90 Jahren stirbt, spürt der 25-jährige Clayton seine ungeklärte Herkunft wie ein fehlendes Puzzle-Teil in seinem Inneren. Und in Anbetracht der schon sehr betagten Mitglieder der Gemeinschaft als seine einzige Familie muss er sich auch über seine eigene Zukunft Gedanken machen. Er macht sich also auf die Suche nach dem größten Rätsel aller Zeiten: Wo kommt er her und wer sind seine leiblichen Eltern? Geleitet wird er dabei von Rätseln, die Pippa vor ihrem Tod für ihn vorbereitet hat. Der junge Mann, der sich eher etwas altmodisch durch das Backen von perfektem Mürbeteiggebäck und einer Vorliebe für Wein und Jaffa-Cake auszeichnet, wird dabei ganz schön gefordert, als er sich alleine aufmacht und sich im modernen London von Rätsel zu Rätsel und von Begegnung zu Begegnung hangelt.
Der Roman folgt dabei genau zwei Handlungssträngen: zum einen Claytons gegenwärtiger Suche nach der Lösung des Rätsels seiner Herkunft, zum anderen der Geschichte der Gemeinschaft der Rätselmacher über die Jahrzehnte hinweg. Das alles geschieht in einer sehr unaufgeregten, entspannt lesbaren Sprache. Schön ist, dass im Buch immer wieder handschriftliche und getippte Briefe und verschiedene Rätsel abgedruckt sind, die im Laufe der Erzählung auftauchen und letztendlich zur Lösung führen. Mitraten darf man – muss man aber nicht, denn die Lösungen werden immer geliefert.
Eigentlich sei er selbst eine alte Seele in einem jungen Körper, sagt Autor Samuel Burr über sich. Vielleicht schreibt er deshalb so verständnis- und liebevoll über seinen Protagonisten Clayton. Außerdem hat Burr bereits als junger Filmemacher Dokumentationen in Seniorenheimen gedreht, hat sich dort die Geschichten der Älteren angehört und pflegt selbst eine langjährige Telefonfreundschaft mit einer älteren Dame. Und das erklärt wiederum die verständnisvolle und warmherzige Schilderung der ungewöhnlichen Rätsel-Schöpfer im hohen Rentenalter. Samuel Burr hat also einiges Persönliches in seinen Debüt-Roman eingebracht. Es lohnt sich durchaus, Interviews und Podcasts mit ihm zu lesen, die er auf seiner eigenen Webseite zusammengestellt hat.
Fazit:
Ein Roman wie eine heiße Tasse Kakao oder ein paar dicke Socken bei schlechtem Wetter: warm und entspannend. Samuel Burr will, dass sich alle wohlfühlen, sowohl seine Figuren als auch seine Leserinnen und Leser. Hier wird nicht experimentiert mit Perspektiven, Sprache oder Zeitebenen. Niemand wird in seinem Lesefluss ausgebremst. Keine Figur ist böswillig oder unsympathisch. Liebevoll blickt der Autor auf alle, die so ihr Päckchen im Leben mit sich tragen. Dabei dreht sich vieles um Freundschaft, Liebe und gegenseitiges Verständnis. Das könnte langweilig sein, ist es aber nicht. Wer ein Herz für das traditionelle, etwas exzentrische England, für Nostalgie und Wohlgefühl hat, ist mit dieser „cosy novel“ gut bedient. Für Fans von Richard Osmans „Donnerstagsmordclub“-Reihe, Matt Haigs Romanen oder auch von Bonnie Garmus‘ „Eine Frage der Chemie“.
Vielen Dank an den DuMont-Verlag für das Rezensionsexemplar.
- Autor: Samuel Burr
- Titel: Das größte Rätsel aller Zeiten
- Originaltitel: The Fellowship of Puzzlemakers
- Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet
- Verlag: DuMont Buchverlag
- Erschienen: 08/2024
- Einband: Hardcover
- Seiten: 448
- ISBN: 978-3-8321-8223-6
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